Freitag, 29. November 2013



27.11., Von Gerona nach El Masnou

In Gerona gibt´s viel zu sehen auf wenig Platz. Enge, verwinkelte Stiegengassen, aus jedem dritten Fenster hängt die katalonische Flagge. Antike Bäder, deutsche Garnisonslager aus dem 17. Jahrhundert, Kopfsteinpflaster, Kathedralen, turmartige Häuser, alles umschlossen von einer Stadtmauer und geteilt durch einen Fluß. Neben einer Kirche hoch oben am Berg tätschelt ein Typ ein Instrument, das mehr an einen Kugelgrill erinnert, aber sphärisch klingt wie eine Harfe und kalt isses auch schon wieder. Am frühen Nachmittag breche ich auf in Richtung Barcelona. Jetzt folgt schon wieder eine abenteuerliche Geschichte. An alle Zweifler: Ich schwöre. Besteige ich also mein Benzinpferd und am Standgas ist noch alles wunderbar, der Motor schnurrt. Kaum fahre ich die ersten Meter, fängt das Ding zu ruckeln an, so in etwa, als wäre der Sprit aus. Benzinanzeige hab ich keine, nach meiner Einschätzung wäre das auch etwas zu früh, aber bitte. Ich schalte den Hebel um auf Reserve, aber der Motor will und will nicht aufhören zu stottern. Seltsam. Gestern war noch alles ganz normal und jetzt is schon wieder was hin. Vielleicht hat mir irgendwer des Nächtens ein Kabel abgezogen oder etwas in den Auspuff gesteckt, Trotteln gibt´s ja zuhauf. Wenn ich den Seitenständer runter klappe, stirbt der Motor automatisch ab. Das möchte ich nicht, deshalb suche ich mir einen Baum am Gehsteig und lehne das Moped dagegen. Ich halte den Motor so gut es geht bei Laune, indem ich ihn mit entsprechend Gas immer wieder hochjage, steige dabei ab und schaue blöd, ob ich irgendwas Offensichtliches entdecken kann. Nix natürlich, und der Motor will und will nicht rund laufen. Im Gegenteil, eine Fehlzündung jagt mittlerweile die nächste, das Viech klingt zum fürchten. Hinten raucht´s schon ganz ordentlich und vorne seltsamerweise auch und ich denke mir: Wenn ich das Ding jetzt abdrehe, bekomm ich´s wahrscheinlich nie wieder an. Also immer schön brav Gas geben und nachdenken. Da sehe ich, daß der Endtopf vom Auspuff schon glüht. Ich schalte ab, der Rauch hinten wird stärker. Nicht, nicht, nicht fang zu brennen an, du Drecksgerät, bitte! Da züngeln schon die ersten Flammen hinter der Seitenverkleidung raus. So, jetzt ist die Kacke am Dampfen. Helm runter, die Handschuhe weg, Schlüssel abziehen, nach hinten laufen, dort versuche ich, die Flammen auszublasen. Wie blöd kann man sein? Das Ergebnis fällt erwartungsgemäß aus, das Feuer entwickelt sich prächtig. Folgende Gedanken, während mir das Adrenalin bei den Ohrwaschln raus rinnt: Kann das Ding explodieren? Nein, kann es wahrscheinlich nicht. Den kleinen Feuerlöscher hab ich schlauerweise im letzten Moment doch noch daheim gelassen, es war auch so schon viel zu viel Gepäck. Hinten im Topcase ist aber ein Rucksack mit einer Wasserflasche, da könnte noch so cirka ein halber Liter drin sein. Schnell den passenden Schlüssel suchen, aufsperren, Rucksack auf, Flasche raus, aufdrehen, die Hände zittern, das dauert alles ewig, kein Schwein in der Nähe. Ich leere das bißchen Wasser über die Flammen. Zu Beginn schaut´s gut aus, aber das Feuer erholt sich rasch. Das brennende Plastik tropft auf den Asphalt. Ich müsste laut um Hilfe schreien, irgendwen auf meine Lage aufmerksam machen, aber ich bin zu blöd. Ein Typ kommt über die Straße. Anstatt ihn anzubrüllen: Aqua! Aqua!, Heeeelp!!!, frage ich höflich: “Excuse me, have you got some water with you?” Der Typ checkt aber auch so schnell die Lage und rennt weg, ich denke mir: Das Drecksgerät wird hier und jetzt abfackeln, ich muß zumindest mein Zeug retten. Dort, wo´s brennt, ist das Case mit den wichtigen Sachen. Netbook, das ganze Kleinzeugs, Medikamente etc. Also hin und am Schloss vom Case herumfummeln und als ich den Rucksack gerade heraußen habe, kommen zwei Typen angelaufen. Beide in der gleichen blauen Arbeitsmontur  mit einem Logo auf der Brust. Der eine hat einen Feuerlöscher dabei, sehe ich, während ich versuche, das dritte Case mit dem Schlafsack und der Wäsche drinnen zu öffnen. Der Typ kniet nieder und fummelt am Feuerlöscher herum, ewig, wie mir scheint, keiner sagt was, es ist eh alles klar. Mach Oida, mach!!! Endlich steht er auf und hält den Feuerlöscher auf Anschlag, ich lasse den letzten Rucksack, wo er ist und trete zurück, er deckt das Moped mit einer Wolke aus hellblauem Pulver ein und das Feuer ist aus. Der Typ von vorhin ist jetzt auch da mit einer vollen Flasche Wasser aber das Feuer ist aus, halleluja. Mein Zeug liegt verstreut am Boden, alles ist bedeckt mit dem Pulver, das Plastik tropft noch runter, aber es brennt nicht mehr. Ich bedanke mich bei den drei Typen, die sind so schnell weg, wie sie gekommen sind. Ich schau immer wieder, ob es nicht doch wieder zu brennen anfängt und dann setz ich mich mal nieder inmitten des Szenarios. Ich kann nicht glauben, was gerade passiert ist. Das darf doch alles nicht wahr sein. Ich rufe den Öamtc an. Erfreulicherweise war ich zumindest so schlau, noch vor der Abreise dort Mitglied zu werden. Für lächerlichste Kohle kann ich die Typen sogar noch in Marokko anrufen und um Pannenhilfe ersuchen. Nach zwei, drei Stunden kommt ein Abschleppwagen, wir verladen gemeinsam das Motorrad, bei einer BMW- Werkstatt irgendwo im Industriegebiet entlädt der Fahrer mich und meine Habseligkeiten. Er kann kein Wort Englisch, aber gibt mir die Hand. Es scheint, seine Arbeit endet hiermit. Ja, er schleicht sich und es beginnt zu regnen. Ich schiebe das Moped also in eine Halle und finde schließlich jemanden, der mich versteht. Fazit: Der Spannungsregler der Lichtmaschine hat scheinbar zu viele Ampere oder Scoville oder wasweißichwas an die Batterie geschickt, deswegen hat der Motor so gesponnen. Warum der Auspuff so heiß wurde, kann sich und mir niemand erklären. Eigentlich hab ich wirklich genug. Der Öamtc weigert sich, das Moped heim zu holen, die Transportkosten von 2500 Euro übersteigen den Zeitwert des bayrischen Mistviechs. The Henry stellt eine Spedition auf, die das Ding für 400er heimbringen würde, allerdings wahrscheinlich erst am Montag und dann nur, wenn es reisefertig auf einer Palette verstaut ist. Drauf geschissen, ich fahr weiter. Den Spannungsregler hat die Bude lagernd, den geschmolzenen Teil der Seitenverkleidung schneiden wir ab und ploppen den Rest mit haufenweise Kabelbindern wieder drauf. Na bitte, fast wie neu. Der Zangler spannt mir noch die Kette und dann zahl ich den Spaß und fahre nach El Masnou, einem Vorort von Barcelona. Richtig rund läuft das Ding nicht, hab ich das Gefühl. Die wilde Hilde, eine Bekannte aus längst vergangenen Tagen, ist vor einigen Jahren hierher ausgewandert und hat eine Couch für mich. Die Wohnung liegt im vierten Stock unmittelbar an der Küste und man hat einen umwerfenden Blick auf das Meer. Leider fällt dann der Strom bis morgen aus und außer einem Elektroradiator gibt´s keine Heizung. Aber die acht Grad Zimmertemperatur und das Glas Rotwein genügen vollauf, diesen heftigen Tag entspannt ausklingen zu lassen.

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