27.11., Von
Gerona nach El Masnou
In Gerona
gibt´s viel zu sehen auf wenig Platz. Enge, verwinkelte Stiegengassen, aus
jedem dritten Fenster hängt die katalonische Flagge. Antike Bäder, deutsche
Garnisonslager aus dem 17. Jahrhundert, Kopfsteinpflaster, Kathedralen,
turmartige Häuser, alles umschlossen von einer Stadtmauer und geteilt durch einen
Fluß. Neben einer Kirche hoch oben am Berg tätschelt ein Typ ein Instrument,
das mehr an einen Kugelgrill erinnert, aber sphärisch klingt wie eine Harfe und
kalt isses auch schon wieder. Am frühen Nachmittag breche ich auf in Richtung
Barcelona. Jetzt folgt schon wieder eine abenteuerliche Geschichte. An alle
Zweifler: Ich schwöre. Besteige ich also mein Benzinpferd und am Standgas ist
noch alles wunderbar, der Motor schnurrt. Kaum fahre ich die ersten Meter,
fängt das Ding zu ruckeln an, so in etwa, als wäre der Sprit aus. Benzinanzeige
hab ich keine, nach meiner Einschätzung wäre das auch etwas zu früh, aber bitte. Ich
schalte den Hebel um auf Reserve, aber der Motor will und will nicht aufhören
zu stottern. Seltsam. Gestern war noch alles ganz normal und jetzt is schon
wieder was hin. Vielleicht hat mir irgendwer des Nächtens ein Kabel abgezogen
oder etwas in den Auspuff gesteckt, Trotteln gibt´s ja zuhauf. Wenn ich den
Seitenständer runter klappe, stirbt der Motor automatisch ab. Das möchte ich
nicht, deshalb suche ich mir einen Baum am Gehsteig und lehne das Moped
dagegen. Ich halte den Motor so gut es geht bei Laune, indem ich ihn mit entsprechend
Gas immer wieder hochjage, steige dabei ab und schaue blöd, ob ich irgendwas Offensichtliches
entdecken kann. Nix natürlich, und der Motor will und will nicht rund laufen.
Im Gegenteil, eine Fehlzündung jagt mittlerweile die nächste, das Viech klingt
zum fürchten. Hinten raucht´s schon ganz ordentlich und vorne seltsamerweise
auch und ich denke mir: Wenn ich das Ding jetzt abdrehe, bekomm ich´s
wahrscheinlich nie wieder an. Also immer schön brav Gas geben und nachdenken. Da sehe ich, daß der Endtopf vom Auspuff schon glüht. Ich
schalte ab, der Rauch hinten wird stärker. Nicht, nicht, nicht fang zu brennen
an, du Drecksgerät, bitte! Da züngeln schon die ersten Flammen hinter der Seitenverkleidung
raus. So, jetzt ist die Kacke am Dampfen. Helm runter, die Handschuhe weg,
Schlüssel abziehen, nach hinten laufen, dort versuche ich, die Flammen
auszublasen. Wie blöd kann man sein? Das Ergebnis fällt erwartungsgemäß aus,
das Feuer entwickelt sich prächtig. Folgende Gedanken, während mir das
Adrenalin bei den Ohrwaschln raus rinnt: Kann das Ding explodieren? Nein, kann
es wahrscheinlich nicht. Den kleinen Feuerlöscher hab
ich schlauerweise im letzten Moment doch noch daheim gelassen, es war auch so schon viel zu
viel Gepäck. Hinten im Topcase ist aber ein Rucksack mit einer Wasserflasche, da
könnte noch so cirka ein halber Liter drin sein. Schnell den passenden Schlüssel suchen,
aufsperren, Rucksack auf, Flasche raus, aufdrehen, die Hände zittern, das dauert alles ewig,
kein Schwein in der Nähe. Ich leere das bißchen Wasser über die Flammen. Zu Beginn
schaut´s gut aus, aber das Feuer erholt sich rasch. Das brennende Plastik
tropft auf den Asphalt. Ich müsste laut um Hilfe schreien, irgendwen auf meine
Lage aufmerksam machen, aber ich bin zu blöd. Ein Typ kommt über die Straße. Anstatt
ihn anzubrüllen: Aqua! Aqua!, Heeeelp!!!, frage ich höflich: “Excuse
me, have you got some water with you?” Der Typ checkt aber auch so schnell die Lage und rennt weg,
ich denke mir: Das Drecksgerät wird hier und jetzt abfackeln, ich muß zumindest
mein Zeug retten. Dort, wo´s brennt, ist das Case mit den wichtigen Sachen.
Netbook, das ganze Kleinzeugs, Medikamente etc. Also hin und am Schloss
vom Case herumfummeln und als ich den Rucksack gerade heraußen habe, kommen zwei Typen
angelaufen. Beide in der gleichen blauen Arbeitsmontur mit einem Logo auf der Brust. Der eine hat
einen Feuerlöscher dabei, sehe ich, während ich versuche, das dritte Case mit
dem Schlafsack und der Wäsche drinnen zu öffnen. Der Typ kniet nieder und
fummelt am Feuerlöscher herum, ewig, wie mir scheint, keiner sagt was, es ist eh alles klar. Mach
Oida, mach!!! Endlich steht er auf und hält den Feuerlöscher auf Anschlag, ich
lasse den letzten Rucksack, wo er ist und trete zurück, er deckt das Moped mit
einer Wolke aus hellblauem Pulver ein und das Feuer ist aus. Der Typ von vorhin
ist jetzt auch da mit einer vollen Flasche Wasser aber das Feuer ist aus, halleluja. Mein
Zeug liegt verstreut am Boden, alles ist bedeckt mit dem Pulver, das Plastik tropft
noch runter, aber es brennt nicht mehr. Ich bedanke mich bei den drei Typen, die sind
so schnell weg, wie sie gekommen sind. Ich schau immer wieder, ob es nicht doch
wieder zu brennen anfängt und dann setz ich mich mal nieder inmitten des
Szenarios. Ich kann nicht glauben, was gerade passiert ist. Das darf doch alles
nicht wahr sein. Ich rufe den Öamtc an. Erfreulicherweise war ich zumindest so
schlau, noch vor der Abreise dort Mitglied zu werden. Für lächerlichste Kohle kann
ich die Typen sogar noch in Marokko anrufen und um Pannenhilfe ersuchen. Nach
zwei, drei Stunden kommt ein Abschleppwagen, wir verladen gemeinsam das
Motorrad, bei einer BMW- Werkstatt irgendwo im Industriegebiet entlädt der
Fahrer mich und meine Habseligkeiten. Er kann kein Wort Englisch, aber gibt mir
die Hand. Es scheint, seine Arbeit endet hiermit. Ja, er schleicht sich und es beginnt zu regnen. Ich schiebe das Moped also in eine
Halle und finde schließlich jemanden, der mich versteht. Fazit: Der
Spannungsregler der Lichtmaschine hat scheinbar zu viele Ampere oder Scoville
oder wasweißichwas an die Batterie geschickt, deswegen hat der Motor so gesponnen.
Warum der Auspuff so heiß wurde, kann sich und mir niemand erklären. Eigentlich
hab ich wirklich genug. Der Öamtc weigert sich, das Moped heim zu holen, die
Transportkosten von 2500 Euro übersteigen den Zeitwert des bayrischen Mistviechs. The Henry
stellt eine Spedition auf, die das Ding für 400er heimbringen würde, allerdings
wahrscheinlich erst am Montag und dann nur, wenn es reisefertig auf einer
Palette verstaut ist. Drauf geschissen, ich fahr weiter. Den Spannungsregler
hat die Bude lagernd, den geschmolzenen Teil der Seitenverkleidung schneiden
wir ab und ploppen den Rest mit haufenweise Kabelbindern wieder drauf. Na
bitte, fast wie neu. Der Zangler spannt mir noch die Kette und dann zahl ich
den Spaß und fahre nach El Masnou, einem Vorort von Barcelona. Richtig rund läuft das
Ding nicht, hab ich das Gefühl. Die wilde Hilde, eine Bekannte aus längst vergangenen
Tagen, ist vor einigen Jahren hierher ausgewandert und hat eine Couch
für mich. Die Wohnung liegt im vierten Stock unmittelbar an der Küste und man
hat einen umwerfenden Blick auf das Meer. Leider fällt dann der Strom bis morgen aus
und außer einem Elektroradiator gibt´s keine Heizung. Aber die acht Grad
Zimmertemperatur und das Glas Rotwein genügen vollauf, diesen heftigen Tag entspannt
ausklingen zu lassen.