Donnerstag, 24. November 2016



24.11., Leh
Das bisschen indische Geld wird nicht ewig reichen, der Weg zur Bank bleibt mir nicht erspart. Die Hütte ist bummvoll mit Menschen, die scheinbar von der Regierung genötigt wurden, ein Konto zu eröffnen. Alte Menschen drehen ihre Gebetsmühlen und murmeln Mantras, während sie in der Schlange stehen. Kinder helfen ihren betagten Eltern dabei, ihre Fingerabdrücke auf der richtigen Stelle des Antragsformulars zu platzieren. Dazu werden normale Stempelkissen verwendet und statt der Finger hätte man dann ebenso gut eine Weintraube aufs Blatt drücken können, hätte den gleichen Effekt gehabt. Meine Assistant Managerin bleibt in all dem Trubel erstaunlich gelassen. Vielleicht, weil sie den besten Platz direkt neben dem Ölofen hat. Dann schlürfe ich einen Tee bei der Ladakhi Women Association, da kann ich mir auch gleich abgekochtes Wasser in meine Flasche füllen. Ein kleiner Balkon im Stiegenhaus gibt den Blick frei auf eine Freiluft-Puja im Innenhof der Soma Gompa, dem größten Tempel der Stadt. Hauptsächlich in Schwarz gekleidete, ältere Herrschaften sitzen am Boden und lauschen andächtig dem Zeremonienmeister, ein Typ schlägt eine große Trommel. Lange bleibe ich nicht, ein paar schauen schon blöd hoch zu mir, dem Ungläubigen. Hinter einer Moschee führt ein versteckter Weg durch die Altstadt hoch zum monumentalen, neunstöckigen Königspalast. Erbaut um 1600 von einem gewissen Löwenkönig im Stil des berühmteren Potala-Palastes im tibetischen Lhasa. Verfilzte, langhaarige Hunde überall in den steilen Gassen nach oben. An den Wänden steht Om Mani Padme Hum, Oh du Juwel in der Lotusblüte. Natürlich bin ich auch im Palast der einzige Besucher und bewege mich durch die zirka hundert düsteren und niedrigen Zimmer wie ein verirrter Schlossgeist. Die Anlage ist an einen großen Felsen angelehnt und mitunter so verwinkelt, dass ich wirklich oft nicht weiß, wo ich gerade bin. Kleine geschnitzte Türen so groß wie ein Fenster bei uns, schwarze Holzsäulen, die die gebogenen Decken abstützen, der höchstpersönliche Andachtsraum des Königs mit hundertarmigen Gottheiten, Buddhas, Holzmasken mit Hörnern auf Säulen. Durchgebrochene Böden ohne Absperrungen, das innerste Gemach der Herrscherfamilie im neunten Stock mit einer kolossalen Aussicht auf die Stadt unter mir. Hier liegen tote Vögel herum und ein Besucher hat es sich nicht nehmen lassen, hier einen Kackhaufen hinzulegen. Kein Aufsichtspersonal im gesamten Palast. Irgendwelche Gefäße aus Metall liegen unbewacht herum, Anarchie. Noch ein Stück höher den Berg stehen noch eine windschiefe Klosteranlage und die Ruinen einer Festung. Gebetsfahnen überall, der Wind pfeift. Die Sicht über das Umland ist fast grenzenlos. Steine, Berge, gewundene Wege, Steine. Und Felsen, sehr viele Felsen. In der Ferne Steine, Berge und Felsen mit Schnee darauf. Nicht der leiseste Hauch von Vegetation oder Wasser, nur tote Steinwüste, soweit das Auge reicht. Das könnte etwas langweilig werden die nächsten Tage. In der Nacht wird es vielleicht schneien, erzählt mir ein Einheimischer.

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