Donnerstag, 5. März 2020

3-5.3., Khao Lak, Ranong, Bangkok

Den letzten Tag am Strand verbringe ich klassisch in der Hängematte, zumindest bis es finster wird und ein Rudel bellender Hunde ihre Kreise rund um mein Lager enger zieht. Die kenne ich bereits von vorgestern, wir sind uns nicht freundlich gesonnen. Zähne wurden gezeigt, Flaschen wurden geworfen. Gleich bei meinem Hostel wollte mich schon ein anderer Köter ins Wadl beissen, ist völlig geräuschlos aus einem Vorgarten zu mir her gewetzt, als ich vorbeigefahren bin. Viel zu schnell für die im Lenkerfach immer griffbereiten Steine, erfreulicherweise hatte die Kreatur einen Beißkorb um und hätte mir maximal die Zehen lecken können.
Abends verlassen die Touristen kurz ihre Resorts und flanieren durch die Gassen, die Damen oft aufgebretzelt und im Abendkleid. Ich begehe bei meinem Stammwirten den Fehler, dessen heimtückische Frage "Spicy Thai Style?" leichtfertig zu bejahen. Der Papayasalat leuchtet schon von weitem rot von viel zu vielen Chilies und nachdem ich weinend und aus der Nase ins Essen tropfend ein paar Bissen runtergewürgt habe, gebe ich mich geschlagen und verlasse das Etablissement durch den offenen Mund atmend, wobei der Wirt sich nur wenig Mühe gibt, seine Genugtuung zu verbergen. Er selbst hätte sich dabei wahrscheinich auch in die Hose geschissen, aber die Mähr vom diesbezüglich schmerzbefreiten Thailänder lassen sie sich nicht nehmen.
Tags darauf starte ich die letzte Mofettenetappe zurück nach Ranong und besuche am Weg einen Friedhof der ausländischen Opfer des Tsunami. Einst aufwendig erbaut mit Alleen und Skulpturen, ist die Anlage mittlerweile völlig dem Verfall überlassen. Im Pförtnerhäuschen liegen Müll und alte Reifen und zwischen den Massengräbern, die nur mit Nummern markiert sind, wächst das Unkraut. Die Türen zu verwahrlosten Gebäuden stehen offen, niemand ist hier. Gegenüber stinkt eine Mülldeponie vor sich hin, daneben eine verschlossene Einrichtung zur Identifizierung noch unbekannter Leichen.
Dreißig Kilometer vor Ranong blinkt schon der letzte Balken der Spritanzeige. Die Tankstellen davor hatten nur unverträgliches Superbenzin und jetzt ist Austrian Horse with no Name so leer wie Trapattonis Flasche oder das Gefasel eines von den Gefallenen wiederauferstandenen Listenersten. Hundert Kilometer seien es bis zur nächsten Zapfsäule, meint eine Melonenfrau und bleibt trotz Nachfrage bei ihrer wilden Behauptung. Ein Passant lotst mich dann zu einem Verschlag mit Spritflaschen, ein paar hundert Meter entfernt.
In der Stadt gebe ich das Moped zurück und freue mich sehr über die Klimaanlage am Zimmer. Heute die letzte lange Busfahrt nach Bangkok mit Konsum- Rundumschlag, dem letzten Pad Thai und der Entdeckung, daß es doch noch eine Ecke gibt, wo gebrauchte Habseligkeiten von Urlaubern verkauft werden. Warum es ein Paar Eislaufschuhe hierher geschafft hat, bleibt das letzte Rätsel. Ab zum Flughafen und das war es.
Stefsechef hat wie gewohnt auch in dieser Ecke der Welt alles gegeben, hat Stämme befriedet, hat den Ältesten und Führern seinen Style und seine Weisheit weitergegeben und ist damit am Ende seiner Mission angelangt. Keine Wasserfälle und keine Höhlen mehr für mich in nächster Zukunft, und wenn mir noch ein einziger Tempel unterkommt, werde ich zum Jihadnik.
Für ein paar Wochen fahre ich noch nach Berlin statt nach Australien. Travelex hat ja wie schon erwähnt vom Rucksack zum Rollkoffer gewechselt und mich im Stich gelassen. Somit stelle ich die diesjährige Berichterstattung ein und empfehle mich.

Dienstag, 3. März 2020

2.3., Khao Lak

Nicht weit von meiner Unterkunft rostet mehr als einen Kilometer von der Küste entfernt ein  großes Polizeiboot vor sich hin, so wie es vor sechzehn Jahren vom Tsunami angespült wurde. Damals hatte es gerade einen Prinzen zu Gast, der zum Jet Ski fahren gekommen war. Monarchie muß schön sein als Monarch oder Adeliger. Alle an Bord haben das Unglück überlebt, im Gegensatz zu einem anderen Boot, dessen Besatzung es nicht mehr schaffte, rechtzeitig den Anker zu lösen.
Rund um das Polizeiboot haben sich Souvenirhändler angesiedelt, die neben geschmacklosen Fotos auch Elefanten zeigen, die damals kurzerhand zum Räumen von Schutt eingesetzt wurden. Sogar einen Tsunami-Schneider gibt es, alles da.
Abends fahre ich die fünf Kilometer runter zum Herold, im Resort wurde ich von ihm als Besucher vorangemeldet. Ein Angestellter fährt mich im Golfwagerl durch die Anlage zum Pool, halleluja, dort treibt der Haberer mit Frau Melli vor der Poolbar herum und nützt routiniert die Happy Hour. Gut, daß ich meine Badehose mithabe. Bargeld ist hier abgeschafft, man zahlt per Unterschrift auf einer Quittung. Später gehen wir essen, heute wurde unter dem Motto "Italian Night" angerichtet. Molto bello, mi piace! Ich zitiere in diesem Zusammenhang Stefanie Sargnagl, mein Lieblingsessen ist Buffet. Begleitet wird das Gelage von drei seelenlosen Musikanten und einem Corona, dessen Hersteller sich die letzten Wochen wohl ohnehin über ein beträchtliches Umsatzplus freuen durfte.
Insgesamt vom Feinsten die Bude, aber die einzigen Einheimischen in dieser Anlage sind die Angestellten. Später cruise ich beschwingt durch den Nationalpark zurück ins Dorf und das passt so.

Sonntag, 1. März 2020

29.2., 1.3., Koh Lanta, Khao Lak

Untertags die Osterkundung der Insel und abends in der Freedom Bar Billard mit einem Tai, dann noch eine Pizza von einem kleinen Wägelchen an der Straße. Nur zwei Stunden hält sich so ein Teig in diesem Klima, erzählt mir der deutsche Unternehmer, während seine thailändische Frau den Laden schupft und die Angeheiterten abfüttert. Da hilft keine Folie und kein Kühlschrank, dann müsse er hurtig wieder heim und neues Material zusammenkneten. Jede andere Lösung würde einen groben Qualitätsverlust mit sich bringen, er hätte anspruchsvolle Stammgäste. Jedenfalls momentan stehen hier nur Figuren herum, denen ich diesen Anspruch abspreche, es ist schon spät.
Tags darauf ziehe ich weiter, alles schläft noch. Eine längere Etappe inklusive Fähre hoch nach Khao Lak steht an. Austrian Horse with no Name scheppert lautstark, stirbt am Stand ab und springt dann nur widerwillig an, wahrscheinlich, weil´s auf der letzten Tanke nur Super statt Normal gab. Ich dachte immer, nur umgekehrt gibt´s Probleme.
An einem Strand vierzig Kilometer unterhalb vom Dorf Khao Lak beginnen heute die einwöchigen Feierlichkeiten im Rahmen der Aussetzung von in Becken aufgezogener Schildkröten. Sobald die Mütter die Eier im Sand abgelegt haben, werden diese nämlich wieder ausgebuddelt und nach dem Schlüpfen von Hand aufgezogen, um die Sterblichkeitsrate zu reduzieren.
Jahrmarktstimmung. Verkaufsstände, eine festlich geschmückte Bühne, Skulpturen am Strand. Zehn Schildkröten täglich werden fortan ausgesetzt, na ja.
Ein Stückchen weiter nördlich wird ab heute Herold, Haberer aus Wien, im Eden Resort einziehen. Eine abgeriegelte Luxusabsteige, dessen Personal mich gleich gutmütig wegwachelt, hier könnte ebensogut der Präsident der Galaxie wohnen. I´ll be back.
Mein Tauch-Hostel im Dorf gibt´s billiger. Das blaue Zimmer ist bemalt mit Skizzen und Fakten, Schwerpunktthema bei mir ist der Mantarochen. Hängematten im Garten, wunderbar.
Der lange Ortsstrand ist perfekt mit hellem und dunklem Sand und ein paar Felsen dazwischen, Bäume dahinter spenden Schatten und Halt für die Hängematte. Hier herrscht Rauchverbot. Ein Schild droht empfindliche Strafen an, weit außerhalb des Rahmens zum Beispiel in Bangkok. Dort kostet das Umschneiden von Bäumen in öffentlichen Parks akzeptable zweitausend Baht, fünfundsechtzig Euro. Das Schlafen ebenda wird mit fünfhundert Baht geahndet. Raue Sitten dagegen im Süden. Schon unter einem Halteverbotsschild auf Koh Lanta stand der Sinnspruch "Contravene Arrested I adjusted", Aufgelehnt, wurde verhaftet, habe mich angepasst, das Motto der örtlichen Polizei.
Anyway. Kleine Raucherbereiche mit Aschenbechern sind jedenfalls eingerichtet. Hier ist generell alles sehr gesittet. Es gibt keine Bars mehr. Die Menschen sitzen in Restaurants, die Tische sind mit Tüchern und später mit Kerzen ausgestattet.
Ganz selten passiert auch in diesem Idyll Schreckliches. Ein mit frischen Blumengirlanden, Kerzen, Schleifen, Porzellanengeln geschmückter Baum. Häufchen von bunten Muscheln darunter. Angebracht sind gegen die Witterung geschützte Fotos von im Tsunami 2004 Gestorbenen, hauptsächlich Kindern. An dieser Stelle wird nur der umgekommenen Touristen gedacht. Viele Möglichkeiten, der Welle zu entkommen, gab es nicht. Das Hinterland ist eine einzige weite Ebene.
Im Ort kommt mir der erste Mc Donalds meiner Reise unter, inmitten internationaler Restaurants und Cafes. Erst nach einem Weilchen finde ich ein klassisches, kantinenartiges Thai-Restaurant. Gewürze und Saucen auf jedem Tisch, geriebene Erdnüsse, Essig, eine Kanne Wasser. Dann wird ein Glas mit Eis aufgetragen und ein Teller mit Sojasprossen und unbekannten, wohlschmeckenden Blättern. An der Sraße sitzen und Leute schauen, während es endlich abkühlt.