Dienstag, 31. Dezember 2019

30.12., von Dawei nach Myeik

Wer hätte gedacht, daß es so lange dauern wird, in Myanmar ein paar hundert Kilometer zurückzulegen. Heute also schon auf um 3.30, durch die kühle Nacht mit dem Tucktuck raus aus der Stadt und hurtig den nächsten Bus bestiegen, Minivans werden fortan boykottiert. Schon kurz vor Fünf fahren wir los. Im Bus schaut´s ziemlich wild aus, es spritelt und die meisten Fahrgäste schlafen, vielleicht sind sie auch bewusstlos wegen der Dämpfe oder einer schleichenden Kohlenmonoxidvergiftung.
Der Bus kommt direkt aus Yangon und es bleibt zu hoffen, daß der Fahrer irgendwann zwischendurch getauscht wurde. Wie immer halten wir kurz darauf dort, wo der Parkplatz schon voll mit anderen Reisegesellschaften ist. Aus unbekannten Gründen bleiben alle Busse immer beim gleichen Wirten stehen und es spielt sich ab. Es gibt Reis mit Ei und süßen Tee, daran könnte ich mich gewöhnen. Später riecht es außer nach Diesel immer
wieder auch nach Scheisse, ein Kind vor uns hat allem Anschein nach eine massive Stinkbombe ausgeklinkt und verschärft das Unterfangen.
Die Landschaft draußen wird immer schöner. Kleine Dörfer mit Stelzenhütten, hin und wieder sogar unberührter Urwald. Aber die Straße ist schlecht und kurvig, an Schlaf ist nicht zu denken.
Mit überschaubaren zwei Stunden Verspätung treffen wir in Myeik ein, angeblich der schönsten und wohlhabensten Stadt Myanmars. Reich geworden ist sie offiziell durch Fischfang und Handel, außerdem wird hier die wunderbar stinkige Fischpaste Ngapi produziert. Aber eigentlich ist Myeik das Schmuggelzentrum für Waren aller Art nach Thailand. Die vorgelagerte Inselwelt ist nur teilweise bereisbar, viele werden militärisch genutzt. Diesen Archipel im indischen Ozean steuern alle Tauchboote der Umgebung an und aufgrund der Abgeschiedenheit ranken sich reichlich Gerüchte um die Gegend. Schatzinseln, verschollene Schiffe, so etwas in der Art. Seenomaden, eigentlich der Stamm der Moken, gibt´s hier ebenfalls, wie auch weiter südlich vor der thailändischen
Stamminsel Koh Phayam.
Mit einem Moped fahren wir die Hafengegend ab, wo geschwungene Fischkutter aus Holz im schlammigen Wasser dümpeln, dann grasen wir ein paar Tourenanbieter ab.
Alle haben die gleichen zwei Ausflüge im Angebot, die Preise sind staatlich vorgegeben und nicht verhandelbar. Unsere Versuche, ein individuelles Programm zusammenzustellen, scheitern, jeder macht sich vor der Staatsgewalt in die Hose. Bevor ich meinen Kummer mit einer Flasche Myanmar-Rum um siebzig Cent ersäufe, teste ich ihn heute sicherheitshalber nur mit einem Schlückchen an und warte mit dem Exzess bis morgen, ich möchte nicht unabsichtlich erblinden. Am Abend
spazieren wir durch die grünen Ausläufer der Stadt, wo es recht idyllisch zugeht. Die Holzäuser haben nicht wirklich blickdichte Wände und wir schauen den Leuten beim Essen oder fernsehen zu. Die Kinder spielen auf der Straße, wir werden bestaunt und angelacht und ab und zu nimmt jemand seinen Mut zusammen und spricht uns an. Noch Sushi beim Chinesen, nichts ist unmöglich, und das war´s dann. Ein langer Tag.

Montag, 30. Dezember 2019

29.12., von Mawlamyine nach Dawei

Entlang des Sperrgebietes hin zur thailändischen Grenze fahren wir mit einem Minivan weiter nach Süden. Das Dach und der Kofferraum sind voll mit Zwiebeln und Chillies. Als wir mit halbstündiger Verspätung weg kommen, sieht es noch nach einer beschaulichen Fahrt nach Dawei aus. Diese Kleinstadt, eigentlich nur Zwischenstation am Weg nach Myeik, sollte touristisch noch recht jungfräulich sein. Am interessantesten sind wohl ein paar alte Holzhäuser aus vergangenen Zeiten, soll sein. Reisende könnten im hiesigen Kloster die Schenkel der Erdgöttin Dharani reiben, um die Wahrscheinlichkeit einer sicheren Ankunft zu erhöhen, das klingt irgendwie geil. Kaum sind wir ums Eck vom Terminal, beginnt der Vollhorst schon, seine Kiste mit Laufkundschaft aller Art zu befüllen. Dann holt er noch Frau und Kind ab und die Zeit vergeht. Viel zu schnell verwandelt sich die wichtigste Nord-Süd-Verbindung in eine holprige Piste und hinter uns speiben sich wieder die Frauen an.
Kein Wunder auch, permanent werden irgendwelche vergorenen Früchte und sonstige Kotz-Katalysatoren genascht. Zu Mittag fresse auch ich beim Wirten alles, was ich hingestellt bekomme, und das ist viel mehr als die zwei Schüsselchen rote Bohnen und wässriges Fisch-Erdäpfel-Gulasch, die ich ursprünglich bestellt habe. Zum obligatorischen Reis werden noch rohe Gurken und Kraut, Wasserspinat und Okra in Suppe und zwei verschiedene, für die Gegend typische, fischig-fermentierte Stinkesaucen  gereicht. Weiter geht die Reise, wir sitzen inzwischen schon sehr unbequem. Als bei einem weiteren Stopp noch eine Fahrgästin in unsere Reihe gequetscht wird, wird die Süsse sauer und gebietet dem Treiben lautstark Einhalt.
Wir fahren und fahren und kommen nicht an. Personenkontrolle am Schranken eines Bergpasses, den wir in Zeitlupe erklommen haben, kurzfristige Anhaltungen, wo die Piste gerade ausgebaut wird. Ein umgestürzter, vollständig ausgebrannter Sattelschlepper, daneben antike Feuerwehren, die mit einer Pumpe ihre Wassertanks im Fluss füllen. Viel Verkehr generell mit Traktoren, schwachbrüstigen Lastwägen und scheinbar selbstgebastelten Gefährten, ein Radfahrer mit Vollvisierhelm.
Die Gegend ist die ganzen dreihundert Kilometer hindurch mehr oder weniger eine einzige Kautschukplantage mit Bäumen in Reih und Glied, dazwischen stehen noch ein paar Betelnusspalmen. Unser Fahrer überholt nach westlichen Maßstäben zwar noch immer wie ein Wahnsinniger, fährt aber für örtlichen Standard doch ungewöhnlich verhalten, vielleicht wegen der vielen Körbe am Dach. Dadurch gerät er noch mehr in Enas Visier, die heute schlecht drauf ist, wohingegen ich die
Ruhe in Person bin, obwohl mir der Motor durchs Bodenblech schön langsam die Zehen knusprig brät. Wenn sie nur seine Sprache sprechen könnte, diese Dumpfbacke, sie möchte ab jetzt weiterfahren. Das ist ihr Ernst, Napoleonsyndrom im fortgeschrittenen Stadium.
Es ist schon lange finster, als wir endlich in Dawei einreiten, so war das nicht ausgemacht. Schnell eine Behausung finden, dann auf die Straße. Viele enthusiastische Zuseher bei einem Fußvolleyballturnier, wo die Spieler mittels akrobatischer Sprünge und Bein-Extremstretching versuchen, eine hohle Bastkugel ins gegnerische Feld zu fetzen, Elektrolyt und Futter für uns in einem Biergarten bei angenehmem Stromausfall.
28.12., Mawlamyine

Mit einem Mietmoped unseres chinesischen Beherbergers kümmern wir uns zuerst am Busbahnhof um Tickets für morgen, dann gurken wir gen Süden zum größten liegenden Buddha der Welt. Die gesamte Anlage ist dazu angetan, in Kürze eine der Hauptattraktionen des Landes zu werden, aber noch ist sie nicht fertig und nur ein paar einheimische Touristen staunen mit uns über die riesige, hundertachtzig Meter lange Konstruktion, die da in der Gegend herumliegt. Über einen Stiegenaufgang betritt man den Buddha über seinen Kopf, die ersten zwei Stockwerke bis zur Hüfte sind auch innen schon fertiggestellt. Dreidimensionale Abbildungen von allerlei Göttern und Fabelwesen, irgendwelche Szenen, die nur ein Buddhist versteht. Auch die haben scheinbar ihre Hölle. Menschen werden von Monstern aufgespießt und mit glühenden Kohlen überschüttet, es kommt auch zu Organentnahmen ohne Einwilligung des Patienten. Der hintere Teil des Liegenden ist noch in der Rohbauphase, wobei die Baustelle nicht abgesichert und auch nicht gesperrt ist. Räume mit grauen, noch nicht fertig modellierten Skulpturen, kaputte Figuren. Bis in den fünften Stock, ganz hinten bei den riesigen Zehen, gehen wir, wo wir durch Baulücken ins Freie gelangen und den zweiten, ebenfalls in Bau befindlichen Riesenbuddha am Gegenhang bewundern. Wie ein umgefallener, halb fertiger Wolkenkratzer, erstaunlich. Nebenbei müssen wir zahlreiche Fototermine wahrnehmen, wir sind hier auch der Hit. Bereitwillig spenden wir noch zwei schwarze Keramikfliesen für das Haupthaar des neuen Buddha, dann rauschen wir entlang eines ewig langen Spaliers von tönernen Mönchsfiguren von dannen. Nächster Halt: Eine teilweise seeehr niedrige, zur Betstelle umfunktionierte Höhle, dann suchen wir ein paar Dörfer heim. Männer spielen eine Kombination aus Karten.- und Billardspiel mit kleinen Kegeln um Geld, ländliche Beschaulichkeit. Zurück in der Stadt gibt´s natürlich auch eine Riesenpagode am Berg mit einem uralten, noch immer bewohnten Kloster aus Holz nebenan, da geht die Sonne schon unter. Viele farbenfrohe indische Tempel stechen ins Auge, eine größere Community hat sich angesiedelt. Unser peristaltisches Glück strapazieren wir heute mit bröckeligem Früchtejoghurt und viel zu scharfem Essen am Ufer des Thanlwin, wo wir auch winzige Vögel im Ganzen und unbekannte, stachelige Meereskreaturen verzehren könnten. Spezielle Zutatenverbote der Gefährtin sind dem Personal noch nicht näherzubringen, für die Zukunft übersetzen wir daheim noch die wichtigsten Schlagwörter und fotografieren sie ab für die dreiundneunzig Prozent der des Lesens Mächtigen.

Freitag, 27. Dezember 2019

27.12., Kin Pun, Mawlamyine 

Nach ein paar Scheiben Zwieback und chinesischem Tee, der irgendwie nach Suppe schmeckt, klettern wir gemeinsam mit rund sechzig Einheimischen auf die Ladefläche eines der vielen Trucks, die uns nach oben zum heiligen Felsen bringen. Das ganze Szenario erinnert an eine gigantische Viehverladung. In einer großen offenen Halle klettern wir auf Rampen und werden von dort raumfüllend eingeschlichtet. Im Nachhinein macht das durchaus Sinn, die Trucks rasen vorallem am Weg zurück
mit Vollgas durch die steilen Serpentinen, den ersten Gang voll auf Anschlag.
Oben am Berg angekommen wieder raus aus den Latschen, was etwas ekelhaft ist, weil die Leute ihren Dreck und ihre oralen Säfte nicht immer bei sich behalten können, und dem Felsen entgegen. Der ganze Zirkus ist eigentlich in keinster Weise gerechtfertigt. Der Golden Rock war ursprünglich nur ein ganz banaler Felsen, der in seiner exponierten Lage am Hang mit verhältnismäßig wenig Auflagefläche recht fragil wirkte, was irgendjemanden dazu veranlasste, auf ihm eine kleine Stupa zu
errichten. Daraufhin kleisterten ihn Gläubige mit Goldfolie zu und jetzt wird hier ein Riesentamtam um ihn gemacht. Wenn es nach hiesigen Kriterien ginge, wäre das Waldviertel mit seinen Findlingen und Wackelsteinen das spirituelle Zentrum der Welt.
Träger schleppen gebrechliche oder fette Menschen auf Bambussänften die letzte Etappe hoch, Kinder und Gepäck werden gegen Bezahlung in geflochtene Körbe verfrachtet und
hoch getragen. Erstere weinen dann, weil sie nicht im Korb sitzen möchten, und werden von ihren Eltern getröstet, die den Trägern hinterher dackeln.
Sinnlose Sicherheitsschleusen, ein verfliester großer Platz. Ena hat nur sehr beschränkten Zugang zum Felsen, weil sie weiblich und somit unrein ist, was ich so nicht bestätigen könnte. Sie duscht regelmäßig und putzt sich auch brav die kleinen Mäusezähnchen, weswegen sie mit, nennen wir es
fundamentalem Unverständnis, auf die Restriktionen reagiert. Während ich direkt am anbetungswürdigen Stein die Leute beim Anpicken der Folie und Beten beobachte, bedenkt sie außerhalb der Sperrzone das Wachpersonal mit ihrem bösen Blick und hält meine Schuhe.
Die Fahrt zurück ist schrecklich. Wegen der Dieseldämpfe der vor uns fahrenden LKW´s und den vielen engen Kurven speiben sich rund um uns die Leute an und es ist unglaublich eng. Zurück in Kin Pun taumeln wir zum KFC, der sich hier wie ein funkelndes Raumschiff inmitten von Holzhütten und kleinen Betonhäuschen eingenistet hat, und genießen die Klimaanlage. Viel Zeit bleibt nicht, bis wir uns schon wieder gemeinsam mit Obst-Ladies, Bauern und einheimischen Touristen in einen Pickup quetschen, um an der Hauptstraße den Bus nach Mawlamyine zu erreichen. Der kommt eine Stunde zu spät, noch Zeit genug, sich mit einem Asia-Ami zu unterhalten, der hier vier Jahre als Diplomat tätig war und jetzt um die Häuser zieht. Die längste Brücke Myanmars mit dreieinhalb Kilometern Länge bringt uns in die nächste Stadt. Die Rikschafahrer verstehen kein Englisch mehr und können auch nix mit unserer Schrift anfangen, in der wir die Adresse der angepeilten Unterkünfte parat hätten, und so dauert es ein Weilchen, bis wir endlich in einem Chinesenhotel unterkommen. Gefüllte Teigfladen unter einem riesigen Werbebildschirm am Ufer des verdreckten Flusses mit Bier im Vorteilsgebinde.
26.12., von Yangon zum Golden Rock

Ahornsirup-Suppe mit Nudeln zum Frühstück, Wahnsinn. Dann verlassen wir die Stadt. Gar nicht so einfach, wo doch auch heute noch wahrscheinlich aufgrund meines Namenstages Feiertag ist und Gerüchten zufolge das halbe Land unterwegs ist. Der Taxler, der uns zum Busbahnhof bringt, schlatzt, wie die meisten anderen auch, seinen überflüssigen roten Betelsaft in eine Plastikflasche, deren Inhalt am Armaturenbrett hin und her schwappt. Als er uns gleich nach der Einfahrt zum großen Terminal raus lässt, werden wir schon von irgendwelchen Strolchen abgefangen, die uns unseren Ticketvoucher abnehmen und uns vierzig Minuten vor der Zeit in irgendeinen gerade abfahrenden Schrotthaufen stecken. Wie so oft sind
wir Spielball unbegreiflicher Abläufe. Englisch wird von den meisten in seiner Aussprache sehr frei interpretiert und alles Geschriebene kommt mit sehr vielen Kreisen, Klammern und Schleifen daher und sieht in etwa so aus: oco]0c0[§:gg°°pp00o]ogcg: So fehlt mir selbst als se best traveler of se world mitunter der letzte Wahrheitsbeweis und wir fügen uns notgedrungen den Umständen.
Nicht, daß der Tacho funktionieren würde, aber mit geschätzten vierzig km/h holpern wir gute zweihundert Kilometer bis nach Kin Pun, von wo aus wir morgen den Golden Rock besichtigen werden. Generell wird sich für uns zwei nur die Exploration des südlichen Ausläufers des Landes ausgehen, mehr ist in den knappen zehn Tagen, die Ena hier noch bleiben, nicht zu schaffen.
Ganz gemütlich ist´s im Bus. Vollgedudelt von burmesischer Popmusik und inmitten von sehr bunt und unabhängig vom Geschlecht in Röcken gekleideten Menschen schauen wir uns die Landschaft an, die gemächlich an uns vorbei zieht. Weite, flache Ebenen mit vereinzelten Bäumen, Melonen.- und Reisfelder. Zwischen den staubigen und ärmlichen Ortschaften ein paar Verschläge und Hütten, alles relativ zugemüllt. Bei Einbruch der Finsternis erreichen wir das Kaff, das als Sprungbrett für die Ausflüge zum heiligen Felsen fungiert, und quartieren uns in einem überteuerten und schäbigen Zimmer ein, bevor wir die Gegend erkunden.
Hunderte Unterstände mit Ramsch, reichlich Fressbuden mit allerlei gefüllten Töpfen, ein Obst.- und Gemüsemarkt. Wer soll das alles essen? Wir jedenfalls halten uns an Reis als Basis, dazu werden uns Schüsselchen mit teilweise unbekanntem Inhalt hingestellt. Die Alte, die uns bedient, hat sich ihre den Burmesen eigene gelbliche Pflegepaste Thanakha dick und flächendeckend ins Gesicht geschmiert und hinterlässt einen clownesken, leicht gruseligen Eindruck.
Noch die üblichen Insiderinformationen mit einem Ami und einem Franzosen getauscht, o0oc:[c]uco0. Das heißt auf burmesisch Gute Nacht.

Mittwoch, 25. Dezember 2019

25.12., Yangon, formerly known as Rangoon

Auch zum Frühstück werden Reis, Nudeln, Gemüse, Ei und Fisch gereicht, für Ena gibt´s noch zu süße Toastscheiben mit Margarine und Marmelade. Das Hotel ist überhaupt der Hammer mit unerwarteten Annehmlichkeiten wie einer wohlsortierten Minibar, Warmwasser und Klimaanlage. Nur der Staat darf Touristen beherbergen und der zeigt sich diesbezüglich von seiner besten Seite.
Wir wandern unseren Hausberg im Norden Yangons hinab bis zur Shwedagan Pagode, einem 700-1000 Jahre alten Bauwerk und einer der drei wichtigsten Sehenswürdigkeiten Burmas.
Schon vor den vier überdachten, gewaltigen Aufgängen zur weitläufigen, fünf Hektar großen Plattform mit goldenen, teilweise hundert Meter hohen Stupas tummeln sich hunderte Standler und fliegende Händler mit Waren aller Art, Obst, Spielzeug, Souvenirs, Essen, Zuckerrohrsaft uvm. Ein Mönch schnorrt mich um Kohle an, "Money, Money!" Auf meinen ablehnenden Bescheid reagiert er baff erstaunt. "No? Why no money???" Die nächsten Stunden verbringen wir barfuß und
Ena züchtig bedeckt mit einem Leih-Longy inmitten Tausender Besucher. Großfamilien folgen im Gänsemarsch absurd aufgebrezelten und mit Sonnenschirmchen beschatteten Knaben, die als Novizen für ein paar Tage oder Wochen ins Kloster eintreten werden. Bananen werden geopfert und Erinnerungsfotos geschossen.
Mönche und Zivilisten psalmieren aus kleinen Büchern vor Statuen, Pärchen bitten die dafür zuständigen Gottheiten um männlichen Nachwuchs, andere möchten ihre Krankheiten loswerden. In einer Ecke ein prachtvoller Bodhibaum, der dem Samen des Baumes entsprungen sein soll, unter dem Siddhartha nach sechs Jahren Meditation die Erleuchtung fand und zum Buddha wurde, ein nachgemachter, viel zu großer Zahn des Allerheiligsten ruht in einer pompösen Vitrine. Inmitten der
Anlage thront die Hauptstupa, eine gigantische Steinbeule mit aufgesetztem Zylinder, auf dem wiederum ein Schirm mit einer Windfahne steckt. Gespendete goldene Ringe, Armreifen, Geschmeide, Perlen und Edelsteine von unschätzbarem Wert hängen dort oben, die Stupa selbst ist mit sechzig Tonnen Gold verkleidet. Viele Goldspenden werden eingeschmolzen und als Goldplättchen an Pilger verkauft, die damit Figuren und Säulen bekleben. Unzählige Buddhafiguren, irgendwo ein versteckter Schrein mit einem Buddha-Haar, Überwachungskameras, noch mehr Reliquien diverser Reinkarnationen.
Einen Guide haben wir in weiser Voraussicht gleich zu Beginn der Besichtigung angeheuert, der deckt uns ein mit Zahlen und Geschichten. Obwohl er einst Englischlehrer war und recht gebildet wirkt, glaubt er doch an Alchimisten, die Gold herstellen können, an Mönche, die durch Meditation übernatürliche Kräfte und biblische Lebensalter erlangt haben, an Horoskope und an Krafttiere.
Goldene Glocken läuten im Wind und erinnern die Gläubigen daran, gute Taten zu tun. Auch wir gießen beseelt unser astrologisches Krafttier symbolisch aus Metallbechern, Enas Meerschweinchen stinkt dabei etwas gegen meinen Löwen ab. Dann schlagen wir mit Holzpflöcken gegen große Glocken, um unser soeben erhaltenes Glück mit allen anderen zu teilen, den Lebenden und den Toten. So viel Symbolik, so viele Mythen und Legenden. Mosaike aus Jade und Elfenbein, aufwendige und filigrane Holzschnitzereien. Und heiss isses.
Später, in der Down Town der Fünfmillionenstadt, beeindrucken Straßen mit monumental hässlichen, teilweise verfallenen Häusern. Der Verkehr ist nahe am Kollaps, Ampeln werden von allen Teilnehmern ignoriert. Verschimmelte Fußgängerbrücken über verstopften Kreuzungen sollen die Situation verbessern, werden aber kaum genutzt. Jeder, der Geld besitzt, hält es in Händen, die Banknoten werden dabei scheinbar immer wieder meditativ durchgezählt. Zerbeulte Notstromagregate vor vielen
Shops, koloniale Regierungsgebäude der Briten und Straßen im Schachbrettmuster, angelegt in der Zeit vor 1948, bevor Myanmar unabhängig wurde.
Der Yangon River fließt hinter Mauern und Stacheldraht, und in seinem Hinterland, rund um die 19th Street, liegt Chinatown, wo die Wirten wie gewohnt die abstrusesten Gerichte anpreisen. Schon in Bangkok hingen die Haifischflossen in den Läden.
Ein gesamter Straßenzug wird zum Markt mit allem Erdenklichem umfunktioniert. Die Pfade durch die Körbe, Töpfe und Säcke der Verkäufer sind dabei so eng, daß man aufpassen muß, nichts umzuschmeissen. Feilgeboten werden Rattenfallen, mit Betelnüssen gefüllte und penibel zurechtgestutzte Blätter, Hühnerkrallen, aalartige Fische, gegrillte Zikaden, ungekühltes Fleisch und schon eingetrocknetes Sushi. Wir essen scharfes Zeug in knusprig dünnem Palatschinkenteig,
trinken Zuckerrohr.- Limetten,- und Wassermelonensaft, teilweise aus Plastiksackerln. Dann entdeckt uns ein erledigter Westler im Yogi-Outfit, schwafelt uns voll mit spirituellem Mumpitz, er ist auf Ausgang von seinem Kloster, in dem er seit einigen Jahren zu wohnen scheint. Getschechert hat er auf alle Fälle und drauf ist er vielleicht auch auf irgendetwas oder blöd geboren, jedenfalls bedarf es einer gewissen Unhöflichkeit, ihn wieder loszuwerden. Am Hauptplatz rund um eine weitere gigantische Pagode, der Sule Paya, feiern Heerscharen noch immer Weihnachten. Es wird von Bühnen gesungen, gepicknickt, gedrängt. Religiöse Bauwerke aller anderen wichtigen Religionen stehen in stiller Eintracht rundum.
Wir hüpfen irgendwann ins Taxi. Die nächsten Tage wollen geplant, Transport und Unterkunft muß organisiert werden. Daheim genießen wir die Stille und das Wummern der Klimaanlage, Ena dreht sich um und wird wohl bis morgen durchrüsseln.

Dienstag, 24. Dezember 2019

24.12., Bangkok, Yangon

In Australien brennt´s, deswegen verkürzt der Travelex seinen Urlaub kurzerhand um drei Monate und fliegt heim. Somit kann auch ich mir meine schon gebuchten Tickets dorthin auf den Bauch picken, für mich alleine ist dieses Land nicht leistbar und auch nicht spannend genug . Das ist nicht nett. Mit dem Boot fahren wir den Chao Phraya-Fluß entlang und hüpfen dort noch bis nach Siam in den Sky Train, eine U-Bahn, deren Trasse in luftigen Höhen verläuft. Ein spezieller Plan steckt nicht hinter
dem Ausflug, einfach herumeiern und schauen. Dann setzen sich die Gefährtin und ich ab nach Yangon in Myanmar. Bus, Flieger, Taxi, zwei fette Geldbündel gegen vier Scheinchen tauschen. Schnell im Hotel einchecken und kurz vor Mitternacht noch ab nach Chinatown zum Weihnachts-Halligalli. Jaulende Musikanten performen auf einer nicht wirklich für den Verkehr gesperrten Hauptstraße, das dankbare Publikum läuft Gefahr, bei einem falschen Schritt überfahren zu werden. Das Festessen nehmen wir auf winzigen Kindersesseln einer moskitoverseuchten Garküche ein. Fisch, Reis, Bohnen und Wasserspinat, dazu Tee und Wasser schlagen sich mit knapp zwei Juros zu Buche, aber heute ward immerhin das Gottessöhnchen geboren und wir lassen es krachen.

23.12., Bangkok

Am Nachmittag schlagen wir erledigt in Bangkok auf. Alle Pissoirs auf Kinderhöhe montiert, die quakenden Stimmen der Einheimischen, überlebensgroße Fotos vom neuen Monarchen. Im Keller wechseln wir Teile unserer beachtlichen Bargeldbestände zum Vorteilskurs, außerhalb des Terminals dann die Klima-Watsche bei dreißig Seidln im Schatten und hundert Prozent Luftfeuchtigkeit. Travelex wartet schon in der Lobby unserer Bude in der berühmten Khao San Road, der hat
bereits ein paar Wochen in Thailand heruntergebogen. Draußen auf der Straße dreht sich ein Krokodil am Grill, Bullen absolvieren gemeinsam mit Reinigungspersonal einen Fototermin mit beschrifteten Säcken, die den Mob zur Mülltrennung ermuntern sollen. Massenmassage allerorts, schon das Personal nur zum Ankeilen der Laufkundschaft ist vor manchem Etablissement zweistellig. Gar nicht mehr so einfach, einen "Bucket" zu finden, die Verkäufer der kleinen Kübel mit Billig-Alk sind genauso wie die mobilen Garküchen größtenteils aus dem Straßenbild verschwunden. Auch der Verschlag, der einst mit übertragenen Gütern von anderen Reisenden gehandelt hat, musste einem Souvenirshop weichen. Na ja, alles hat seine Zeit. Dafür wird´s irgendwo anders spannender sein als vorher.
22.12., von Wien nach Bangkok

Endlich wieder auf der Piste, Zeit wird´s. Auch die Süsse konnte sich zumindest für die ersten zwei Wochen der diesjährigen Mission frei machen, immerhin.
Nix wird´s mit Filme schauen bis zum Abwinken während des ersten Fluges nach Amman, im Flugzeug der Royal Air Jordania gibt es absolut kein Onboard-Entertainment. Auch die Verpflegung lädt nicht gerade zum Jubel ein. König Hussein empfiehlt sich den Fluggästen mit einem Käsebrot und einer Handvoll Linsen.
Fünf Stunden absitzen in Amman bis zum Anschlussflug nach Bangkok. Neben Menschen in gängigem Wüstenoutfit überrascht eine Fraktion gewandet in dicke weiße Badetücher und Schlapfen, wie frisch der Sauna entstiegen. Über einen Wellnessbereich verfügt der Flughafen aber sicher nicht, es dürfte sich wohl um
 Vertreter eines bestimmten Stammes oder Sektierer handeln.