Samstag, 29. Februar 2020

28.2., Koh Lanta
Bei mir ist noch kein Insulaner wach, als ich zu zu früher Stunde aus der Hütte taumle, Frühstück muß ich mir irgendwo an der Straße besorgen. Was treibt mich? Der obligatorische Schnorchelausflug. Ein Pickup sammelt mich und dann andere ein, karrt uns quer durch die Insel zum Pier, wo Longtailboote mit jeweils rund fünfunddreißig Individualisten beladen werden, die sich alle nach einer einstündigen, lärmenden Fahrt bei einem Felsen treffen werden. Es gäbe viele Felsen und sogar kleine Inseln, hunderte, aber alle Boote machen an diesem einen fest. Zu sehen gibt es hier sehr viele andere Schnorchler und sonst nicht viel mehr. Durch dichtestes Schwebstofftreiben im Wasser ergibt sich eine Sichtweite von rund zwei Metern. Sehr warm ist es auch, es gab an Bord keine Toiletten. Am beeindruckensten sind da noch die drei faustgroßen Quallen, alle einer anderen Art zugehörig, die unvermutet vor meinem Gesicht auftauchen und mich veranlassen, zügig zurück ins Boot zu klettern.
Der zweite Felsen des Tages verfügt zumindest in ein paar Metern Tiefe über ein paar Korallenblöcke, von der Oberfläche aus als dunkle Schemen zu erkennen und beherzt abtauchend durchaus ereichbar und gefällig. Den Tag rettet aber der dritte Halt. Durch einen achtzig Meter langen, jetzt wegen Ebbe nur halb gefluteten Tunnel gelangt man vom offenen Meer zu einer versteckten, von Steilwänden eingefassten Lagune. Alle müssen während der Querung Schwimmwesten tragen und ein paar Thais leuchten den gewundenen Tunnel mit Stirnlampen etwas aus. Einer großen Gruppe Chinesen, die uns entgegenkommt, Brust an Rücken und Hände auf des Vorderen Schulter, weicht jeder, soweit möglich, großräumig aus, nachher spricht man aufgeregt über Corona. Der Mensch ist zwar tendentiell gutmütig, aber gleichzeitig auch ein Trottel, davon muß man leider ausgehen. 
Im Tunnel leuchtet das Wasser grün, es gluckst und hallt, der schmale Ein- und Ausgang ist wie ein Riss, der in eine andere Welt führt. Die Lagune ist märchenhaft schön. Von den Steilwänden rieseln Blätter von Bäumen ins Wasser, die irgendwie im blanken Fels wachsen konnten. Dazu ein sichelförmiger, kleiner Sandstrand. Dass hier alle Boote herkommen, liegt auf der Hand.
Pause auf einer kleinen Insel. Aus drei Töpfen bedienen wir uns und essen gut zu Mittag, am Boot werden noch Früchte gereicht.
Im Pickup, der uns wieder daheim abliefert, erzählt eine Engländerin, sie hätte als Erntehelferin auf einer australischen Bananenplantage für dreiundzwanzig Dollar die Stunde gearbeitet. Eine dicke Finnin dagegen ist seit August wegen Burnout freigestellt. Sie hätte plötzlich ihr Gedächtnis verloren, wußte nicht mehr, wie man Auto fährt. Der zu ziehende Schluß daraus ist der Leserin, des Lesers Hausaufgabe bis morgen. Er möge ohne zu spucken in einen Luftballon gesprochen und anschließend gut verwahrt werden.

Freitag, 28. Februar 2020

27.2., Koh Lanta

Zufällig hab ich ihn gefunden, den Friedhof bei mir ums Eck. Kleine, teilweise geschnitzte Pflöcke im Sand, vielleicht fünfzig, dazwischen wachsen junge Mangrovenbäume. Keine Parzellen, keine Wege, keine Namen. Vor der rohen Mauer, die ihn vom Strand trennt, liegen Reusen gestapelt und Männer reparieren ein Holzboot.
Austrian Horse with no Name zickt heute ganz schön herum. Zuerst versteckt es sich vor dem Supermarkt so geschickt, daß ich kurzfristig irrtümlich ein fremdes Zweirad entwende und es schon zum nächsten Mechaniker schieben will, weil der Zündschlüssel nicht und nicht sperren will, eine Stunde später hat es einen Patschen hinten. Bei der keine hundert Meter entfernten Werkstatt wird nicht lange gefackelt. Neuen Schlauch rein, sechs Euro, danke und auf Wiedersehen. Dauert keine zehn Minuten. So schnell geht bei uns nicht einmal das Ausfüllen des Reparaturauftrages.
Einen Engländer führe ich hoch zur Fähre und starte gleich eine umfangreiche Nordexpedition, wo ich schon einmal da bin. Wie Tag und Nacht im Vergleich zum touristischen Showdown, der sich jenseits der Brücke abspielt. Ein völlig abgeschiedenes Mokendorf mit windschiefen Hütten auf Stelzen, gelegentlich ultramuslimische Siedlungen, Straßen, die im Nirgendwo enden.
Ein Laden, wo ich eine Suppe bestelle. Kitchen? Kitchen? Was könnte die Lady damit meinen? Irgendwann greift sie in ein ungekühltes Fach und zaubert die Brocken eines prähistorischen Gummiadlers hervor. Chicken hat sie gemeint, ob ich Hendl in die Brühe will. Vor der Bude Vögel in kleinen Häuschen, die in ihrem Leben keinen einzigen Flügelschlag machen werden. Hüpfen nur verzweifelt oder im Laufe ihrer Einzelhaft wahnsinnig geworden im Kreis herum.
Im Nordwesten Koh Lantas ist niemand. Ein schöner, etwa einen Kilometer langer Sandstrand mit erstaunlich wenig Müll, keine Seele weit und breit.
Zurück in der Zivilisation entdecke ich den Donnerstagsmarkt, wieder durch Zufall. Frisch vom Grill erstehe ich einen Fisch und weil die Verkäuferin nur auf Take away im Papier eingestellt ist, esse ich ihn auf einer blauen Kühlbox sitzend, umgeben von rohem Fisch und reichlich Fliegen. Beilagen oder Besteck gibts nicht, nur Chiliessig in einem kleinen Sackerl. Noch ein gezuckerter Fettkringel und die unvermeidbare Kokosnuss und dann heim, Pratzen waschen.
Keine Experimente bei der Abendgestaltung, gleiches Programm wie gestern. Sonnenuntergang im Liegestuhl, Lagerfeuer, Wodka.
26.2., Koh Lanta

Nur ein Hundertkilometer-Hupfer zur nächsten Destination, es gibt bis dorthin auch überhaupt nix Interessantes zu sehen. Die paar Kleinstädte am Weg sind völlig nichtssagend und gleichen sich in ihrer Fadesse. Die thailändische Architektur begnügt sich scheinbar mit einer einzigen Vorgabe, daß nämlich die errichteten Gebäude möglichst nicht oder nicht sofort einstürzen. Es handelt sich dabei meistens um zweistöckige, schmale, von der Hauptstraße schlauchartig nach hinten verlaufende, rechteckige Gebäude mit integriertem Balkon oben und einem Flachdach. Die schmucklose Fassade ist dabei oft bunt oder noch häufiger verschimmelt, unten wird gerne ein Rolltor oder ein Gitter montiert.
Mit einer Fähre setze ich um achtzig Cent auf Koh Lanta über. Die ist nicht viel mehr als ein vierspuriges Plateau mit zwei Rampen vorne und hinten und einem ordentlich rauchenden Motor. Mehr als zwanzig Autos passen da nicht drauf und obwohl vier Fähren pausenlos den einen Kilometer hin und zurück schippern, staut es sich ganz schön. Mit der Mopette kann ich mich freilich ganz formidabel vorschummeln und warte keine fünf Minuten auf meine Abfertigung.
Das nördliche Drittel der Insel ist dann noch durch eine Brücke mit dem, was man als Tourist so unter Koh Lanta versteht, verbunden. Hier spielt sich´s mörder ab, bist du! Die ersten zehn Kilometer die Küste entlang nach Süden eine endlose Wurst aus Reiseagenturen, Restaurants, Mopedverleihern, Massagestudios, Fetzenstandln etc., dann kommen nur mehr vereinzelte Luxusresorts und die südliche Spitze ist ein Nationalpark mit Eintritt und Leuchtturm ganz am Ende.
Ein TukTuk-Fahrer gibt mir freundlicherweise den entscheidenden Tip, ein Glücksfall. Ein paar hundert Meter abseits der Hauptstraße, schlecht ausgeschildert und fast schon abgeschieden, gibt´s einen kleinen Strandwirten mit einfachen Unterkünften. Dort beziehe ich eine kleine Hütte zwischen dem Meer und einem brackigen Backwater-Kanal. Vor dem schönen Sandstrand erstreckt sich eine flache Felsenlandschaft, die ein Schwimmen unmöglich macht. Vielleicht ist deswegen fast niemand hier. Bei mir hinten sind Longtailboote geparkt, Echsen und Vögel und ich haben es schön. Krit, Betreiber der Friendly Bar, wird umgehend mein neuer Geschäftsfreund. Sonnenuntergang im Liegestuhl, am Abend legen die Fischer an. Jeder Mann trägt einen einzigen großen Fisch und ein Sackerl mit kleineren Fischen weg, vielleicht sind das auch nur Helfer und die Auszahlung erfolgt teilweise oder ganz in Naturalien. Dann wird ein Lagerfeuer angezündet und ich bestelle mir noch einen Wodka mit Soda, hier werde ich ein Weilchen beiben.

Mittwoch, 26. Februar 2020

25.2., Krabi

Reis, fischigen Spinat und ein Omlett beim superfreundlichen Halal-Wirten gleich zum Frühstück. Was auch immer im Spinat war, um den religiösen Auflagen zu genügen, muß es einst auf alle Fälle Schuppen gehabt haben, habe ich zufällig mitbekommen. Aal, Hummer, Krebse, Austern, Muscheln oder Tintenfisch ißt der ambitionierte Moslem somit nicht, strange world.
Mit einem Longtailboot setze ich über zum berühmten Railay Beach, der nur auf diesem Weg erreichbar ist und wo es außer den Kletterern, die in den Steilwänden über dem Meer hängen, noch so manch anderes zu entdecken gibt. Zwei Höhlen voll mit hunderten geopferten Pimmeln aller Art und Größe etwa, dem Geist einer mystischen Prinzessin dargebracht von örtlichen Fischern für einen guten Fang und die sichere Heimkehr. Oder eine versteckte Lagune, zu erreichen nur über einen extrem steilen und schweißtreibenden Steilhang zuerst hoch und dann wieder runter. Die letzten zehn Meter gehen tatsächlich senkrecht hinab zum Wasser. Die lasse ich lieber aus, beschlapft und höhenängstlich wie ich bin.
Küchenboote bieten am Hauptstrand Thaigerichte an, es spielt sich ab. Und was für eine Affenhitze! Apropos. Im Dschungel, am Weg zum benachbarten Tonsai Beach, rund um verfallene Hütten und überwucherte Klomuscheln schreien Affen mit schwarzen Ringen um die Augen und Makaken gammeln wie üblich unsymphatisch bei den Fressständen herum.
Unter einem gewaltigen Felsvorsprung liege ich im Sand, trinke im Schatten Cider und schaue den Profis beim Überhang-Klettern zu. Irgendwann kommt die Ebbe und das Wasser zieht sich einige hundert Meter zurück. Ein paar Einheimische gehen Muscheln sammeln und ich fahre wieder zurück. Die Sonne steht schon tief und es gibt keinen Schatten mehr.
 

Dienstag, 25. Februar 2020

23., 24.2., Koh Phayam, Krabi

Gestern noch ein klassischer Inseltag, heute fahre ich schon früh zurück aufs Festland. Cha wird das Boot nach mir nehmen. Den hat für einen gelungenen Start in den Tag ein Köter heftig in den kleinen Zeh gebissen, als er mit dem Roller in Schlapfen unterwegs ins Dorf war, auf Koh Phayam gibt´s gerade keine Impfstoffe. Bei mir wird´s unterdessen Elf, bis ich endlich mit dem für neun Tage ausgeliehenen Moped weg komme, dreihundertzwanzig Kilometer bis nach Krabi müssen gefressen werden. Die Mopette ist das gleiche Modell wie The Yellow Danger 2020, allerdings in Rotweiß gehalten. Ich werde sie Austrian Horse with no Name nennen.
Ein Vogel fällt ein paar Meter vor mir tot vom Himmel, ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Schon nach kurzer Zeit stehen regelmäßig Moscheen entlang der Straße und die Leute sind anders gekleidet. Viele Männer tragen kaftanähnliches Outfit und Hauben, die Frauen Vollverkleidung. Die Strecke ist erstaunlich schön, obwohl ich eigentlich die längste Zeit der Haupt-Nord-Süd-Verbindung des Landes folge. Es gibt Serpentinen, Bambuswälder und später monumentale, in der Ebene herumstehende Kalksteinfelsen, teilweise bewaldet, teilweise komplett kahl. Und irgendwann keine Tankstellen mehr, was das Unterfangen etwas mühsam macht. Austrian Horse with no Name ist kein Kostverächter und fortan gibt´s Sprit nur mehr überteuert in Whiskeyflaschen oder von versteckten Automaten, die in fremden Zungen mit mir sprechen.
Ein Weilchen muß ich einem Pickup folgen, weil der Gegenverkehr kein Überholen zulässt. Der hat große blaue Kühlboxen mit Fisch geladen, aus denen das in der Hitze schmelzende Stinkeeis sickert und sich als Sprühnebel über mich ergießt. Kurz darauf fährt ein mit Sand überladener Muldenkipper vor mir, von dem es gewaltig auf mich herabrieselt. So verwandle ich mich langsam in so etwas wie ein mobiles Fischstäbchen, während ich mich unaufhaltsam Krabi nähere.
Ein paar Stunden später checke ich am Ende einer Dorfstraße im absoluten Niemandsland ein, aber eigentlich keine zwei Kilometer von der Stadt entfernt. Allerdings am anderen Ende des Flusses ohne Brücke, zu erreichen nur über einen Umweg von zwanzig Kilometern. Heute tue ich mir den Stunt noch an, nur um eine Idee von Krabi Town zu bekommen. Grün- und Parkanlagen entlang der Küste, ein Tsunamidenkmal, ein Nachtmarkt, ganz nett.
 

Sonntag, 23. Februar 2020

22.2., Koh Phayam

Perfektes Timing, heute startet das alljährliche Cashew Nut Festival auf der Insel. Im Resort hat sich unterdessen  überhaupt nichts getan, sagenhaft. Alle Gäste sind noch da und trinken wie üblich Gin Tonic, die haben sich hier gleich für ein paar Monate einquartiert. Mit Glück fasse ich zumindest für zwei Tage einen der neuen Luxusbungalows zum Freundschaftspreis aus, länger werde ich auch nicht bleiben. Ab in die Hängematte, herrlich. Das Meer rauscht, Flugeidechsen kämpfen um ihr Revier. 
Abends begibt sich die Partie zum Festival, wo sich die gesamte Inselgemeinschaft eingefunden hat. Sicher fünfzig Fressstandln, einer verkauft Maden. Die eine, die ich koste, genügt für´s restliche Leben. Den angeblich nussigen, mandelartigen Geschmack kann ich erkennen, schmeckt aber eher so, als wäre die Nuss vorher ein Jahr lang im Kanal gelegen. Innen püreeartig, außen etwas zäh, kann man getrost auslassen. Ein kleines Karussell dreht sich, angetrieben nur durch einen Ventilator, eine lässige Konstruktion. Es dauert zwar, bis sich das Werkel nach einem Stillstand wieder zu drehen beginnt, die Kids schaukeln dann brav mit auf ihren hängenden Fahrzeugen, aber wenn's einmal läuft, dann bemerkenswert schnell.
Auf einer großen Bühne stehen ein paar verschreckte, überschminkte Kinder, irgendeine Misswahl zieht sich ewig dahin. Irgendwann übernimmt eine Thai-Band. Sonst klettern Männer eingeölte Baumstämme, an deren Ende Geldscheine winken, hoch, tanzen Ladyboys um die Wette, gibt es einen Bandwettbewerb. Heuer nichts davon. Jürgen kauft sich zehn Lose bei der Tombola und gewinnt ein paar Plastikteller, das Highlight des Abends.

Samstag, 22. Februar 2020

21.2., von Bangkok nach Ranong

Um Sieben komme ich am Nordbahnhof an, um Neun fährt der Bus nach Ranong vom Südterminal ab. Klingt entspannter, als es ist, alles dauert seine Zeit. Schon bis ich das richtige Sammeltaxi finde, englisch können nur die Gauner. Ein ausgeschnittenes rotes Plastikviereck als Fahrschein, warten, bis der Minivan endlich voll ist, dann presst der Fahrer einmal durch die Stadt. Bangkok, the big Mango, ist schon lange wach und staut sich auf mehreren Ebenen, zu ebener Erde und oben auf den zusätzlich erbauten Hochstraßen. Noch einmal zehn Stunden im Bus, zusätzlich zu den dreizehn schon abgesessenen. Reisen mit der Brechstange. Abends zu Fuß auf Quartiersuche in Ranong. Es regnet, das erste Mal seit zwei Monaten. In die abgefuckteste Hütte des Landes checke ich zielsicher ein, ein selbsternanntes Boutique-Hotel mit Wasserrohrbruch auf Dauer im Badezimmer/Häusl. Die Suppe rinnt aus der Decke über die schimmeligen Wände, die restliche Einrichtung ist vermoderter Sperrmüll. Wurst, ich bin bettschwer. Noch eine Palatschinke mit Muscheln und aus für heute.