Montag, 25. November 2013



25.11., Von Nizza nach Avignon

Time to go. So ein gemischter Schlafsaal mit sechzehn Betten schlägt sich mit der Zeit auch auf´s Gemüt. In diesem stinkt´s nach Kacke, Wichse und nicht gewaschenen Füssen und der Black Muslim oberhalb von mir hat den ärgsten Dampf von allen drauf. Ich packe also meine sieben(tausend) Sachen, hol mir die geladene Batterie vom Zangler und mach mich vom Acker. Destination: Avignon. Warum? Weil´s cool klingt und mich an die alten Musketier- Filme erinnert. Mein Navi schickt mich direkt in die Alpen und der ganze Weg die nächsten Stunden ist unglaublich, sagenhaft, affengeil, um in der Sprache unserer Jugend zu bleiben. Zuerst ganz unten entlang des Flusses, links und rechts gehen senkrecht die Felswände rauf. Die Straße schlängelt sich immer höher rauf, ich cruise durch in den Fels gehauene Tunnels, ober mir hängen die Netze gegen Steinschlag und Lawinen. Trotzdem liegen permanent Steine und kleine Felsbrocken auf der Strecke und irgendwann bin ich ganz oben und überall außer auf der Straße liegt Schnee und es ist saukalt. Fast kein Verkehr, am Himmel nicht das kleinste Wölkchen, ein Supertag. Im Schatten fahr ich wie auf Eiern in den nassen Kurven, die Finger und die Zehen frieren schön langsam ein. Schneebedeckte Gipfel, grüne Gletscherseen, die Landschaft ist der Traum, der Hammer. Nach dem Tankstopp kommt vom Starter nicht einmal ein Huster. Dabei hab ich die Kammern der Batterie am Samstag doch nur nach bestem Wissen und Gewissen mit Leitungswasser aufgefüllt, ein bisschen Dreck vom Gehäuse ist wohl auch mit rein geronnen. Soll man nicht, weiß ich jetzt, da muss man chirurgisch vorgehen und nicht russisch. Drauf geschissen, das Ding ist hin und hier im Niemandsland eine neue aufstellen ist teuer und dauert ein Weilchen. Bis ich in Avignon bin, isses schon lange finster, ein bösartiger Sturm rüttelt an mir und ich mag nur mehr ins Bett. Deswegen fahre ich auch zügig am spätabendlichen Stau vorbei, ganz rechts, auf einem schmalen Radfahrstreifen oder Pannenstreifen oder was auch immer das sein soll. Auf alle Fälle ist da genug Platz für mich und das genügt mir. Weit hätte ich´s nicht mehr bis zum Hostel, da rennt mir ein Typ rein von links. Tapfer hat er die vier Spuren irgendwie bezwungen, hat´s gerade noch vor dem Bus links von mir über die Spur geschafft aber mich hat er nicht gesehen und ich ihn auch nicht. Bamm!, mit einem geschätzten 30er nehme ich ihn ungebremst volley, er rollt halbelegant über mein Vorderrad, über meinen rechten Außenspiegel und dann über mich selbst, bis ihn der Asphalt wieder hat und ich schaff´s irgendwie, daß es mich nicht auch auf die Gosche haut. Der Typ ist augenscheinlich geflashed und saftelt rechts überschaubar aus, seine Fingerknöchel sind offen und oberhalb des Handgelenks hat er eine offene Stelle. Außerdem hält er sich abwechselnd seine rechte Schulter und seine rechte Hüfte und ist augenscheinlich angeschlagen. Irgendwelche Menschen decken mich mit einem französischen Klangteppich zu und fuchteln geheime Botschaften. Irgendwann ist die Rettung da. Ich kritzle meine Daten auf einen Zettel aus meinem Notitzbuch, bekomme einen ebensolchen vom Überfahrenen ausgehändigt und der Sanitäter übersetzt endlich zwischen mir und meinem Erlegten. Mir tut´s sehr leid und ihm auch, es sei nicht so schlimm bei ihm und mir sind meine Schäden jetzt auch mal wurst. Immerhin hab ich ihn ja überfahren, da darf man anschließend nicht so kleinlich sein, oder? Ich könne auf die Polizei warten oder auch nicht, meint der Sani? Ob ich eigentlich schuld sei oder der Erlegte, frage ich? „Fifty Fifty, nobody knows“ , sagt der Typ und ich schwing mich auf´s Gasrad und schleiche mich schnellstens. Das Gerät zieht´s leicht nach rechts und der Außenspiegel hängt kraftlos wie ein geknickter Ast in der Halterung.  In der Jugendherberge bestell ich mir ein Beruhigungs-Bier und kipp mir das Glas gleich mal in den Schritt, ich bin total fertig. Menschen am Limit. Vielleicht hätte ich doch das Flugzeug nehmen sollen.

Keine Kommentare: