Sonntag, 2. März 2025

 28.1., 1.,2.2., Jambiani, Uroa, Stonetown

Viel ist nicht mehr. Am Strand schaue ich den Kindern zu, wie sie bei Ebbe selbstgebastelte Segelboote in den Pfützen aussetzen oder Drachen steigen lassen. Einfältigere begnügen sich damit, die angespülten Plastikflaschen mit Sand oder Wasser zu füllen und wieder zurück ins Meer zu schleudern. 

Wo ich gerade dabei bin. Ich glaube nicht, dass mir im Laufe einer Reise schon mehr Schwurbler und Sonderlinge als auf Sansibar untergekommen sind. Abends zeigt einer Fernsehaufnahmen von sich her, er ist leibhaftig in deutschen Nachrichtensendern zu sehen, wie er per Megaphon dümmliche Parolen in eine aufgebrachte Menge schreit. Der Staatsschutz habe ihn unter Beobachtung und ob ich nicht wisse, dass Cannabis Krebs heilt und die Chinesen einem Hundefleisch unterjubeln.

Stromausfall die ganze Nacht und bis zu unserer Abreise gegen Mittag. Seit sechs Wochen keine Nacht unter siebenundzwanzig Grad. Die letzte werde ich in Uroa verbringen und Hiasi plant, gleich länger dort zu bleiben. Leider gibt es auch im einstimmig zum Lieblingsresort gewählten Domizil keine Abkühlung für mich. Die Klimaanlage zeigt kryptische 77 an und lässt sich nicht verstellen und einer der neu angeschafften Ventilatoren, hergestellt in Pakistan, verpasst mir den ärgsten jemals ausgefassten Stromschlag, als ich ihn ortsverändern möchte. Beim Tauschgerät haut´s mich dann fast um und die freundliche Betreiberin meint dazu nur, da stimme wohl etwas mit der Wand nicht. Ich empfehle Isoliertapeten Marke Hinterholz 8, meine Pratze schmerzt noch eine ganze Weile bis zur Schulter hoch. 

Am letzten Tag übergebe ich nicht mehr benötigte Habseligkeiten, mein grindiges Obstmesser samt letzter Mango, einen Reiseführer, Sonnenmilch und dergleichen an Interessierte und Zurückgebliebene, dann quere ich die Insel ein letztes Mal und retourniere endgültig das zu Schanden gerittene Gasrad. Nur wenige Muzungus schleppen sich schwitzend durch die Straßen. Viele Läden haben wegen des Ramadan geschlossen, aber nach Sonnenuntergang kommt wieder Schwung in die Bude, strömen die Leute in die Moscheen und freuen sich. 

Seit ewig bin ich schon nicht mehr mit einem Tuktuk gefahren, heute bringt mich eines knatternd zum Flughafen. Die Namensgebung der gewählten Fluglinie Precision Air ist sehr ambitioniert, wenn nicht gar irreführend. Vor drei Jahren ist eine ihrer Propellermaschinen über die Landebahn geschossen und im Victoriasee abgesoffen. Da ich aber nächtliche Fährüberfahrten generell unheimlich finde und der Stunt auf dieser Strecke aufgrund einiger Unglücke in letzter Zeit auch keine wirkliche Alternative darstellt, gebe ich halt meine Holzkeule als Hauptgepäck auf und vertraue mich der Luftfahrt an, oh this is Afrika. Hunderte beleuchtete Schiffe zwischen Sansibar und dem Festland und Daressalam scheint riesig.

Insgesamt war´s hier ganz nett, aber in die schamlos übertriebenen, mitunter fantastischen  Lobpreisungen der Fremdenverkehrspropaganda kann ich nicht einstimmen. So gut wie keine intakte Natur mehr und großer Ausverkauf an ausländische Investoren. Wie immer außerhalb Europas bestechen aber auch die Sansibaris mit oft absichtsloser Offen-, und Freundlichkeit und das alleine ist ja auch schon eine ganze Menge, oder.


Freitag, 28. Februar 2025

 27..2., Jambiani

Hiasi schafft es fast rechtzeitig von Stone Town zu seinem ersten Tauchgang seit mehr als zehn Jahren. Treue Leser erinnern sich an seine ohnehin fragwürdige Ausbildung damals irgendwo in Indonesien, ale er sich den abschließenden Test mit aufs Zimmer nehmen durfte. 

Es folgt eine völlig wertlose Verschwendung meiner Lebenszeit. Bei starkem Wellengang, der bis in unsere bescheidene Tauchtiefe zu spüren ist, fühle ich mich wie ein Betrunkener im Schneegestöber nördlich von Novosibirsk. Hiasi rauft sich auch irgendwie durch die nächste halbe Stunde, dann brechen wir das Unterfangen ab. 

Nicht der Erwähnung wert ist der restliche Tag. Wenigstens hat Hiasi reichlich Fotos und ein paar Geschichten über die Serengeti und den Ngoro Ngoro-Krater mitgebracht. Er erzählt von allen nur erdenklichen Tiersichtungen und stinkenden Menschen, deren Dunst nach Rauchküche, Ziegenfleisch und ungewaschenem Dasein schon aus weiter Ferne wahrzunehmen gewesen sei. Während sich Sparfüchse in der Wildnis ein Igluzelt teilen mussten, residierte er wie dereinst Dr. Livingstone in einem geräumigen Luxuszelt mit Klo und Dusche. Trotzdem musste er unterwegs reichlich Sand fressen, hatte Fieber von der offiziellen Verpflegung und eine kaputtgescheuerte Sonnenbrille vom Fahren in unwegsamem Gelände.

Um elf Uhr nachts suchen wir den menschenleeren Strand nach einem geöffneten Lokal ab, aber die einzige Beleuchtung kommt von den Sternen über uns. Jambiani ist tot, und das schon Tage vor dem offiziellen Beginn des Ramadan. Widerwillig müssen wir uns dem fremdbestimmten Frühschluss, wie es Hiasi nennt, fügen. Irgendein bescheuertes Viech hat unterdessen Teile meines Buches weggeknabbert, vielleicht ein Bücherwurm.


Mittwoch, 26. Februar 2025

 26.2., Jambiani

Dinge, die man tun kann, wenn man es auf der Sonnenliege am Meer nicht mehr aushält, weil es dort unerträglich heiß ist und sich das letzte mitgeführte Buch als absolut lähmend herausstellt: 

Wasser, Brot, Mangos, Avocados und Kekse einkaufen, die Mopette auftanken, Wäsche im Mistkübel waschen, eine eh schon flächendeckend geflickte Hose, von der man sich nicht trennen kann, noch einmal zum Schneider bringen, an der Straße super essen gehen um siebzig Cent, zum Frisör gehen, duschen, weil man vom reichlich aufgetragenen parfümierten Puder stinkt, eine Mango essen, in die Apotheke um Aspros gehen, am klimatisierten Zimmer den Blog schreiben, zumindest bis zum nächsten Stromausfall, sich mit den zwei deutschen Mitbewohnern unterhalten, wobei der eine hauptsächlich abartig hustet, weil er serbische Marlboro raucht, mit einem der Angestellten Fußball im Resti-Verschlag schauen, obwohl man sich keine langweiligere Sportart vorstellen kann, und Bier trinken. 

Überwältigt von bleierner Langeweile schlafe ich immer wieder ein, wache auf und wende meine feuchten Socken oder knabbere ein paar Nüsse, bis mich abermals unruhiger, weil unverdienter Schlaf übermannt. Morgen kommt Hiasi vom Festland, dann starten wir hoffentlich noch einmal durch.

Auf den ersten Blick unmerklich, aber stetig rieselt es von der Decke meiner Behausung grobkörniges Holzmehl auf mein Bett. Im Laufe eines Tages kommt so locker ein Fingerhut voll tragender Bausubstanz zusammen und mit Sicherheit wird diese Hütte deswegen irgendwann einstürzen. Wird es mich heute Nacht erwischen oder darf ich noch ein weiteres Frühstück mit Labbertoast, Neonmarmelade und Löskaffee erleben? Stefsechef, living on the edge. 


Dienstag, 25. Februar 2025

 25.2., Jambiani

Zum Kaffee eröffnen mir die zwei entzückenden Resortdamen, sie würden sich schon bald Pässe besorgen und dann auch nach Wien kommen, ob sie sich dann bei mir melden dürften. Ein bisschen Geld hätten sie schon angespart und sie würden nur ein paar Tage bleiben. Bis vor fünf Minuten dachten die Damen noch, ich sei Australier, aber das Land ihrer Träume ist scheinbar jedes außer Sansibar. 

Auf der Suche nach Neuland quere ich wieder einmal die Insel. Irgendwie hat mein Roller Probleme mit der Kraftübertragung und rennt schon unter normalen Umständen schnell heiß. Tausendsechshundert Kilometer hat er schon weggesteckt, eine Woche muss er noch halten. 

In Bwejuu und Umgebung klappere ich die Strände und Unterkünfte ab, lande aber letztendlich wieder in Jambiani. Abends zieht ein veritabler Sturm auf. Einige Locals tragen sogar Pullis und Jacken, was ich bei über dreißig Grad aber für übertrieben halte. Im Lost Soles, einem mit hunderten angespülten Schlapfen dekorierten Strandpub, spielt heute ein Typ mit Muscheln in den Haaren und so weich wie Butter, die in der Sonne vergessen wurde. Ihm zur Seite spielt noch einer virtuos die Djembe und zu später Stunde gibt es niemanden mehr, der nicht seinen Körper zu afrikanischen Rhythmen winden und stampfend im Sand tanzen würde. Auch Klassiker werden bemüht, good friends we´ve lost along the way.

Ich glaube, die nächsten Tage werden nicht viel anders ablaufen, obwohl der mit März beginnende Ramadan schon seine Schatten wirft. Übermorgen kommt Hiasi vom Festland zurück und wir werden wohl tauchen und mit einem einst ausgewanderten Freund von ihm Segeln gehen, vielleicht passiert aber auch nix mehr. Die Exploration der Insel stelle ich jedenfalls ein, es gibt nichts mehr zu entdecken.


 24.2., Fumba

Unsere Bitte um Frühstück bringt den ganzen verschlafenen Laden in Aufruhr, obwohl er unter Bed and Breakfast läuft. In der Not wird kurzerhand eine Papaya gepflückt und aufgeschnitten und der Sicherheitsmann wird zweckentfremdet, borgt sich meinen Roller aus, damit er vom Dorf noch ein paar Chapatis und  Löskaffee für uns kaufen kann. Und dann wird´s schon wieder Zeit, die Süße zum Flughafen zu führen, eine muss ja das Geld nach Hause bringen. Neben unvergesslichen Erinnerungen wird sie auch Dreckwäsche und sonstiges unnötiges Zeug von mir im Gepäck haben, wenn sie morgen hoffentlich wohlbehalten in Wien aufschlägt. Leere in meinem Rucksack und ein wenig auch in mir.

Bei mir gurgelt es unterdes im Gebälk. Auch nach all den Wochen noch keine Spur von angewandter Resilienz. Am besten, ich mache es so wie dereinst der Präsident Tansanias, ich glaube einfach nicht mehr an Dünnpfiff. Bei ihm war es zwar Covid, aber das Prinzip bleibt das gleiche. Nachdem er damals zum Schluss gekommen war, dass es dieses Virus überhaupt nicht gibt, erkrankten seine Bürger auch nicht mehr an Corona und wenn doch, so waren die Symptome der Infektion maximal die einer Grippe. So wurde es mir gestern von einer  Festlandschönheit berichtet, also war es auch so. 

Weil noch Gulaschsuppe übrig sein muss, finde ich mich auch heute Abend beim Vorarlberger ein. Auch er hat interessante Thesen auf Lager. Zum Beispiel kann er auch bei größter Anstrengung nicht zunehmen, weil er als Kind zu wenig Fettzellen produziert hat. Dieser Umstand definiert jetzt und für immer seinen Körperbau. 


Montag, 24. Februar 2025

 23.2., Fumba

Gefährliche Tierattacken schon früh morgens. Ein Rabe entwendet dem französischen Nachbarn seine Medikamente und deponiert sie zerfetzt bei uns im Badezimmer und auf der Fahrt nach Fumba peckt eine Biene Ena ins Knie. 

Unter sengender Sonne starten wir mittags mit Issa Brown, dem Knaben, mit dem ich vor Wochen im Krankenhaus war, weil es seiner Frau nicht gut ging, einen Spaziergang durch sein Dorf. Angereist am Moped du dritt, wie es sich in Afrika gehört, schleppen wir uns an Kindern in Kopftüchern in zwei Koranschulen vorbei und schauen in den alten, tief getriebenen Dorfbrunnen. Zwei Köhlereien, einen Fahnenplatz und viel Grün rundum entdecken wir auch noch. Natürlich kennt Issa jeden und alles hier und später kochen wir Pilav mit Fleisch und Gemüse bei ihm daheim. 

Kinder krabbeln und schreien derweilen herum, die gehören irgendwelchen Schwestern oder Schwägerinnen. Unverputzte, aber wenigstens schon geziegelte  Wände, aber wenn der Wind ins Wellblechdach fährt, donnert es ordentlich. Seine Frau erklärt und gibt Instruktionen, teilt Ena zum Kokosnuss auspressen und zum Zerstampfen von Kardamom ein, wobei ein Baueisen als Hammer beziehungsweise Stößel dient. Vor dem Hauptgang verkochen wir nämlich noch Bananen, Kokosmilch, Kardamom und braunen Zucker auf der offenen Feuerstelle, geile Sache. 

Nach Stunden setzen wir uns unter Protest ab, wir müssen noch zum Vorarlberger. Das ist der, der früher für die UN als Mediator gearbeitet hat und jetzt einen Wirten am Strand führt. In bunter Runde wird Wein getrunken und hausgemachte Gulaschsuppe gelöffelt. Ein italienischer Weinhändler mit tansanischer Schönheit im Schlepp, dereinst vor Corona und den damit einhergehenden Pflichten und Restriktionen zuerst für Monate in seine Skihütte in Sestriere geflüchtet, dann gleich weiter nach Sansibar. Eine jamaikanisch-englische, wuchtige Boxerin und Menschenrechtsaktivistin, deren Vater Söldner in Bosnien war. Sie kann Geister sehen, Massengräber spüren und dergleichen mehr. Eine österreichische Meeresbiologin noch und ein paar Franzosen. 


 22.2., Kizimkazi

Ich träume, ich ziehe mit Mark Zuckerberg um die Häuser. Die meisten haben wohl ein falsches Bild von ihm, er ist eh ganz o.k. Und damit habe ich den spannendsten Teil meines Tages auch schon vorweg genommen. Auf Geheiß von unten verbringen wir heute einen ruhigen Tag am Pool. Olta, is mir fad! Da ist das japanische Science Fiction-Buch aus den Siebzigern, das mir noch zum lesen bleibt, auch keine große Hilfe. Sonnen, abkühlen, sonnen, Bier mit Cola, Sonne geht theatralisch unter, Fledermäuse kommen, essen, gähn.