Samstag, 28. November 2015



27.11., Cienfuegos
Tatsächlich, ein paar Kilometer weiter steht ein mittlerweile stillgelegtes Atomkraftwerk. Die Sowjetunion hat den Kubanern das Ding in den 70er Jahren hergepflanzt  und dazu noch ein paar Wohnblocks, die entzückende Ciudad Nuclear.
In meinem Zimmer regiert Jesus und die vielenNippesfigurendazu sind auf ihren Abstellflächen festgeklebt, damit sie niemand mitgehen lässt. Die Quintessenz des Gesprächs mit Cubacar: Ich alleine bin für die Rücküberstellung des Mopeds verantwortlich, man könne den Schaden aber in der Werkstatt vor Ort auf meine Kosten reparieren, wenn ich das wolle. So sei es. Immer noch besser, als mich mit unhandlichem Anhang wieder nach Varadero zurückschlagen zu müssen. Während das Häusl zerlegt wird, erforsche ich die „Perla del Sur“, das Paris Cubas. Seit 2005 Unesco-Weltkulturerbe wegen seiner mehr oder weniger homogenen neoklassizistischen Architektur. Französische Auswanderer haben Cienfuegos Anfang des neunzehnten Jahrhunderts gegründet, deswegen. Mein erster Weg zum Internetanbieter verläuft enttäuschend. Keine Verbindung auf unabsehbare Zeit. Dann gebe ich mir das Museum der Schifffahrt, den ältesten Friedhof der Stadt und ein paar vergammelte Lokomotiven vor dem Museum dazu. Außerhalb des Stadtzentrums ist natürlich Schluss mit der polierten Fassade, hier geht wie gewohnt alles aus dem Leim. Aber es hat was. Grüppchen spielen lautstark Domino, Hausierer preisen ihre Waren, eine Alte verkauft frische Habaneros. Verrostete Kisten vor abgeblätterten Fassaden. Für vierzig Convertibles löse ich Strache aus, so werde ich die Ausgeburt ab jetzt nennen. Der Antriebsriemen hat sich aufgelöst und wurde erneuert. In den Außenbezirken der Stadt dominieren Plattenbauten mit bis nach oben hin vergitterten Balkonen. Pferde grasen auf einem weitläufig angelegten Friedhof. Eigentlich möchte ich weiter nach Trinidad, bremse mich aber schon nach zwanzig Kilometern in Rancho Luna wieder ein. Ein schöner Sandstrand und daneben schroffe Felswände, wo ich vielleicht gut schnorcheln kann. Egal, wo die Privatunterkünfte stehen, ob nahe beim Strand oder irgendwo im Hinterland, egal wie sie ausgestattet sind, egal ob ich versuche zu handeln, egal wie lange man bleibt-sie kosten immer gleich viel, fünfundzwanzig CUC ohne Verpflegung. In meiner Hütte wohnen drei Portugiesen und zwei Norweger, mit denen ich abends im Garten ein paar Cristal zische. Vorher finde ich beim Schnorcheln den größten jemals gesehenen Bierdosenfriedhof und bewundere den Sonnenuntergang  in der Hängematte.


26.11., am Weg nach Cienfuegos
Diese bescheidene Ecke ist ausgereizt, ich ziehe weiter nach Osten. Vorher noch das Häusl auftanken, wer weiß, wo sich die nächste Gelegenheit dazu ergibt. An der Tankstelle muss ich mich erst lautstark bemerkbar machen, bis sich einer der vier in der Nase bohrenden Angestellten dazu herablässt, die Zapfsäule für mich freizuschalten. Die Figuren stehen keine drei Meter von mir entfernt. Ich bremse noch für  einen Campesino, einen Bauernschädel, der sein stattliches Schwein über die Dorfstraße treibt, dann beschleunige ich auf meine Höchstgeschwindigkeit von fünfundfünfzig Stundenkilometern. Bananenplantagen, immer wieder einmal eine Finca, Vagueros, sprich Cowboys auf Pferden. Die Libelulas tun ganz schön weh, wenn sie mir nicht mehr rechtzeitig ausweichen können. Wer weiß, was das ist, bekommt ein Eis auf eigene Kosten. Über die nächsten Kilometer ist eine der beiden Fahrspuren mit einer Schicht Getreide bedeckt, die verwahrloste Hackler mit Rechen und Schiebern verteilen. Herangeschafft werden sie und das Getreide in großen, metallenen Loren. Bei Gegenverkehr weicht man notgedrungen ins Körndl aus, Hühner und auch Hunde tun sich gütlich an der unverhofften Gabe. Ich frage mich was passiert, wenn es so wie die letzten Tage zu regnen beginnt, dann wird das Getreide wohl in die Wiese oder den Graben geschwemmt. Exakt auf halbem Weg nach Cienfuegos wiederholt sich mein trauriges Schicksal. Ein kurzes Grummeln und Krachen und das Moped gibt wegen exakt demselben Defekt wie sein nichtsnutziger Vorgänger unwiderruflich den Geist auf. Mit dem Unterschied, dass es diesmal zweihundert Kilometer gehalten hat und dass ich mitten im Niemandsland gestrandet bin. Welch böse Mächte spielen mit mir? Kann man überhaupt rein rechnerisch so viel Pech haben? Dieser Urlaub hat gute Chancen, der beschissenste aller Zeiten zu werden und da liegt die Latte seit Marokko ganz schön hoch. Ausgiebig hadern, Daumen raus, warten. Nach kurzer Zeit schon bleibt ein kleiner Kastenwagen stehen, der wie geschaffen ist für den Abtransport meines Altmetalls. Niedrige Ladekante, gerade genug Platz, zwei Typen zum Helfen. Die nehmen mich für einen Zehner mit bis nach Pedro Casa, scheinbar einem Vorort von Cienfueges. In die Stadt selbst wollen oder dürfen sie nicht, auch als ich dafür mehr Bezahlung in Aussicht stelle. Ich also im Laderaum rauf aufs Moped, während wir mit einem Affenzahn über die Piste rauschen. Das ist anstrengend, dient aber der notwendigen Ladungssicherung. Spanngurte kennt Kuba nicht. Bei einer kleinen Raststation werde ich entladen, einer ruft noch bei meiner Verleihbude an. Wenn ich seinen Kauderwelsch richtig interpretiere, kommt wohl irgendwer irgendwann, ich solle- ja, warten. Viele Stunden harre ich vor dem Restaurant aus, bei Regen, bei Wind, bei Sonnenschein. Umgebaute Sattelschlepper, in deren Auflieger Fenster und Türen geschnitten sind und die als Busersatz in Mad Max-Manier dienen, fahren vorbei. Leute kommen und gehen. Eine Gesellschaft mit Torte bezieht eine Ecke des kleinen Außenbereiches. Einer hält eine Rede, alle klatschen, dann flascheln sie sichordentlich zu und beginnen zu übersteuerter Musik zu tanzen. Obwohl ich mir die Oropax noch mit einem Kugelschreiber bis zum Anschlag in die Birne schiebe ist der Lärm ohrenbetäubend. No es facil! Irgendwann kommt eine verwelkte Chica her und wackelt mir aufreizend ihre Hängemöpse um die Ohren, alle pecken sich ab. Ob ich nicht mit ihr tanzen wolle. Ich zeige ihr das Foto von meinem lädierten Zeh. Leider, leider, sonst echt gerne! Sie fährt umgehend ihre Mutterinstinkte hoch. Ich berichte von meiner Misere mit La Moto, die Gesellschaft ist alarmiert. Ich werde allen vorgestellt, bei den Blutsverwandten zeigt die Segniora auf ihre Unterarmvenen. Dann werde ich mit Rum abgefüllt, jeder redet auf mich ein, jeder ruft irgendwen an, jeder diskutiert mit jedem. Ein Typ textet mich eindringlich zu und kann nicht verstehen, dass ich gar kein Spanisch spreche. Die anderen deuten mir mit einer Geste auf ihre Schultern, dass er zwei Streifen habe. Ob er vom Militär sei? NoNo! Polizei? NoNo! Vielleicht hat er auch nur zwei Streifen in der Unterhose, kann vorkommen. Eine Qualle fragt, ob ich keine kubanischen Frauen wolle? Um ehrlich zu sein, nein. Bei fetten Hintern in Leggings bekomme ich Sodbrennen und für sie hoffe ich überhaupt, dass sie schon einmal bessere Zeiten gesehen hat. Über all dem die übersteuerte Karibik-Mucke. Ein Irrenhaus. Alle bummfett. Die Mopslady will, dass ich mit in ihr Haus komme und dort schlafe, ist nur dreißig Kilometer entfernt, wir könnten den Bus nehmen. Das Moped könnte ich bei einem vertrauenswürdigen Alkoholiker aus der Partie unterstellen. Ich lehne dankend ab mit der Ausrede, ich müsse mich dringend um das Wohlergehen meines Mopeds kümmern und als sie sich schließlich mit den anderen über die Häuser haut ist sie kurz davor, loszuheulen. Wahrscheinlich wird sie den ganzen Bus voll reihern. Die Kellnerin hat jetzt auch gecheckt, was Sache ist und stellt endlich einen Pannendienstfahrer des staatlichen Touristenbusunternehmens auf, der mich nach sieben Stunden samt Gefährt auf der Ladefläche seines Pickups  zur hiesigen Zweigstelle meiner Verleihbude führt. Dort stelle ich das Moped bis morgen in der Werkstatt unter, dann wird man weitersehen. Ich quartiere mich in einem überteuerten Loch ein, wo mich die Matrone belehrt, ich dürfe ja keine Chicas mit aufs Zimmer nehmen. Liegt’s an mir oder pfeifen die hier irgendwas ein oder steht wo ein Atomkraftwerk in der Nähe? Ich gehe noch den Boulevard runter zum Meer. Links und rechts wahre Paläste, alles ist sauber geschleckt bis auf die Ölflecken von den kaputten Autos. Blumen, gestutzte Hecken, Gärten. Polizeiautos an den Ecken. Nur Pärchen und Pensis unterwegs im kubanischen Themenpark.


25.11., Playa Giron
Zwei ältere Damen strahlen mich an, während ich mein fürstliches Frühstück mit frischem Guavensaft, einem Obstteller, einem Omelett und einem Sandwich verdrücke. Wir verständigen uns angestrengt aber leidlich mit Händen und Füßen. Endlich kann ich irgendetwas mit dem bisschen Italienisch anfangen, das mir in der Schule eingetrichtert wurde, viele Wörter sind gleich oder zumindest ähnlich. Die eine zwinkert mir zu und sagt, ich habe schöne Augen. Die andere meint, ich sei der coolste Traveller der Welt, glaube ich. Der gehe ich dann gleich nach zu ihrem Arbeitsplatz, dem MuseoGiron. Vor dem kleinen, einstöckigen Gebäude stehen Panzer, ein Lastwagen, ein Landungsboot und die Reste eines abgeschossenen Flugzeuges. Im Inneren wird die Niederlage der „Söldner“ bei ihrem feigen Versuch, das freie Kuba zu besetzen, ausgekostet. Taktische Wandkarten, Waffen der kubanischen Armee aus russischen und tschechoslowakischen Beständen, persönliche Gegenstände, zerschossene, blutige Kleidung der „Märtyrer“. Das war kein Spaß. Drei Tage dauerten die Kämpfe, an die dreihundert Menschen starben während der gescheiterten Invasion. Die Gerichtsverhandlungen, während derer die schändliche Moral der Verhafteten zu Tage kam, wurden damals im Fernsehen ausgestrahlt. Viele hätten angegeben, nur als Köche tätig gewesen zu sein. Eine eigene Ecke ist den weltweiten Solidaritätskundgebungen gewidmet, zugestellt per Lufttelegramm mit vielen Stops im Text. Wozu eigentlich, was hat gegen einen einfachen Punkt gesprochen?
Zum Playa de Coco gehe ich zu Fuß, das Moped bleibt im Garten. Im rückständigen Kuba schnurren übrigens mehr Elektroscooterauf den Straßen als bei uns daheim. Vorbei an vollständig entkernten, verfallenen Häuschen eines verlassenen Resorts, einer Industrieruine und einem monströsen Wellenbrecher gelange ich zu einem paradiesischen, von Palmen gesäumten Stück Strand, zwischen die ich meine Hängematte spanne. Rein ins Meer und sechzig, siebzig Meter raus, wo sich die Wellen am vorgelagerten seichten Riff brechen. Ganz schön ist es da aber ich möchte noch über die Brandung kommen und dort schnorcheln. Kurz darauf finde ich mich im einen Meter tiefen Wasser festgeklammert wie ein Läufer in seiner Startbox wieder, ich kann nicht vor und nicht zurück. Während sich die Wellen über mich ergießen denke ich nach, wie ich mich hier am geschicktesten aus der Affäre ziehen könnte, bis mir ein größerer Brecher die Entscheidung abnimmt und mich aus meiner Verankerung spült. Panisch schwimme, hundleund ziehe ich mich vor in tieferes Gewässer, bevor die nächste Welle kommt und mich wieder in die Felsen spült. Viel scheint nicht passiert zu sein aber am rechten Fuß zwickt es. Als ich nach hinten schaue, treibt der Nagel vom großen Onkel wie ein Blatt im Wind, der hängt nur mehr aus Gewohnheit an mir. Aua! Also weg damit mit einem Ruck und dann suche ich laaangezwischen scharfkantigen Steinen und unzähligen Seeigeln nach einem Weg zurück. Jetzt kommt der Schmerz und das Meer möchte ich auch nicht unnötig vollbluten. Was weiß ich, wer da zum Essen kommen möchte. Zurück an Land stülpe ich das Zellophan einer weggeworfenen Tschickpackung über den Patienten und mache es mit einem Stück Schuhband fest, Socke darüber, dann mal eine Kokosnuss mit Rum gegen den Schreck, die ich von einem Alten, der mir mit seiner Machete geholfen hat, kaufe. Lange liege ich nicht in der Matte, komme ich mit zwei Pensis aus Steyr ins Gespräch. Als ich ein Schlückchen meiner kosovarischen Schnapsreserven gegen sehr alten, milden Havanna Clubtausche, rollen beide mit den Augen und halten sich schnaufend den Wanst, so einen Fusel hätten sie schon lange nicht mehr saufen müssen. Denen geht’s zu gut, sofort die Pensionen kürzen. Dann spielen wir Boccia mit Korallenbrocken statt mit Kugeln und einer winzigen, verkümmerten Kokosnuss als „Taube“, so nennen die das Ziel. Mit viel Ehrgeiz und Taktik geht’s da zur Sache, wunderbar. Nachdem die zwei zum Frisör gegangen sind drehe ich die Musik auf und schaue mir die Sonne an, wie sie pompös im Meer verschwindet. Eine blade russische Gangstervisage fotografiert derweilen seine ansprechende Gespielin an zwanzig verschiedenen Stellen, sie immer in der gleichen Pose. Mit einem Fuß auf den Zehenspitzen, Titten raus, Kopf zurück, eine Hand hält den Strohhut. Eine fragile Fächerkoralle hat er ihr auch aus dem Meer mitgebracht. Die Russen und die Chinesen, das sind die Allerärgsten. So hinke ich heim. Einer klettert eine Palme hoch und erntet Kokosnüsse. Zwei Nutten produzieren sich vor übersteuerten Lautsprechern. Es scheint, als ob sich alle dreitausend Einwohner kennen würden. Ein paar Worte oder ein Handschlag werden im Vorbeigehen immer ausgetauscht.Ganz Giron hat kein Internetz und kein Telefon, mit dem man einen internationalen Anruf tätigen könnte.
Zum Abendessen werde ich mit Gaumenfreuden überschüttet. Dunkle Tintenfischsuppe aus heutigem Fang mit Kürbisstücken, gekochte Kassava, eine Avocado, Scheiben roter Rüben, Shrimps, Salat, Reis. Göttlich! Wenn ich zukünftig die Wahl habe, werde ich nur mehr in den Casas Privadas oder bei den Wirten für die Einheimischen essen.


24.11., Varadero
Nein, Ganesh trifft es auch nicht ganz, ich habe einen kapitalen Patschen hinten. Waren ja auch mindestens fünf Kilometer, die ich gestern noch damit gefahren bin. Während der Zangler meiner Verleihbude den Reifen tauscht, stelle ich mich fürs Internet an, da warten zehn Leute auf vier verfügbare Terminals. Im Freien wohlgemerkt, damit es im Raum nicht so laut wird. Als es zu regnen beginnt dürfen wir uns kurz unterstellen, dann aber wieder schnell raus auf die Straße mit uns lästigen Bittstellern. Warten ist einer der zentralen Lebensinhalte in Kuba. Auf den Bus, vor den Lebensmittelausgabestellen, auf bessere Zeiten. Die werden sich aber nicht so schnell einstellen. Wer viel warten muss hat keine Zeit mehr für wichtigere Dinge, arbeiten zum Beispiel. Schlangen werden keine gebildet. Der neu Angekommene fragt einfach nach dem Letzten in der Runde. Später stelle ich mich vor einer kleinen Bude an, wo die Einheimischen essen gehen. Natürlich dauert es auch hier, bis die Teller aus der kleinen Durchreiche geschoben werden aber hier zahlt sich das Warten wenigstens aus. Das gemischte Fleisch mit orangenem Reis und unbekanntem, transparent-weißlichem Gemüse schmeckt ausgezeichnet. Mit dem Teller setzt man sich dann in die gegenüberliegende Wiese. Einige essen auch im Stehen. Zurück beim Verleiher erzählt mir der Mitarbeiter noch, dass sich die Firma gestern nur deswegen für eine kulante Lösung entschieden hätte, weil sie mich für einen Schwachsinnigen halten, dann fahre ich wieder los nach Süden. Gestern Abend und in der Nacht hat es geschüttet, viele Senken stehen unter Wasser. Wie schon beim ersten Mal steht ein Typ in Zivil an der Ausfallstraße von Cartegna und wachelt mit den Händen. NoNo, Segnor! Ich kann nur mit den Schultern zucken und weiterfahren, ich durchschaue das System nicht. Wer sind diese Schädln? Mitarbeiter der Verleihfirma wohl nicht. Die wissen ja, dass ich in ganz Kuba herumgurken möchte. Dann gibt’s in jedem noch so kleinen Kaff die „Vereinigung der Freunde der Revolution“, Spitzel und Sittenwächter im Namen der Obrigkeit. Aber was könnten die von mir wollen? Anyway. Über Coliseo, Jovellanos und Torriente komme ich wieder zur Schweinebucht. La primeragranDerrota del ImperialismoYanqui en America Latinaging hier laut riesiger Propagandatafeln ab, die erste große Niederlage des Imperialismus in Lateinamerika. Soll sein, Hauptsache, ich bekomme bald Sprudel Especial für mein Häusl. Die paar Tankstellen in der Gegend haben nur Regular aber mein Gefährt verlangt nach Besserem. Also einen Umweg über die Autopista einlegen, die den Westen mit dem Osten Kubas verbindet und dann die Küste entlang nach Playa Giron. Die Luft ist erfüllt mit Schwärmen unzähliger, großer Libellen, die wenigstens schnell und schlau genug sind, mir im letzten Augenblick auszuweichen. Der Blick auf das Meer und die untergehende Sonne ist meistens frei, wenn nicht gerade Mangrovenbäume die Aussicht versperren. Ein Typ in Gummistiefeln, der ein Pferd hinter seinem Fahrrad herzieht, bringt mich zu einem Privatzimmer, dann gehe ich etwas essen. Kubanischen Wirten finde ich keinen, bleibt nur der Touristenwirt. Wie ich mein Hendl gerne hätte, welldone, medium oder rare?, fragt mich dort der Koch, der sich sogar erblödet hat, eine behinderte Haube aufzusetzen. Glaubt der allen Ernstes, ich möchte ein rohes Hendl fressen? Ein illegal über Mexico eingereister Amirentner faselt mich mit heißer Luft zu. Wenn wir so wären wie die Kubaner, könnten wir die Erderwärmung stoppen, die seien so bescheiden und bräuchten nur ganz wenig Geld. Hoffentlich erwischen sie ihn daheim bei der Einreise, das kann ihn bis zu fünfzigtausend Dollar Strafe kosten.

Dienstag, 24. November 2015



23.11., am Weg nach Cienfuegos

Weit komme ich nicht. Nach vielleicht zehn Kilometern rasselt und schleift irgendetwas unter mir und schwuppdiwupp ist der Antrieb vom Moped weg. Der Motor läuft noch, aber sonst tut sich nichts mehr. Ich koennte noch ein Weilchen am Stand Gas geben, um die bittere Erkenntnis noch etwas hinaus zu zoegern. Black Beauty, du kleines, billiges Drecksstück, du Hure von Bagdad! Ich packe es nicht! Keine zweihundert Kilometer gefahren und dieser Schrotthaufen atomisiert sich unter mir. Ich bin es langsam angegangen mit dir, habe dich verpflegt und dich beschützt und so dankst du es mir. Keinen Antrieb mehr in deinem Alter, was soll da einmal werden aus dir? Wenigstens passiert das Ganze direkt vor einem Ferienresort für Kubaner. Ich will mir die Situation gar nicht vorstellen, wäre dieses Scheißhaus irgendwo im Niemandsland eingegangen. Einmal ein Trip, bei dem alles glatt läuft, ist das wirklich zu viel verlangt? Der Portier macht zunächst überhaupt keine Anstalten, irgendetwas zu unternehmen. Nach einer Weile ruft er wenigstens in der Zweigstelle der Verleihbude in der nächsten, fünfundzwanzig Kilometer entfernten Ortschaft an und bedeutet mir zu warten, ein Mitarbeiter werde in einer Stunde vorbeischauen. Nach vier Stunden erscheinen eine Matrone und ein ausgefressener Typ in einem Kia, er ist scheinbar der Mechaniker. Zweimal tritt er den Kickstarter durch, dann diagnostiziert er irreversiblen Exitus. Die Lady telefoniert sich ein heißes Ohr mit ihrer Handgurke, dann weiht sie mich in ihren Plan ein. Der Fettling wird sie zuerst daheim absetzen und mich dann zurück nach Varadero führen, wo schon ein Tauschmoped auf mich wartet. Echt? Das hört sich so super an, ich kann´s gar nicht glauben. Muss ich etwas pecken fuer diesen Service? No No! Tatsächlich. Der Typ holt sich noch einen Stick mit seiner Lieblingsmusik aus einem Plattenbau in der Nähe, dann fetzen wir wieder dorthin, von wo ich gestern losgefahren bin. Das neue Moped ist alt und rot und pfeift aus dem letzten Loch. Ich nenne es voller Hoffnung Ganesh, den Überwinder aller Hindernisse. Dann gehe ich etwas essen, kaufe mir eine Flasche Rum und suche mir ein Quartier für die Nacht, es ist schon wieder finster.