Mittwoch, 25. Dezember 2019

25.12., Yangon, formerly known as Rangoon

Auch zum Frühstück werden Reis, Nudeln, Gemüse, Ei und Fisch gereicht, für Ena gibt´s noch zu süße Toastscheiben mit Margarine und Marmelade. Das Hotel ist überhaupt der Hammer mit unerwarteten Annehmlichkeiten wie einer wohlsortierten Minibar, Warmwasser und Klimaanlage. Nur der Staat darf Touristen beherbergen und der zeigt sich diesbezüglich von seiner besten Seite.
Wir wandern unseren Hausberg im Norden Yangons hinab bis zur Shwedagan Pagode, einem 700-1000 Jahre alten Bauwerk und einer der drei wichtigsten Sehenswürdigkeiten Burmas.
Schon vor den vier überdachten, gewaltigen Aufgängen zur weitläufigen, fünf Hektar großen Plattform mit goldenen, teilweise hundert Meter hohen Stupas tummeln sich hunderte Standler und fliegende Händler mit Waren aller Art, Obst, Spielzeug, Souvenirs, Essen, Zuckerrohrsaft uvm. Ein Mönch schnorrt mich um Kohle an, "Money, Money!" Auf meinen ablehnenden Bescheid reagiert er baff erstaunt. "No? Why no money???" Die nächsten Stunden verbringen wir barfuß und
Ena züchtig bedeckt mit einem Leih-Longy inmitten Tausender Besucher. Großfamilien folgen im Gänsemarsch absurd aufgebrezelten und mit Sonnenschirmchen beschatteten Knaben, die als Novizen für ein paar Tage oder Wochen ins Kloster eintreten werden. Bananen werden geopfert und Erinnerungsfotos geschossen.
Mönche und Zivilisten psalmieren aus kleinen Büchern vor Statuen, Pärchen bitten die dafür zuständigen Gottheiten um männlichen Nachwuchs, andere möchten ihre Krankheiten loswerden. In einer Ecke ein prachtvoller Bodhibaum, der dem Samen des Baumes entsprungen sein soll, unter dem Siddhartha nach sechs Jahren Meditation die Erleuchtung fand und zum Buddha wurde, ein nachgemachter, viel zu großer Zahn des Allerheiligsten ruht in einer pompösen Vitrine. Inmitten der
Anlage thront die Hauptstupa, eine gigantische Steinbeule mit aufgesetztem Zylinder, auf dem wiederum ein Schirm mit einer Windfahne steckt. Gespendete goldene Ringe, Armreifen, Geschmeide, Perlen und Edelsteine von unschätzbarem Wert hängen dort oben, die Stupa selbst ist mit sechzig Tonnen Gold verkleidet. Viele Goldspenden werden eingeschmolzen und als Goldplättchen an Pilger verkauft, die damit Figuren und Säulen bekleben. Unzählige Buddhafiguren, irgendwo ein versteckter Schrein mit einem Buddha-Haar, Überwachungskameras, noch mehr Reliquien diverser Reinkarnationen.
Einen Guide haben wir in weiser Voraussicht gleich zu Beginn der Besichtigung angeheuert, der deckt uns ein mit Zahlen und Geschichten. Obwohl er einst Englischlehrer war und recht gebildet wirkt, glaubt er doch an Alchimisten, die Gold herstellen können, an Mönche, die durch Meditation übernatürliche Kräfte und biblische Lebensalter erlangt haben, an Horoskope und an Krafttiere.
Goldene Glocken läuten im Wind und erinnern die Gläubigen daran, gute Taten zu tun. Auch wir gießen beseelt unser astrologisches Krafttier symbolisch aus Metallbechern, Enas Meerschweinchen stinkt dabei etwas gegen meinen Löwen ab. Dann schlagen wir mit Holzpflöcken gegen große Glocken, um unser soeben erhaltenes Glück mit allen anderen zu teilen, den Lebenden und den Toten. So viel Symbolik, so viele Mythen und Legenden. Mosaike aus Jade und Elfenbein, aufwendige und filigrane Holzschnitzereien. Und heiss isses.
Später, in der Down Town der Fünfmillionenstadt, beeindrucken Straßen mit monumental hässlichen, teilweise verfallenen Häusern. Der Verkehr ist nahe am Kollaps, Ampeln werden von allen Teilnehmern ignoriert. Verschimmelte Fußgängerbrücken über verstopften Kreuzungen sollen die Situation verbessern, werden aber kaum genutzt. Jeder, der Geld besitzt, hält es in Händen, die Banknoten werden dabei scheinbar immer wieder meditativ durchgezählt. Zerbeulte Notstromagregate vor vielen
Shops, koloniale Regierungsgebäude der Briten und Straßen im Schachbrettmuster, angelegt in der Zeit vor 1948, bevor Myanmar unabhängig wurde.
Der Yangon River fließt hinter Mauern und Stacheldraht, und in seinem Hinterland, rund um die 19th Street, liegt Chinatown, wo die Wirten wie gewohnt die abstrusesten Gerichte anpreisen. Schon in Bangkok hingen die Haifischflossen in den Läden.
Ein gesamter Straßenzug wird zum Markt mit allem Erdenklichem umfunktioniert. Die Pfade durch die Körbe, Töpfe und Säcke der Verkäufer sind dabei so eng, daß man aufpassen muß, nichts umzuschmeissen. Feilgeboten werden Rattenfallen, mit Betelnüssen gefüllte und penibel zurechtgestutzte Blätter, Hühnerkrallen, aalartige Fische, gegrillte Zikaden, ungekühltes Fleisch und schon eingetrocknetes Sushi. Wir essen scharfes Zeug in knusprig dünnem Palatschinkenteig,
trinken Zuckerrohr.- Limetten,- und Wassermelonensaft, teilweise aus Plastiksackerln. Dann entdeckt uns ein erledigter Westler im Yogi-Outfit, schwafelt uns voll mit spirituellem Mumpitz, er ist auf Ausgang von seinem Kloster, in dem er seit einigen Jahren zu wohnen scheint. Getschechert hat er auf alle Fälle und drauf ist er vielleicht auch auf irgendetwas oder blöd geboren, jedenfalls bedarf es einer gewissen Unhöflichkeit, ihn wieder loszuwerden. Am Hauptplatz rund um eine weitere gigantische Pagode, der Sule Paya, feiern Heerscharen noch immer Weihnachten. Es wird von Bühnen gesungen, gepicknickt, gedrängt. Religiöse Bauwerke aller anderen wichtigen Religionen stehen in stiller Eintracht rundum.
Wir hüpfen irgendwann ins Taxi. Die nächsten Tage wollen geplant, Transport und Unterkunft muß organisiert werden. Daheim genießen wir die Stille und das Wummern der Klimaanlage, Ena dreht sich um und wird wohl bis morgen durchrüsseln.

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