24.11., Leh
Das bisschen
indische Geld wird nicht ewig reichen, der Weg zur Bank bleibt mir nicht
erspart. Die Hütte ist bummvoll mit Menschen, die scheinbar von der Regierung
genötigt wurden, ein Konto zu eröffnen. Alte Menschen drehen ihre Gebetsmühlen
und murmeln Mantras, während sie in der Schlange stehen. Kinder helfen ihren
betagten Eltern dabei, ihre Fingerabdrücke auf der richtigen Stelle des Antragsformulars
zu platzieren. Dazu werden normale Stempelkissen verwendet und statt der Finger
hätte man dann ebenso gut eine Weintraube aufs Blatt drücken können, hätte den
gleichen Effekt gehabt. Meine Assistant
Managerin bleibt in all dem Trubel erstaunlich gelassen. Vielleicht, weil
sie den besten Platz direkt neben dem Ölofen hat. Dann schlürfe ich einen Tee
bei der Ladakhi Women Association, da
kann ich mir auch gleich abgekochtes Wasser in meine Flasche füllen. Ein
kleiner Balkon im Stiegenhaus gibt den Blick frei auf eine Freiluft-Puja im
Innenhof der Soma Gompa, dem größten
Tempel der Stadt. Hauptsächlich in Schwarz gekleidete, ältere Herrschaften
sitzen am Boden und lauschen andächtig dem Zeremonienmeister, ein Typ schlägt
eine große Trommel. Lange bleibe ich nicht, ein paar schauen schon blöd hoch zu
mir, dem Ungläubigen. Hinter einer Moschee führt ein versteckter Weg durch die Altstadt hoch zum
monumentalen, neunstöckigen Königspalast. Erbaut um 1600 von einem gewissen
Löwenkönig im Stil des berühmteren Potala-Palastes im tibetischen Lhasa. Verfilzte,
langhaarige Hunde überall in den steilen Gassen nach oben. An den Wänden steht Om Mani Padme Hum, Oh du Juwel in der Lotusblüte. Natürlich bin ich
auch im Palast der einzige Besucher und bewege mich durch die zirka hundert düsteren
und niedrigen Zimmer wie ein verirrter Schlossgeist. Die Anlage ist an einen
großen Felsen angelehnt und mitunter so verwinkelt, dass ich wirklich oft nicht
weiß, wo ich gerade bin. Kleine geschnitzte Türen so groß wie ein Fenster bei
uns, schwarze Holzsäulen, die die gebogenen Decken abstützen, der höchstpersönliche Andachtsraum des
Königs mit hundertarmigen Gottheiten, Buddhas, Holzmasken mit Hörnern auf
Säulen. Durchgebrochene Böden ohne Absperrungen, das innerste Gemach der
Herrscherfamilie im neunten Stock mit einer kolossalen Aussicht auf die Stadt
unter mir. Hier liegen tote Vögel herum und ein Besucher hat es sich nicht
nehmen lassen, hier einen Kackhaufen hinzulegen. Kein Aufsichtspersonal im
gesamten Palast. Irgendwelche Gefäße aus Metall liegen unbewacht herum, Anarchie. Noch
ein Stück höher den Berg stehen noch eine windschiefe Klosteranlage und die
Ruinen einer Festung. Gebetsfahnen überall, der Wind pfeift. Die Sicht über das Umland ist fast
grenzenlos. Steine, Berge, gewundene Wege, Steine. Und Felsen, sehr viele Felsen. In der
Ferne Steine, Berge und Felsen mit Schnee darauf. Nicht der leiseste Hauch von
Vegetation oder Wasser, nur tote Steinwüste, soweit das Auge reicht. Das könnte
etwas langweilig werden die nächsten Tage. In der Nacht wird es vielleicht
schneien, erzählt mir ein Einheimischer.
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