Samstag, 28. November 2015



25.11., Playa Giron
Zwei ältere Damen strahlen mich an, während ich mein fürstliches Frühstück mit frischem Guavensaft, einem Obstteller, einem Omelett und einem Sandwich verdrücke. Wir verständigen uns angestrengt aber leidlich mit Händen und Füßen. Endlich kann ich irgendetwas mit dem bisschen Italienisch anfangen, das mir in der Schule eingetrichtert wurde, viele Wörter sind gleich oder zumindest ähnlich. Die eine zwinkert mir zu und sagt, ich habe schöne Augen. Die andere meint, ich sei der coolste Traveller der Welt, glaube ich. Der gehe ich dann gleich nach zu ihrem Arbeitsplatz, dem MuseoGiron. Vor dem kleinen, einstöckigen Gebäude stehen Panzer, ein Lastwagen, ein Landungsboot und die Reste eines abgeschossenen Flugzeuges. Im Inneren wird die Niederlage der „Söldner“ bei ihrem feigen Versuch, das freie Kuba zu besetzen, ausgekostet. Taktische Wandkarten, Waffen der kubanischen Armee aus russischen und tschechoslowakischen Beständen, persönliche Gegenstände, zerschossene, blutige Kleidung der „Märtyrer“. Das war kein Spaß. Drei Tage dauerten die Kämpfe, an die dreihundert Menschen starben während der gescheiterten Invasion. Die Gerichtsverhandlungen, während derer die schändliche Moral der Verhafteten zu Tage kam, wurden damals im Fernsehen ausgestrahlt. Viele hätten angegeben, nur als Köche tätig gewesen zu sein. Eine eigene Ecke ist den weltweiten Solidaritätskundgebungen gewidmet, zugestellt per Lufttelegramm mit vielen Stops im Text. Wozu eigentlich, was hat gegen einen einfachen Punkt gesprochen?
Zum Playa de Coco gehe ich zu Fuß, das Moped bleibt im Garten. Im rückständigen Kuba schnurren übrigens mehr Elektroscooterauf den Straßen als bei uns daheim. Vorbei an vollständig entkernten, verfallenen Häuschen eines verlassenen Resorts, einer Industrieruine und einem monströsen Wellenbrecher gelange ich zu einem paradiesischen, von Palmen gesäumten Stück Strand, zwischen die ich meine Hängematte spanne. Rein ins Meer und sechzig, siebzig Meter raus, wo sich die Wellen am vorgelagerten seichten Riff brechen. Ganz schön ist es da aber ich möchte noch über die Brandung kommen und dort schnorcheln. Kurz darauf finde ich mich im einen Meter tiefen Wasser festgeklammert wie ein Läufer in seiner Startbox wieder, ich kann nicht vor und nicht zurück. Während sich die Wellen über mich ergießen denke ich nach, wie ich mich hier am geschicktesten aus der Affäre ziehen könnte, bis mir ein größerer Brecher die Entscheidung abnimmt und mich aus meiner Verankerung spült. Panisch schwimme, hundleund ziehe ich mich vor in tieferes Gewässer, bevor die nächste Welle kommt und mich wieder in die Felsen spült. Viel scheint nicht passiert zu sein aber am rechten Fuß zwickt es. Als ich nach hinten schaue, treibt der Nagel vom großen Onkel wie ein Blatt im Wind, der hängt nur mehr aus Gewohnheit an mir. Aua! Also weg damit mit einem Ruck und dann suche ich laaangezwischen scharfkantigen Steinen und unzähligen Seeigeln nach einem Weg zurück. Jetzt kommt der Schmerz und das Meer möchte ich auch nicht unnötig vollbluten. Was weiß ich, wer da zum Essen kommen möchte. Zurück an Land stülpe ich das Zellophan einer weggeworfenen Tschickpackung über den Patienten und mache es mit einem Stück Schuhband fest, Socke darüber, dann mal eine Kokosnuss mit Rum gegen den Schreck, die ich von einem Alten, der mir mit seiner Machete geholfen hat, kaufe. Lange liege ich nicht in der Matte, komme ich mit zwei Pensis aus Steyr ins Gespräch. Als ich ein Schlückchen meiner kosovarischen Schnapsreserven gegen sehr alten, milden Havanna Clubtausche, rollen beide mit den Augen und halten sich schnaufend den Wanst, so einen Fusel hätten sie schon lange nicht mehr saufen müssen. Denen geht’s zu gut, sofort die Pensionen kürzen. Dann spielen wir Boccia mit Korallenbrocken statt mit Kugeln und einer winzigen, verkümmerten Kokosnuss als „Taube“, so nennen die das Ziel. Mit viel Ehrgeiz und Taktik geht’s da zur Sache, wunderbar. Nachdem die zwei zum Frisör gegangen sind drehe ich die Musik auf und schaue mir die Sonne an, wie sie pompös im Meer verschwindet. Eine blade russische Gangstervisage fotografiert derweilen seine ansprechende Gespielin an zwanzig verschiedenen Stellen, sie immer in der gleichen Pose. Mit einem Fuß auf den Zehenspitzen, Titten raus, Kopf zurück, eine Hand hält den Strohhut. Eine fragile Fächerkoralle hat er ihr auch aus dem Meer mitgebracht. Die Russen und die Chinesen, das sind die Allerärgsten. So hinke ich heim. Einer klettert eine Palme hoch und erntet Kokosnüsse. Zwei Nutten produzieren sich vor übersteuerten Lautsprechern. Es scheint, als ob sich alle dreitausend Einwohner kennen würden. Ein paar Worte oder ein Handschlag werden im Vorbeigehen immer ausgetauscht.Ganz Giron hat kein Internetz und kein Telefon, mit dem man einen internationalen Anruf tätigen könnte.
Zum Abendessen werde ich mit Gaumenfreuden überschüttet. Dunkle Tintenfischsuppe aus heutigem Fang mit Kürbisstücken, gekochte Kassava, eine Avocado, Scheiben roter Rüben, Shrimps, Salat, Reis. Göttlich! Wenn ich zukünftig die Wahl habe, werde ich nur mehr in den Casas Privadas oder bei den Wirten für die Einheimischen essen.

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