Donnerstag, 30. Dezember 2021

 30.12., Aqaba

Polizeikontrolle  am Weg zum Südstrand. Keiner ist angegurtet oder trägt eine Maske, egal. Aber einen Feuerlöscher würde der Beamte gerne sehen, na bumm. Zaubert unser Fahrer doch tatsächlich ein brandneues Exemplar aus den Untiefen seines Wracks hervor und darf unbehelligt passieren, nicht schlecht. Das Highlight des ersten Tauchgangs ist ein von Weichkorallen besetzter Panzer amerikanischer Bauart aus dem Fundus der jordanischen Armee, aber der zweite Ausflug verzögert sich etwas. Gerade als ich mich unauffällig erleichtern will, scheucht mich ein unscheinbarer Typ aus dem Wasser, der König geruht genau jetzt und genau hier, ebenfalls zu tauchen. Rania, seine im Gegensatz zu ihren weiblichen Untertanen meistens chic in italienische Designerpanier gewandete Gattin, hat ihm scheinbar einen Männertag zugestanden, und daß er dann nicht in meiner Lulle herumgrundeln will, verstehe ich. Wir und alle anderen Anwesenden müssen uns eine gute Stunde gedulden, bis der King und sein aus drei Armeebooten bestehendes Geleit weitergezogen sind, ehe wir eine Lockheed Hercules erforschen dürfen. Riesig ist das Flugzeug und mit den Jahren auseinandergebrochen und in Trümmern. Hier sieht´s nicht so aus, als ob das Teil einst kontrolliert versenkt wurde. Das Szenario erinnert mehr an einen verheerenden Absturz. Allerhand Bewohner im Laderaum, Feuerfische, Muränen und Konsorten, das Cockpit mit einem Plastikskelett am Pilotensitz schon ziemlich geplündert, aber noch immer beeindruckend. Ein bemühtes Abendessen noch mit neuer Tauchbekanntschaft, mehr passiert heute nicht. Tauchen macht müde.


Mittwoch, 29. Dezember 2021

 29.12., Aqaba

Ein Teigtascherl mit Alfalfa, dann runter zur gelben Fastfoodbude. Es fällt mir nicht leicht es zuzugeben, aber den einzig trinkbaren Kaffee Jordaniens gibt´s bei Mc Donalds. Der Rest ist mit Kardamom gestreckt und extrem bitter oder wird in vorgesüsster Granulatform ausgeschenkt. Ena ist natürlich happy darüber und stopft sich, wenn wir schon mal da sind, schnell mit Burgern und Fritten voll. 

Von einem Alten am Straßenrand kaufen wir Wasser und beschwören mit ihm die jordanisch-österreichische Freundschaft, dann fahren wir zu den südlichen Stränden. Die Autos, mit denen wir unterwegs sind, sind, glaube ich, privat. Deren Lenker nützen scheinbar die Gelegenheit und sammeln uns auf, um sich ein paar schnelle Scheinchen zu verdienen. Kurz vor der saudischen Grenze hat sich Jordanien vom Nachbarn zwölf Kilometer Küste gegen ein ansehnliches Stück Wüste eingetauscht und auf Geheiß des Königs, selbst ein passionierter Taucher, wurden unweit der Küste allerhand Flugzeuge, Hubschrauber, Panzer, Schiffe und anderes ausrangiertes Kriegsgerät versenkt. Im Laufe der Jahre entstand so im Ansatz ein künstliches Riff mit gefälliger Flora und Fauna, das wir die nächsten Tage betauchen werden. Das direkt vor der Stadt versenkte Flak-Geschütz werden wir später im Rahmen einer privaten Glasboot-Tour sehen. 

Viele Einheimische machen heute Strandtag und lassen es sich gut gehen. Man kocht Tee, ignoriert den Wind und genießt die Sonne, eine Frau hat sogar ihre Schuhe ausgezogen. Zum Sonnenuntergang pufft die Süße eine Sisha am Stadtstrand, dann verlangt der Dienstleister, einst gesäugt von aussätzigen Echsen (ja, Scharti!) in finsterster Nacht und großgezogen von verschlagenen Lemuren, noch je einen zusätzlichen Dinar für die Sessel, auf denen wir gesessen sind.  Als ob der Hiesige seine Pfeife im Stehen rauchen würde, Frechheit. Ich bekomme kein Wechselgeld und zeige ihm den Finger, er verabschiedet sich freundlich. Entweder schmerzbefreit der Hawara oder nicht vertraut mit eigentlich internationalen Gesten des Missfallens. 


Dienstag, 28. Dezember 2021

 28. 12., von Amman nach Aqaba

Wieder die dreihundert Kilometer runter in den wärmeren Süden des Landes. Vorbei an der West Bank, in den 60ern von Jordanien im Zuge des Sechstage-Krieges an Israel verlorenes Territorium, und an den vermuteten Überresten von Sodom und Gomorrah, zweier antiker Party-Städte, die der Bibel zufolge bei Gott in Ungnade gefallen waren und von ihm in seiner unergründlichen Weisheit deswegen vollständig annihiliert wurden.

Viele Bagger stehen entlang der Straße und vor einzelnen Häusern. Lebt man zum Beispiel am Wolfgangsee, besitzt man mitunter ein Boot. In der Wüste scheint das Gegenstück dazu der Bagger, mit dem man bei Lust und Laune das Geröll rund ums Eigenheim umgestalten kann. Weiter im Süden steht gelegentlich ein Kamel vor einer der Hütten, das entspricht dann meinem Skoda daheim. An manchen Tagen würde ich ihn sofort eintauschen, aber das ist eine andere Geschichte.

Zurück in Aqaba erweist sich der Balkon unseres Zimmers als Quell ungeahnter Unterhaltung. Die Sonne verschwindet gerade hinter den Bergen Eilats, auf der gegenüberliegenden, israelischen Seite der Meeresbucht, und taucht den Horizont in bombastisches Rot. Das nimmt der Muezzin der nahen Moschee zum Anlass, Allah zu preisen, während sich lautstark hunderte Rabenvögel in den Bäumen eines Parks mit großzügigem Kinderspielplatz unter uns einfinden. Am gegenüberliegenden Flachdach wiederum entlässt ein Kind rund dreißig Tauben aus ihrem Schlag, die daraufhin in immer größer werdenden Kreisen ihre Runden ziehen, bis er sie nach einer Weile durch Pfiffe zurück beordert. Ein Fluter hilft den Vögeln wohl, wieder heim zu finden, darüber hinaus wachelt und drischt der Bursche mit einem Wischmop auf eine Plastiktonne. Letzteres vielleicht auch nur, um die Rabenviecher zu vertreiben, was weiß man schon als Nicht-Onkologe. 


Montag, 27. Dezember 2021

 27.12., Amman

Wenn einen der jordanische Kellner mit Griass di! begrüßt und er sich in Smalltalk über Wiener Fußballklubs üben möchte, weiß man, daß man diesen Ort zügig hinter sich lassen muß.  Zurück in Amman latschen wir hoch zur Zitadelle, von der man die Monströsität der Stadt gut überblicken kann. Auch den angeblich höchsten Fahnenmast der Welt sehen wir, diesmal sogar mit Fahne. Dort oben haben im Laufe der letzten zehntausend Jahre alle möglichen (Sub)kulturen gehaust und im örtlichen Museum ist von Rhinozeroszähnen über Glasfische als geheimes Erkennungszeichen der antiken Christen bis hin zu Kindersarkophagen alles ausgestellt. Irgendwo steht wohl auch eine versteinerte Unterhose von Julius Cäsar, aber alle Exponate haben wir uns nicht gegeben. 

Ein Tempel mit Überresten einer einst dreizehn Meter hohen Herkulesstatue, eine byzantinische Kirche, Zisternen, wieder das volle Programm.

Neben Jericho und Damaskus ist Amman mit seinen knapp drei Millionen Einwohnern eine der ältesten Städte der Welt. Trotzdem gibt es nach niederösterreichischem Vorbild sehr viele Kreisverkehre, an denen man sich leidlich orientieren kann. Mit nervtötendem Gedudel fahren Lastautos mit Gasflaschen zum Tauschen durch die Gassen und oft ist das Konterfei des Königs zu sehen. Seit 1999 regiert Abdallah der Zweite das Land.  Er führt seine Abstammung auf keinen Geringeren als den Propheten Mohammed zurück und in Werbefilmen cruist er lässig mit seiner Harley durch die Gegend. Der Bevölkerung sind motorisierte Zweiräder untersagt, aus Gründen der Sicherheit! Stau überall zu jeder Zeit, aber keine Roller unterwegs. Fahrräder erübrigen sich auch, die Stadt erstreckt sich über zwanzig Hügel. 


Sonntag, 26. Dezember 2021

 26.12., am toten Meer

Zaatar, eine Kräuterpaste aus Thymian, Sesam und Sumak mit Olivenöl vermischt, zum Frühstück am Rooftop mit Blick auf die versandelte Stadt, noch schnell das römische Theater besucht, dann holt uns eine schwarze Limousine ab. Herrschaftlich begeben wir uns zum toten Meer. An jedem Kreisverkehr der Stadt stehen Bullen und Militär mit vergitterten Autos und Pickups mit Maschinengewehren. In einer Dreiviertelstunde rollen wir 1300 Höhenmeter zum tiefsten Landpunkt der Erde, wo vierhundert Meter unter dem Meeresspiegel Bananenplantagen mit kostbarem Grundwasser bewässert werden und der Jordan ins tote Meer mündet, das eigentlich ein See ohne Abfluss ist, und dessen Wasserspiegel trotzdem jährlich um einen halben Meter sinkt. Im Jordantal herrscht neben Wasserknappheit subtropisches Klima und hier wächst scheinbar das ganze Obst und Gemüse der Nation. 

Plastik City! Hilton, Hyatt, Kempinsky, Mövenpick, you name it, ein Resort neben dem anderen und sonst nichts. Keine Häuser, geschweige denn gewachsene Siedlungen weit und breit, nur eine beleuchtete Autobahn führt durchs Ghetto der Schönen und Reichen. Ich bin schön und Ena deckt den Rest ab, passt. Der Rezeptionist unserer verwaisten Edelbude gibt uns freundlicherweise ein besseres als das gebuchte Zimmer, Auswahl hat er genug. Ein paar hundert Gäste würde die Anlage sicher fassen, eine Hand voll verliert sich zwischen den Pools, Lounges, Bars und Liegen. Unten am "Meer" treiben einige wenige Menschen wie Sektkorken im Wasser und bald auch wir. Im Ansatz geleeartig wirkt die mit mehr als dreißig Prozent Salz angereicherte Suppe und untergehen ist unmöglich. Rasieren sollte man sich vor dem Baden gehen nicht und Augen und Mund sind tunlichst vor dem Wasser zu schützen, Brustschwimmen kann man auch vergessen. Man dreht und kippt leicht. Sitzend herumzuhundeln ist die Fortbewegungsart der Wahl. 

Die eigentliche Schlammsuhle am Ufer ist gesperrt, wir schmieren uns flachendeckend mit gesundem Dreck aus grindigen Kübeln ein. Der trocknet dann in der Sonne, die lästigen Fliegen freuen sich und Ena bekommt eine Vorahnung, wie ihre Haut in ein paar Jahren aussehen wird. Abends gibt´s Buffet, da klappt sie ihren Reservemagen aus.


Samstag, 25. Dezember 2021

 25.12., Amman

Im Bus am Desert Highway unterwegs nach Amman. Stundenlang gurken wir durch leere Mondlandschaft, das große Nichts. Mitten in dieser Steinwüste irrt ein Hund umher, wo will der hin? Ein Weilchen später dreht ein großer Greifvogel seine Runden, vielleicht werden sich die zwei kennenlernen. 

Vor den Siedlungen stehen Zementwerke und Militäranlagen, an Moscheen gibt´s auch keinen Mangel. Kleinlastwagen transportieren Schafe auf ihren offenen Ladeflächen, Sattelschlepper sind unterwegs nach Syrien und in den Irak. Vor Amman sind Verkehrsschilder und -Hinweistafeln von Hand auf Mauern gepinselt, ein Auto zum Beispiel, daß aufgrund überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Baum fährt. Totaler Unsinn natürlich, es gibt wie gesagt keine Bäume. 

Ebenfalls im Bus sitzen ein in Tschechien lebender Nigerianer und ein in Deutschland lebender Kanadier, der eigentlich Holländer ist. Mit Letzterem machen wir uns vom Busbahnhof zu Fuß auf den Weg ins Zentrum. Klein ist das Zimmer, in das wir einziehen, und noch viel kleiner ist sein Klo/Badezimmer. Hätte man Brechdurchfall, könnte man sich bequem beiden Symptomen gleichzeitig hingeben, so eng stehen sich Wasch- und Klomuschel  gegenüber. 

Die Stadt selbst ist kein Bemmerl, wir residieren ums Eck vom Souq. Schreiende Goldhändler sind so laut, daß man sich in ihrer Nähe die Ohren zuhalten muß, ein Typ quert mit zwei großen lebenden Truthähnen in Händen die Straße, Säcke mit Buschwerk und Blättern werden verkauft, schmutzige Katzen, Tauben und Hasen hocken in Käfigen, Losverkäufer und Blinde bahnen sich ihren Weg. Es wird geschoben und gedrängt, die Radieschen sind so groß wie Äpfel, ein Polizistenpärchen kauft sich einen Sack Gurken, es gibt Ketten mit Würsten und Würschtln mit Ketten und ganz dicke Schaufensterpuppen. Eine Schlange von Menschen stellt sich um Knafe, eine nudelige Süßspeise mit Käse an, der Verschlag hat einen eigenen Sheriff, der die Meute in Schach hält. Ein Mann aus Saudi Arabien fragt allen Ernstes uns nach dem Weg, er hätte sich völlig verlaufen. Ich trinke heute eineinhalb Liter Linsensuppe aus dem Becher, Ena ernährt sich hauptsächlich von Maroni.


Freitag, 24. Dezember 2021

 24.12., Petra

Wieder hinein in die weitläufige Felsenstadt, heute wandern wir zu Obelisken, einem Opferplatz hoch über dem Tal mit epochaler Aussicht, einem Kloster und einem Tempel. Natürlich ist wieder alles aus dem blanken Fels herausgestemmt und sagenhaft, aber der Tempel ist der Doppelhammer. Unzählige Säulen und Nischen im Inneren, die in allen Farben schimmern, das Gestein hier ist eine einzige Verschichtung und Überlagerung von Braun, violett, rot, gelb und allem dazwischen.

Und hier ist absolut niemand, das ist das Ärgste. Freitags ist der gläubige Moslem in der Moschee und außerdem nieselt es, viel mehr Passanten als ein paar bettelnde Kinder sind nicht unterwegs. Selten setzen wir uns kurz auf einen Tee hin, der in Verschlägen entlang der Wege ausgeschenkt wird, aber hauptsächlich hatschen, hatschen, hatschen wir. Zurück im Hotel fallen mir fast die Haxen ab. Apropos, der Hadsch steht bei jedem Moslem ganz oben auf der To Do-Liste und im TV läuft stundenlang das gleiche Programm. Zu gesungenen Suren aus dem Koran umkreisen in Endlosschleife Heerscharen von Pilgern die Kaaba, den schwarzen Stein in Mekka. Inhalt und Spannungspotential der Übertragung ähneln dem unserer Wetterkameras, man kann dazu sehr gut einschlafen. Exakt bis um 4.00, da startet die erste religiöse Beschallung des Tages. Heute macht freilich das Jesukindlein Allah und seinem Propheten Konkurrenz und so wünsche ich allen AnhängerInnen aller Konfessionen, allen Zweiflern, Leugnern, Gleichmütigen und Unbeeindruckten einen schönen Abend.



Donnerstag, 23. Dezember 2021

 23.12., Petra 

Nach dem seeehr kalten Sonnenaufgang laben wir uns an seeehr frugalem Frühstück bestehend aus gekochten Eiern, Eckerlkäse und Fladen, dann fetzen wir raus aus der Wüste und hüpfen in den Minibus nach Petra. Auch heute nichts als Steine. Nur fünf Prozent des Staatsgebietes sind fruchtbar. Man fragt sich, wovon sich die sechs Millionen Jordanier überhaupt ernähren, und wo die ganzen Lebensmittel herkommen. Der Beifahrer füttert uns mit noch mehr Brot und bekommt dafür einen Kaugummi, dann beschallt er den Bus mit I am from Austria, ich konnte es ihm nicht ausreden, und einem albanischen Gassenhauer. Es folgen nationalistische Stücke, bei denen alle brav mitklatschen, man fürchtet sich etwas vor der Obrigkeit. 

Die Erdäpfel an der Kreuzung zum Desert Highway kauft der Fahrer nicht, umgerechnet fünf Euro für acht Kilo sind ihm zu teuer, aber viel billiger wird´s nicht werden. Ein kurzer Vergleich der gängigen Grundnahrungsmittel ergibt ein mit Österreich vergleichbares Preisniveau, wobei das jordanische Durchschnittseinkommen vor Corona bei rund 600 Euro lag. Seit Ausbruch der Seuche sind ohnehin alle abgestiert, vom Staat kommt wenig bis nix. 

Nicht zuletzt deswegen steigen wir zwei Stunden später um einen Bettel in einer gediegenen Bude in Wadi Musa ab, einer Kleinstadt direkt neben den Ausgrabungen von Petra. Der Eintritt ist saftig. Knapp siebzig Juros für zwei Tage, wenigstens zahlen die Einheimischen nur knapp über einen Euro für die Besichtigung des nationalen Erbes. Indiana Jones hat sich hier staubig gemacht und manche sehen in Petra eines der neuen sieben Weltwunder. Viel schreibe ich nicht über Petra, kann der Hobbyarchäologe alles an anderer Stelle nachlesen, nur so viel: Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die Anlage extrem geil. 

Wenn wir etwas im Überfluß haben, dann sind es Felsen. Lasst uns eine Stadt wie einen überdimensionalen, prächtig geschmückten Schweizer Käse in ihnen bauen, haben sich wohl die historischen Präjordanier, die Nabatäer gedacht, und haben Hammer und Meißel in die Hände genommen.  Quasi durch einen kilometerlangen, allerdings natürlich entstandenen Spalt in der Felsenlandschaft gelangen wir in die weitläufige Stadt und geben uns die in den Stein gehauenen Tempel, Gräber, Behausungen und Theater, während uns rund um die Augen schwarz geschminkte Typen im Minutentakt anhauen. Mit stinkigen Zwergpferden, brüllenden Eseln oder Kamelen sollen wir reiten, zu diesem oder jenem Aussichtspunkt mit ihnen latschen, Zeug kaufen, Kekse herausrücken. Viele Besucher sind nicht da, das steigert das Interesse an uns.1,3 Millionen Touristen zählte man 2019, nur ein paar Tausend kamen im letzten Jahr und heuer.

Bei Sonnenuntergang fahren vergitterte Polizeiautos mit Blaulicht vor und räumen die Anlage, morgen kommen wir wieder.


 

22.12., Wadi Rum

Die einschlägigen Tourenanbieter müssen wir heute enttäuschen, wir machen uns auf eigene Faust auf zur Wadi Rum, der bekanntesten und spektakulärsten Wüste Jordaniens. 

Eine Stunde ist Ena die Sensation des Tages in einem gänzlich von Männern mit schwarzen Lederjacken und Schlapfen besetzten Minibus, etwas mühsam. Unabsehbare Warterei auf etwaige Laufkundschaft noch am Stadtrand bei Dudelmusik, dann starten wir endlich gen Norden. 

Geröll und Sand, soweit das Auge reicht, und das sind viele Kilometer. Ein paar Büsche vielleicht, aber kein Baum, kein Gras. Jordanien ist zumindest hier nicht mehr als ein gigantischer Haufen Felsen. Am Checkpoint kontrolliert ein Militarist den Bus, während wir draußen warten müssen. Rauchender Schwerverkehr im Schritttempo auf der rechten Climbing Lane, in der Rinne zwischen den Richtungsfahrbahnen liegt im Laufe der Jahre angefallener Müll, vorwiegend kaputte Reifen. 

Direkt am Desert Highway wechseln wir in ein unglaublich erledigtes Fahrzeug eines prekärbezahnten Beduinen, so wie man ihn sich vorstellt. Klein und runzelig, rotkariertes Tuch mit einem Schnürl am Kopf, weiße Bartstoppeln. Sein abgefucktes und mit speckigen Decken ausgelegtes Gefährt lässt er über einen kleinen Abhang anrollen, der Starter wird wohl kaputt sein, dann gurken wir durch die staubige Gegend. Eine Dampflok wie frisch aus dem Museum passieren wir, die Waggons aus Holz mit grün abblätternder Farbe, dann erreichen wir die eigentliche Wüste. 

Ein Quartier brauchen wir noch und jemanden, der uns durch den roten Sand führt. Im Netz werden Zeltplätze schon um einen Euro angeboten, was natürlich Bullshit ist. Kostet dann halt der Transport dorthin das Zehnfache vom üblichen Preis, erfährt man am Ende. Alles undurchschaubar, wie üblich. Gleich von der Straße weg lassen wir uns von einem Typen Unterkunft und Ausflug andrehen, was von der Touristenpolizei im Besucherzentrum gar nicht gerne gesehen wird. Aber unser Mann Achmet  ist in Ordnung, wie sich herausstellen wird. Auf der Ladefläche seines Pickups bestaunen wir schon bald die weitläufige Szenerie, während er wie auf Watte durch den tiefen Sand der unbefestigten Pisten gleitet.

 Dieses Wadi erlangte bescheidene Berühmtheit durch Lawrence of Arabia, einem reichen englischen Schnösel, der sich hier vor rund hundert Jahren mit Tom Turban gemein machte und im Zuge einer arabischen Revolte gemeinsam mit seinen hiesigen Homies die Osmanen zurück gen Norden scheuchte. Von der englischen Presse wurde er zum Messias der arabischen Sache hochstilisiert, hier kannte und kennt ihn fast niemand. However, jedenfalls bettete er hier sein Haupt auf eine verlauste Ziegenhaardecke, bevor er Aqaba stürmte, und verfasste im Zuge dessen poetische Lobpreisungen an diese heiße Ecke. 

Lange davor wuchsen hier Weingärten und Olivenhaine, dann schlug der Klimawandel zu. Außer ein paar Vögeln ist kein Getier auszumachen, obwohl es Schakale, Wölfe, Füchse und Vipern geben soll. Geschichten aus tausend und einer Nacht. Unlängst ausgewilderte Oryx-Antilopen sind verdurstet oder haben sich nach Saudi Arabien abgesetzt. 

Breite Täler, flach wie Seen und umgeben von bizarren Felsformationen aus Sandstein, ziehen sich hundert Kilometer von Norden nach Süden. 5000 Beduinen leben noch in ihr, wobei die meisten ihr Zelt schon gegen ein Häuschen getauscht haben. Im kleinen Dorf gibt´s eine Schule und die Homebase der Desert Patrol, die früher auf Kamelen gegen aufständische Stämme vorging. Heute wirbeln sie in verbeulten Autos Sand auf und lauern auf Schmuggler aus Saudi Arabien oder retten versprengte Japaner. 

Wir klettern zu einer mitten im Geröllhang versteckten Quelle, wobei es sich Ena auch diesmal nicht hat nehmen lassen, ihre behinderte Handtasche mitzunehmen. Die schleift sie jetzt durch den Dreck, während sie über die Felsen klettert, und erinnert dabei an ein in der Wüste verirrtes It-Girl. Jedenfalls ermöglichte dieser sprudelnde Quell schon einst T.S. Elliot  seine Katzenwäsche, heute tränkt ihr mittels Schläuchen abgezapftes Wasser die Kamele der Umgebung, die rülpsend und grölend die gemauerten Becken in der Ebene belagern. Mehr als ein Liter pro Minute fließt da nicht, dürfte aber reichen für Mensch und Tier. 

Der Guide ortet Seelenverwandtschaft und  als Scheiwi von Jordanien schreite ich fortan mit einem Beduinennamen bedacht durch die Landschaft. Nach Inspektion einer monströsen Düne klettern wir durch einen schmalen Spalt, der sich rund hundert Meter durch einen Felsen schlängelt. Links und rechts wurden von irgendwelchen Neandertalern vor Jahrmillionen Zeichnungen und Symbole in die Wände geritzt, heute zieren auch Schmierereien zeitgenössischer Idioten diesen  verwunschenen Ort. Abbildungen von Nutztieren, Männern und Frauen, so wie sie Kinder zeichnen würden, die Strichfrauen mitunter auf zwei Felsen stehend gebärend, so wie das Unterfangen in dieser Gegend  auch heute noch praktiziert wird. Frau lässt der Natur und der Schwerkraft freien Lauf, Zuseher und Geburtshelfer müssen sich nicht bücken, um nahe am Geschehen zu sein, und irgendwer fängt hoffentlich das Baby auf. 

Über natürliche Felsenbrücken und Bögen balancieren wir, ein Nomade zeigt mir eine uralte Flinte aus dem Jahre 1875. Schaut aus wie selbstgebastelt, ist unglaublich schwer und klein, und das Kaliber würde wohl ein Kamel atomisieren, hätte der stolze Besitzer auch noch die nötige Munition. Nach dem Sonnenuntergang machen wir es uns bei Tee gemütlich und Guide Achmet erzählt. Vier Frauen hätte er gerne, momentan muß er aber mit einer Vorlieb nehmen. Schenkt man einer etwas, muß man auch den anderen etwas Vergleichbares zukommen lassen. Gleiches gilt für Unterkunft, Verpflegung, Ausflüge etc. Sonst kommt das Nudelholz von allen vier Himmelsrichtungen, wobei der Kenner anmerken könnte, daß Beduinen gar keine Nudeln essen. Ob das auch umgekehrt möglich sei, fragt Ena nach, sie hätte auch die finanziellen Mittel? Schade, leider nein. So ein Lebensstil würde der weiblichen Gesundheit schaden. Der Wüstensohn selbst wirkt auch nicht mehr ganz taufrisch, obwohl er erst 31 Jahre alt ist, er dürfte voll und ganz mit seiner einen Gattin ausgelastet sein. Neun Brüder hat er und fünf Schwestern, wurde im Zelt geboren. 

Daß bei Kamelrennen mittlerweile kleine Roboter statt Jockeys zum Einsatz kommen, wie man Kamelfleisch jahrelang haltbar macht, sollte das Viech die Erwartungen nicht erfüllen und vieles mehr erfahren wir. Später wird vor dem Zelt Sand weggeschaufelt, ein Tuch und ein Deckel haben das sich darunter befindliche Gargut vor Verschmutzung geschützt. Alles, was das Herz begehrt, wird aufgewartet, dann ziehen wir uns bestens geschützt vor Skorpionen und  Kamelspinnen, die angeblich ganze Echsen, Ratten und Vögel verspeisen können, in unser luxuriöses Zelt zurück. Nach Art der Beduinen waschen wir uns nicht. Verfliester Boden, innen mit Decken ausgeschlagen, sogar ein Gasofen brennt. Zusätzlich warten drei dicke Plastikdecken auf ihren Einsatz, die so schwer sind, daß man sich darunter fast nicht mehr rühren kann. Gegen die zwei, drei Grad Außentemperatur helfen sie ausgezeichnet.


Dienstag, 21. Dezember 2021

 21. 12., Aqaba

Kaltes Erdäpfelpüree zum Frühstück, warum auch nicht, dann starten wir die erste Exploration bei Tageslicht. Ich muß mich korrigieren, selbst Aqaba hat seinen Reiz. Die Sonne taucht die Stadt in ein gnädigeres Licht und mehr als ein T-Shirt brauchen wir auch nicht, während wir die desolate Strandpromenade entlang schlendern. Nicht viel los hier, die Keiler bieten ihre Glasboot-Touren schon um ein Zehntel des regulären Preises an. Ein Schild lässt uns darüber hinaus wissen, daß das Verunreinigen des Strandes mit atomarem Abfall eine dreijährige Haftstrafe nach sich zieht. 

Am Markt werden ganze gehäutete Hammel in Plastiksäcken verkauft, nur ihr Schädel ist noch befellt und behornt. Große Haufen mit Kohlköpfen, auf Kundenwunsch angerührtes Parfüm, Läden voll mit Gewürzen oder Nüssen. Auf Enas Einkaufszettel steht allerdings eine zusätzliche Hose für den Wüstentrip morgen, eine frostige Nacht unter Sternen ist zu erwarten. Auch Stefsechef, best traveler of se known world, hat seine Badehose daheim vergessen, peinlich. Dazwischen gilt es, zügig sanitäre Einrichtungen aufzusuchen, die Verdauung ist gefordert. Ena, selbst in einer der raueren Ecken dieser Welt aufgewachsen, scheint wie immer immun gegen jedwede hygienische Grenzwertigkeit. 

Das Essen ist dabei ganz ausgezeichnet, sogar Foul schmeckt besser, als sein Name hätte vermuten lassen. Und sonst: Hummus, Falafel, Baba Ganoush, Tahini, das volle Programm. Das geben wir uns beim Wirten mit Blick auf Ägypten und Israel, das Dreiländereck im Süden Jordaniens macht´s möglich. Extra hat der König hier einen gigantischen Fahnenplatz errichten lassen, um bei den Nachbarn schön damit reinfetzen zu können, aber ohne Fahne fehlt dem monströsen Mast leider das entscheidende Etwas. Zum Sonnenuntergang schlürfen wir nach hiesiger Sitte Minztee. Man kann auch ohne Alkohol Spaß haben, sagte einst schon ein trotziger Antialkoholiker. Für Interessierte werden auch Wasserpfeifen gereicht. In einer Billardhütte deklassiert mich die Holde noch öffentlich, die anwesende Männerwelt ist begeistert. Ab morgen kann sie ihren Tee in einem der ausschließlich für Frauen eingerichteten Lady´s Cafes trinken.

In der Wüste gibt´s kein Netz, der nächste Eintrag wird sich wohl verzögern... 


 Königreich Jordanien, Dez. 2021

20.12., Aqaba

Mehr als zehn Prozent der Sitzplätze im Flugzeug nach Aqaba sind sicher nicht besetzt, mehr wollten sich die Auflagen für die Einreise in das haschemitische Königreich Jordanien scheinbar nicht antun.

Abends um Sieben wachsen die Holde und ich bei fünfzehn Grad aus dem Flieger und stellen uns den Formalitäten. Beantragung des Visums, Abstempelung desselben, Vorweisen der Einreiseanmeldung, der Gesundheitserklärung, eines aktuellen Testnachweises, nur die eigentlich vorgeschriebene Reiseversicherung interessiert niemanden. Noch einmal wird unter der Aufsicht von teilweise verschlagen wirkenden Geheimpolizei-Visagen kostenpflichtig in unseren Nasen gebohrt, dann werden wir in die südjordanische Freihandelszone entlassen. Wir schreiben das Jahr 1441 nach der Auswanderung Mohammeds von Mekka nach Medina und das trifft es ganz gut. Masken werden in der Außenwelt wenn überhaupt, nur mehr als Kinnschutz getragen, wobei die Straßen bis auf streunende Katzen und ein paar Fledermäuse nahezu leer sind. Ein großer Kreisverkehr mit symbolischem Weihnachtsbaum, rundum geparkte Funkstreifen mit ihren Blaulichtern an, große Moscheen mit beschienenen Minaretten rundum. 

Der nervige Taxler, der während der Fahrt nicht müde wurde, sich in Dauerschleife als Transporteur nach Petra oder ins Wadi Rum anzubiedern, setzt uns schließlich angefressen im Marktgebiet von Aqaba aus, wo Männer unter grellen Neonlichtern in ihren Verschlägen hocken und Plastikramsch aus China anpreisen. Frauen sind, wenn überhaupt, nur in Form von menschgewordenen Überraschungseiern, also in Vollverschalung unterwegs. Aus kaputten Autos dringt orientalische Schleiftonmusik, Poster von Militaristen kleben an den Wänden.

Etwas deprimierend hier, viel Religion und Staatsgewalt im Spiel. Ansonsten so, wie ich mir den nahen Osten vorgestellt habe. Eine Art Mittelerde zwischen Europa, Afrika und Asien. Zwar mit  Westkeramik am Klo, allerdings schon mit Analdusche, das Zimmer akzeptabel, aber gleichzeitig schmuddelig. Die Kakerlaken nicht groß und nicht klein, das Wetter nicht kalt und nicht warm. Eine Heizung wäre vorhanden, ist aber so ohrenbetäubend laut, daß sie nicht verwendet werden kann. Also nach einer ersten Runde durch die Nachbarschaft mit dem Pulli in die Heia und erst einmal ankommen, morgen wird man weitersehen.