Dienstag, 5. März 2019

3.3., San Andres

Dreißig Leute nehmen insgesamt an der Tour teil, außer uns noch drei andere ausländische Touristen. Die Partie wird gleich ordentlich eingestimmt, eine dicke Lady erklärt minutenlang das Programm des Tages. Außerdem müsse man sich unbedingt noch Wasserschuhe kaufen, man könne sich sonst verletzen. Ein Typ, wahrscheinlich ihr nicht gänzlich unbekannt, der sich mit einschlägigem Sortiment neben der Anheizerin positioniert hat, wird umgehend gestürmt. Vorher fordert die Dicke Applaus für die Familia, das sind wir Teilnehmer, den Veranstalter und schließlich für sich selbst ein, was frenetischen Jubel zur Folge hat. Alle sind ziemlich aus dem Häuschen und mein Einwand, wir Gringos würden rein gar nichts verstehen, tut nicht viel zur Sache. Nach dem ersten Halt auf einer
kleinen Trauminsel wie aus dem Bilderbuch folgen wieder minutenlange Erläuterungen, nach denen ich abermals mein No entiendo espanol einwerfe, dann lassen wir´s bleiben. Ist ja auch wurst, wo die Häusln sind und wieviel ein Cocktail kostet, wir setzen uns eh ab. Auf diesem kleinen Eiland schieben sich soo viele Menschen den Strand entlang und fahren sich gegenseitig die Selfiesticks ins Auge. Sonntag isses und das Wetter ist schön.
Wir finden zwei Palmen, wo wir unter den neidischen Blicken der Heimatlosen unsere Hängematten montieren, unsere wichtigsten Reiseaccessoires. Dort latschen Iguanas, die schönen grünen Echsen, im Minutentakt vorbei und schauen, ob etwas für sie abfällt, immer ein großer und ein kleiner. Vielleicht handelt es sich um Pärchen oder es geht ein Lehrling mit, was weiß man.
Hassan, ein dänischer Altenpfleger mit iranischen Wurzeln, gesellt sich zu uns, und erzählt von jahrelanger Nachtschicht. Nach zwei Stunden treffen wir uns wieder mit der restlichen Reisegruppe, während am Strand und auf dem Wasser an die zwanzig Boote unterschiedlicher Größe auf ihre menschliche Ladung warten. Ein apokalyptisches Szenario tut sich auf und erinnert an eine Evakuierung. Männer schreien in Megaphone und teilen Menschen ein. Es gibt keine Stege, weswegen die Boote mit dem Bug in den Sand schneiden, während sie mit den Außenbordmotoren in Position gehalten werden. Teilweise monströs ausgefressene Kolumbianerinnen müssen von armen Helfern händisch an Bord gehoben werden, die können nach ein paar Jährchen getrost Versehrtenrente beantragen. Während der Beladung kippen die Boote nicht selten auf die Seite und
kreischen die Leute, die sich bereits darauf befinden. Nächste Station: Eine längliche Sandbank. Rund um den kahlen Fleck wächst Seegras und liegen ein paar Felsen, unter denen sich erstaunlich viele Fische verstecken, darunter auch zwei von den Horden unentdeckt gebliebene Ammenhaie. Dann klettern wir wieder in unsere Gefährte und fetzen weiter. Als nächster muss ein Rochen dran glauben. Unser zuständiger Guide springt an einer seichten Stelle ins Wasser und hebt ein
riesiges Exemplar hoch. Keine Ahnung, wie er den so schnell zu fassen bekommen hat, vielleicht war der Rochen irgendwo angebunden. Zunächst greift der Schoitl das arme Viech aus, als bräuchte er dringend eine Freundin, dann lassen sich ein paar Mutige hinab ins Wasser und streicheln und küssen den geflashten Rochen, der wohl schon schwer geschädigt sein muss. Das gleiche Schicksal widerfährt später einem Seestern. Auch er wird aus seinem Element entführt, herumgereicht und
betatscht. Es folgt ein Abstecher zu einem grandiosen griechischen Geisterschiff, das vor rund dreißig Jahren am sich ein paar hundert Meter vor San Andres befindlichen Riff gestrandet ist. Der Kahn steht perfekt waagrecht und man könnte glauben, er läge nur vor Anker, währe er nicht vollständig verrostet. An Bord befindet sich auch ein Kran, der fügt sich wunderbar in das desaströse Ambiente. Den letzten Programmpunkt der ausgedehnten Tour bildet eine vor einer Mangrovenlandschaft halb versunkene Segeljacht mit der Takelage und allem noch montiert, daneben rottet ein großes Schnellboot vor sich hin. Unser Mann erzählt etwas von Narco-Trafficer, einem Drogenschmuggler. Ein paar Brocken können wir uns zusammenreimen, ansonsten sind wir vom Informationsfluss
abgeschnitten. Am Abend kehren die Süße und ich zurück und sind uns einig, dass dieser seltsame Trip das beste war, das wir mit diesem letzten Tag auf San Andres hätten anfangen können. Ein achtzigjähriger Grazer erzählt an der Uferpromenade von Hitler, der damals immerhin jedem seinen täglichen Liter Milch hat zukommen hat lassen, wenigstens versteht ihn sonst keiner.

Keine Kommentare: