25.11., Von
Nizza nach Avignon
Time to go.
So ein gemischter Schlafsaal mit sechzehn Betten schlägt sich mit der Zeit auch
auf´s Gemüt. In diesem stinkt´s nach Kacke, Wichse und nicht gewaschenen Füssen
und der Black Muslim oberhalb von mir hat den ärgsten Dampf von allen drauf. Ich
packe also meine sieben(tausend) Sachen, hol mir die geladene Batterie vom
Zangler und mach mich vom Acker. Destination: Avignon. Warum? Weil´s cool
klingt und mich an die alten Musketier- Filme erinnert. Mein Navi schickt mich direkt
in die Alpen und der ganze Weg die nächsten Stunden ist unglaublich, sagenhaft,
affengeil, um in der Sprache unserer Jugend zu bleiben. Zuerst ganz unten
entlang des Flusses, links und rechts gehen senkrecht die Felswände rauf. Die
Straße schlängelt sich immer höher rauf, ich cruise durch in den Fels gehauene
Tunnels, ober mir hängen die Netze gegen Steinschlag und Lawinen. Trotzdem liegen
permanent Steine und kleine Felsbrocken auf der Strecke und irgendwann bin ich
ganz oben und überall außer auf der Straße liegt Schnee und es ist saukalt. Fast
kein Verkehr, am Himmel nicht das kleinste Wölkchen, ein Supertag. Im Schatten
fahr ich wie auf Eiern in den nassen Kurven, die Finger und die Zehen frieren schön
langsam ein. Schneebedeckte Gipfel, grüne Gletscherseen, die Landschaft ist der
Traum, der Hammer. Nach dem Tankstopp kommt vom Starter nicht einmal ein
Huster. Dabei hab ich die Kammern der Batterie am Samstag doch nur nach bestem
Wissen und Gewissen mit Leitungswasser aufgefüllt, ein bisschen Dreck vom
Gehäuse ist wohl auch mit rein geronnen. Soll man nicht, weiß ich jetzt, da
muss man chirurgisch vorgehen und nicht russisch. Drauf geschissen, das Ding
ist hin und hier im Niemandsland eine neue aufstellen ist teuer und dauert ein
Weilchen. Bis ich in Avignon bin, isses schon lange finster, ein bösartiger
Sturm rüttelt an mir und ich mag nur mehr ins Bett. Deswegen fahre ich auch
zügig am spätabendlichen Stau vorbei, ganz rechts, auf einem schmalen Radfahrstreifen
oder Pannenstreifen oder was auch immer das sein soll. Auf alle Fälle ist da
genug Platz für mich und das genügt mir. Weit hätte ich´s nicht mehr bis zum
Hostel, da rennt mir ein Typ rein von links. Tapfer hat er die vier Spuren irgendwie
bezwungen, hat´s gerade noch vor dem Bus links von mir über die Spur geschafft
aber mich hat er nicht gesehen und ich ihn auch nicht. Bamm!, mit einem
geschätzten 30er nehme ich ihn ungebremst volley, er rollt halbelegant über
mein Vorderrad, über meinen rechten Außenspiegel und dann über mich selbst, bis
ihn der Asphalt wieder hat und ich schaff´s irgendwie, daß es mich nicht auch
auf die Gosche haut. Der Typ ist augenscheinlich geflashed und saftelt rechts
überschaubar aus, seine Fingerknöchel sind offen und oberhalb des Handgelenks
hat er eine offene Stelle. Außerdem hält er sich abwechselnd seine rechte
Schulter und seine rechte Hüfte und ist augenscheinlich angeschlagen. Irgendwelche
Menschen decken mich mit einem französischen Klangteppich zu und fuchteln
geheime Botschaften. Irgendwann ist die Rettung da. Ich kritzle meine Daten auf
einen Zettel aus meinem Notitzbuch, bekomme einen ebensolchen vom Überfahrenen
ausgehändigt und der Sanitäter übersetzt endlich zwischen mir und meinem
Erlegten. Mir tut´s sehr leid und ihm auch, es sei nicht so schlimm bei ihm und
mir sind meine Schäden jetzt auch mal wurst. Immerhin hab ich ihn ja
überfahren, da darf man anschließend nicht so kleinlich sein, oder? Ich könne
auf die Polizei warten oder auch nicht, meint der Sani? Ob ich eigentlich
schuld sei oder der Erlegte, frage ich? „Fifty Fifty, nobody knows“ , sagt der
Typ und ich schwing mich auf´s Gasrad und schleiche mich schnellstens. Das
Gerät zieht´s leicht nach rechts und der Außenspiegel hängt kraftlos wie ein
geknickter Ast in der Halterung. In der
Jugendherberge bestell ich mir ein Beruhigungs-Bier und kipp mir das Glas
gleich mal in den Schritt, ich bin total fertig. Menschen am Limit. Vielleicht
hätte ich doch das Flugzeug nehmen sollen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen