25.11.,
Playa Giron
Zwei
ältere Damen strahlen mich an, während ich mein fürstliches Frühstück mit
frischem Guavensaft, einem Obstteller, einem Omelett und einem Sandwich
verdrücke. Wir verständigen uns angestrengt aber leidlich mit Händen und Füßen.
Endlich kann ich irgendetwas mit dem bisschen Italienisch anfangen, das mir in
der Schule eingetrichtert wurde, viele Wörter sind gleich oder zumindest
ähnlich. Die eine zwinkert mir zu und sagt, ich habe schöne Augen. Die andere
meint, ich sei der coolste Traveller der Welt, glaube ich. Der gehe ich dann
gleich nach zu ihrem Arbeitsplatz, dem MuseoGiron. Vor dem kleinen,
einstöckigen Gebäude stehen Panzer, ein Lastwagen, ein Landungsboot und die
Reste eines abgeschossenen Flugzeuges. Im Inneren wird die Niederlage der
„Söldner“ bei ihrem feigen Versuch, das freie Kuba zu besetzen, ausgekostet.
Taktische Wandkarten, Waffen der kubanischen Armee aus russischen und tschechoslowakischen
Beständen, persönliche Gegenstände, zerschossene, blutige Kleidung der
„Märtyrer“. Das war kein Spaß. Drei Tage dauerten die Kämpfe, an die
dreihundert Menschen starben während der gescheiterten Invasion. Die
Gerichtsverhandlungen, während derer die schändliche Moral der Verhafteten zu
Tage kam, wurden damals im Fernsehen ausgestrahlt. Viele hätten angegeben, nur
als Köche tätig gewesen zu sein. Eine eigene Ecke ist den weltweiten
Solidaritätskundgebungen gewidmet, zugestellt per Lufttelegramm mit vielen
Stops im Text. Wozu eigentlich, was hat gegen einen einfachen Punkt gesprochen?
Zum
Playa de Coco gehe ich zu Fuß, das Moped bleibt im Garten. Im rückständigen
Kuba schnurren übrigens mehr Elektroscooterauf den Straßen als bei uns daheim. Vorbei
an vollständig entkernten, verfallenen Häuschen eines verlassenen Resorts,
einer Industrieruine und einem monströsen Wellenbrecher gelange ich zu einem
paradiesischen, von Palmen gesäumten Stück Strand, zwischen die ich meine Hängematte
spanne. Rein ins Meer und sechzig, siebzig Meter raus, wo sich die Wellen am
vorgelagerten seichten Riff brechen. Ganz schön ist es da aber ich möchte noch über
die Brandung kommen und dort schnorcheln. Kurz darauf finde ich mich im einen
Meter tiefen Wasser festgeklammert wie ein Läufer in seiner Startbox wieder,
ich kann nicht vor und nicht zurück. Während sich die Wellen über mich ergießen
denke ich nach, wie ich mich hier am geschicktesten aus der Affäre ziehen
könnte, bis mir ein größerer Brecher die Entscheidung abnimmt und mich aus
meiner Verankerung spült. Panisch schwimme, hundleund ziehe ich mich vor in
tieferes Gewässer, bevor die nächste Welle kommt und mich wieder in die Felsen
spült. Viel scheint nicht passiert zu sein aber am rechten Fuß zwickt es. Als
ich nach hinten schaue, treibt der Nagel vom großen Onkel wie ein Blatt im
Wind, der hängt nur mehr aus Gewohnheit an mir. Aua! Also weg damit mit einem
Ruck und dann suche ich laaangezwischen scharfkantigen Steinen und unzähligen
Seeigeln nach einem Weg zurück. Jetzt kommt der Schmerz und das Meer möchte ich
auch nicht unnötig vollbluten. Was weiß ich, wer da zum Essen kommen möchte. Zurück
an Land stülpe ich das Zellophan einer weggeworfenen Tschickpackung über den
Patienten und mache es mit einem Stück Schuhband fest, Socke darüber, dann mal
eine Kokosnuss mit Rum gegen den Schreck, die ich von einem Alten, der mir mit
seiner Machete geholfen hat, kaufe. Lange liege ich nicht in der Matte, komme
ich mit zwei Pensis aus Steyr ins Gespräch. Als ich ein Schlückchen meiner kosovarischen
Schnapsreserven gegen sehr alten, milden Havanna Clubtausche, rollen beide mit
den Augen und halten sich schnaufend den Wanst, so einen Fusel hätten sie schon
lange nicht mehr saufen müssen. Denen geht’s zu gut, sofort die Pensionen
kürzen. Dann spielen wir Boccia mit Korallenbrocken statt mit Kugeln und einer
winzigen, verkümmerten Kokosnuss als „Taube“, so nennen die das Ziel. Mit viel
Ehrgeiz und Taktik geht’s da zur Sache, wunderbar. Nachdem die zwei zum Frisör
gegangen sind drehe ich die Musik auf und schaue mir die Sonne an, wie sie
pompös im Meer verschwindet. Eine blade russische Gangstervisage fotografiert derweilen
seine ansprechende Gespielin an zwanzig verschiedenen Stellen, sie immer in der
gleichen Pose. Mit einem Fuß auf den Zehenspitzen, Titten raus, Kopf zurück,
eine Hand hält den Strohhut. Eine fragile Fächerkoralle hat er ihr auch aus dem
Meer mitgebracht. Die Russen und die Chinesen, das sind die Allerärgsten. So
hinke ich heim. Einer klettert eine Palme hoch und erntet Kokosnüsse. Zwei
Nutten produzieren sich vor übersteuerten Lautsprechern. Es scheint, als ob
sich alle dreitausend Einwohner kennen würden. Ein paar Worte oder ein
Handschlag werden im Vorbeigehen immer ausgetauscht.Ganz Giron hat kein
Internetz und kein Telefon, mit dem man einen internationalen Anruf tätigen
könnte.
Zum
Abendessen werde ich mit Gaumenfreuden überschüttet. Dunkle Tintenfischsuppe
aus heutigem Fang mit Kürbisstücken, gekochte Kassava, eine Avocado, Scheiben roter
Rüben, Shrimps, Salat, Reis. Göttlich! Wenn ich zukünftig die Wahl habe, werde
ich nur mehr in den Casas Privadas oder bei den Wirten für die Einheimischen
essen.