Freitag, 19. Dezember 2025

 Um vier Millimeter zu lange ist mein dereinst in Brasilien erworbener Korkenzieher dem dienstbeflissenen Hilfssheriff am Flughafen Schwechat, er darf heute nicht mit auf die Kap Verden. 

Aus zehn Inseln im Atlantik besteht der kleine afrikanische Staat westlich vom Senegal, ein Kompromiss in der heurigen Urlaubsplanung zwischen dringend benötigter Erholung mit Aussicht auf Sonne, Strand und Cocktails von Seiten der Gefährtin und meiner Hoffnung auf ein bisschen Ungemach und Abenteuer in der Fremde. Mickrige drei Wochen werden wir unterwegs sein, Stichwort monetäre Zwänge und keine Zeitausgleichsreserven mehr. 

Jedenfalls, auf einer dieser Inseln wurde im neunzehnten Jahrhundert Salz in einem Vulkankrater abgebaut, wovon ihr der Name Ilha do Sal blieb. Hier schlage ich nachts auf und könnte mein Quartier  theoretisch sogar zu Fuß erreichen. Aus ein paar Baracken nahe dem internationalen Flughafen ist im Laufe der letzten Jahrzehnte nämlich die Kleinstadt Espargos erwachsen, an deren östlichem Stadtrand ich ein den happigen Umständen entsprechend günstiges Zimmer mit Gemeinschaftshäusl am Gang gebucht habe. Fünf Euro fürs Taxi klingen allerdings auch ganz fair.

Der Asiate gegenüber ist nett und nennt mich Brother, nach kultureller Unart wird er frühmorgens lautstark sein Innerstes hochziehen und in der brüderlichen Nasszelle herumschlatzen. Eine erste Erkundung meiner neuen Hood. Ganz ausgefranst und luftig ist es hier am Stadtrand, viel Brachland noch zwischen den schmucklosen, meistens unverputzten kleinen Häusern. Viel los rund um eine Schule in unmittelbarer Nähe. In einer kleinen Padaria schlürfe ich zu kreolischer Feel good- Musi guten schwarzen Kaffee und löffle einen Gupf ungewürztes, kaltes  Couscous, zu dem mir die Kellnerin mit Wuschelhaar noch ein Schälchen Margarine reicht. Was ich mit der genau machen soll, erschließt sich mir nicht, ich lecke halt ab und zu am Löffel herum. Portugiesisch und Kreol spricht man in der ehemaligen Kolonie übrigens, beides noch immer nicht in meinem Repertoire. 

Mit einem kurzerhand angemieteten Fahrrad trete ich vorbei an der markanten Flugüberwachungsanlage auf einem zentralen Hügel über der Stadt nach Palmeira und seinem bescheidenen Hafen, der trotzdem der größte der Kap Verden ist. Alles an benötigten und verfügbaren Waren wird wenn nicht per Luft, hier umgeschlagen. Hauptsächlich kleine hölzerne Fischerboote liegen in der Bucht neben dem abgesperrten Bereich vor Anker. Eine größere Fähre, die die Inseln miteinander verbindet, wartet auf ihren nächsten Einsatz am Montag. Verrostete Baumaschinen und aufgepackelte Boote gammeln in den Straßen rundum vor sich hin. Öltanks und ein lärmiges Dieselkraftwerk verschandeln außerhalb die Gegend, wobei Windkraft die bevorzugte, weil logische Art der Energiegewinnung sein sollte. Der bläst nämlich stark und pausenlos und es gibt außer ein paar gekrümmten, kümmerlichen Büschen keine Vegetation mehr, die ihn daran hindern könnte. Nur felsige Mondlandschaft bis zum Horizont, seit vor langer Zeit die Wälder Sals zum Kalk brennen abgeholzt wurden. 

Weiter östlich entlang der Küste entdecke ich einen gigantischen Haufen Muschelschalen, den hier viele, viele LKW´s abgekippt haben müssen. Die Frage nach dem warum kann mir niemand beantworten, ich bin alleine. Südlich der Stadt, Menschen hier leben wie im heimatlichen Containistan auch in Frachtcontainern, in die sie Fenster geflext haben und aus denen karibische Musik dringt, versuche ich über Schotter und Staubpisten der Küstenlinie zu folgen, ein völlig sinnloses und anstrengendes Unterfangen. Im kleinsten Gang oder oft auch nur schiebend kämpfe ich gegen den Wind an, Steine in den Taschen wegen der feindseligen Hunde im Niemandsland. Irgendwann schon zu weit von Palmeira entfernt, um noch umzudrehen, die einzige asphaltierte Straße, die den Süden mit dem Norden der Insel verbindet, noch weit vor mir. Hier ist auch niemand, eh klar. Nachmittags kehre ich glücklich und fertig heim und labe mich an Maracujas, der besten Papaya des Universums und winzigen Bananen, alles erstanden am Mercado Municipal von zwei geduldigen Marktfrauen um ein paar Escudos. Die Umrechnung erfolgt grob auf eins zu hundert, das erleichtert die Angelegenheit.

Abends erkunde ich das im Ansatz weihnachtlich dekorierte Zentrum. Die Stadthunde sind im Gegensatz zu ihren ländlichen Artgenossen sehr gechillt und mitunter sogar übergewichtig. Frauen verkaufen wohlschmeckende, fettige und noch warme Teigtascherl aus Plastikboxen, deren Füllung sie auf Wunsch noch mit scharfen Saucen pimpen. Am kleinen Hauptplatz in der Fußgängerzone trinke ich ein Stella Kreol im Kindergebinde und bin´s zufrieden. In aushaltbaren Intervallen donnern mit ohrenbetäubendem Getöse Flugzeuge im Tiefflug herum, wobei Anrainerbeschwerden wie gesagt nicht viel bringen würden, der Flughafen war zuerst da. Morgen kommt schon Sweety, viel Zeit fürs Scouten bleibt nicht mehr. Ob die Kap Verden ausreichend Stoff für einen würdigen Blog liefern können, wird sich erst weisen. Stay tuned...


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