23.11., Leh
Gestern Abend
gab´s noch den gefürchteten Buttertee für mich, war aber auszuhalten. Der schmeckt
entgegen meiner Befürchtungen hauptsächlich im Sommer grauslich, wenn die
Butter, die gemeinsam mit Salz und Schwarztee in einem Holzzylinder
durchgestampft wird, schon schön ranzig ist.
Heute starte ich die Erkundung der
Stadt, nachdem ich endlich in den Schuhen stecke. Dem sieben Monate alten
Berner Sennenhund hier ist so fad im Schädel, dass er einfach nicht von meinen
Fersen und den Schuhbändern lassen kann. Leh, nahe des Indus-Flusses in einem
Hochtal gelegen und seit jeher Handelsplatz und Schnittpunkt vieler
Karawanenwege, kommt mir noch immer ganz schön exotisch vor. Am Markt werden heute
zwar Paschminaschals statt Schneeleopardenfelle von rotwangigen Frauen gehandelt
aber die Hauptstadt Ladakhs mit seinen fünfzehntausend Einwohnern wirkt noch
immer, als wäre sie aus der Zeit gefallen. Über der Stadt hockt hoch oben auf
einem steilen Felsen der riesige, über vierhundert Jahre alte Königspalast, der
muss aber noch warten. Im Bazar wird Fleisch, Gemüse, warme Kleidung feilgeboten,
in Tischlereien hinter dem Verkaufsverschlag werden in niedrige Tische von Hand
aufwendige Verzierungen geschnitzt. Selbst gebastelte Allesbrenner-Herde
stapeln sich und kleinwüchsige Yakkreuzungen
und Rinder flanieren gemächlich durch die Straßen. Außerhalb der Altstadt sind
die kleinen Gärten der Häuser mit ihren vorstehenden, goldenen Fenstergiebeln
von hohen Mauern aus quadratischen Lehmziegeln umgeben. Menschen in grob gewebten,
knöchellangen Umhängen drehen große Gebetsmühlen, die dadurch Glöckchen
anschlagen. Schrottreife Armeelaster verpesten die eh schon staubige Luft noch zusätzlich,
die laufen scheinbar mit altem Frittierfett oder Yaktalg. Während ich ihren
schon angegorenen Beerensaft trinke und mir die wenigen gebrauchten Bücher im
Regal anschaue, trällert die Verkäuferin entspannt ein Liedchen. Das einzige
erhältliche deutschsprachige Werk ist Bukowski´s Faktotum. Die Rollläden der kleinen Reiseagenturen und die
herausgeputzten Restaurants für ausländische Gäste sind durch die Bank geschlossen.
Unterhalb der Stadt passiere ich ein großes Spital, überall verbinden breite
Manimauern weiß gekalkte Gompas, von deren Spitzen ausgefranste Gebetsfahnen
wehen. In einer erst vor drei Monaten eröffneten Fußgängerzone finde ich schließlich
einen beheizten Teastall, wo ich mich
bei heißem Chai aufwärme und die auf Englisch erscheinende Tageszeitung The Hindu von gestern lese. Natürlich ist das Hauptthema die
Geschichte mit den plötzlich wertlos gewordenen Geldscheinen. Die Opposition,
die heiß rennt, Hochzeiten, die nicht stattfinden können, Bauern, die kein
Saatgut einkaufen können, entkräftete Senioren, die, während sie in der
endlosen Schlange vor der Bank anstehen, bargeldlos ihr Leben aushauchen. Außerdem:
Ein Einwohner Delhis wird für den Diebstahl von 243 Kilowatt Strom zu zwei
Jahren Rigorous Imprisonment
verurteilt und wenn er die damit einhergehende Geldstrafe nicht bezahlt, kommen
noch einmal sechs Monate Simple
Imprisonment dazu. Von Surgical
Strikes entlang des seit ewig umkämpften Grenzverlaufs im Nordwesten
Indiens lese ich und vom bösen Pakistan, das schon wieder einen
Waffenstillstand gebrochen hat. Die mit eher bescheidenen dreihundert Kilometern längste Autobahn Indiens
wurde feierlich eröffnet. Ein Abschnitt ist auch für Starts und Landungen von
Kampfjets ausgelegt.
Daheim steht
die Bude unter Rauch. Der Hausherr versucht erfolglos, seinen rostigen Holzofen
in Gang zu bringen. Wahrscheinlich ist der Elektro-Strahler, den ich ausgefasst
habe, der einzige im Haushalt. Tja, Pech gehabt. Mir ist so schon kalt genug.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen