21.11.,
Varadero, nach Caleton
In
Ermangelung zufriedenstellender
Alternativen miete ich mir ein Moped und damit das Unterfangen hochgerechnet irgendwie
leistbar wird, gleich für einen Monat. Für über vierhundert Euro verlange ich
das beste Pferd im Stall, ein zwei Jahre altes chinesisches Zweirad, das man
beim heimatlichen Forstinger um sieben Hunderter kaufen könnte. Hier kostet das
Teil knapp das Zehnfache. Ich werde sie Black Beauty nennen, weil sie schwarz,
schön und rassig ist. Der Mechaniker der natürlich staatlichen Verleihbude, der
selbst ein verrostetes Gefährt mit Baujahr 33 fährt, macht mir noch extra einen
Ölwechsel für die große Tour. Das Handwerk hat er vom Papa gelernt. Eine
offizielle Ausbildung sei schwierig zu bekommen, weil der Staat nicht wolle,
dass sich die Kubaner ihren Fuhrpark selbst reparieren. Versicherung gibt’s
keine für mich und eine anständige Straßenkarte oder eine Kette zum Absperren
meines Juwels kann ich in der ganzen Stadt nicht finden. Wenn etwas kaputt
gehen sollte, muss ich selbst für die Überstellung zurück sorgen, alle tausend
gefahrenen Kilometer soll ich zum Ölwechsel vorbei schauen. Das Lenkradschloss
lasse ich noch reparieren und bis ich Varaderoendlich verlasse, ist es schon
Nachmittag. Die Übersichtskarte meines Reiseführers zeigt sieben Städte und
vier Kreuzungen bis nach Caleton im Süden, die Entfernung schätze ich auf
achtzig Kilometer. Alles Blödsinn, wie sich weisen wird. Sobald ich die stark
befahrene Küstenstraße hinter mir gelassen habe und ins flache Hinterland
vordringe, wird es ruhig, sehr ruhig. Zuckerrohrplantagen, soweit das Auge
reicht, ein paar verrottete Gebäudekomplexe oder verrostete Fabrikanlagen
dazwischen, sonst nichts. Neben den leidlich akzeptablen Straßen hocken oft nur
Greifvögel mit rotem Schädel in den Bäumen, die ich nach dem Weg fragen könnte.
Findet sich dann doch mal wer im Niemandsland, erzählt er mir gleich einen
Roman und sein Leben dazu, statt einfach in eine Richtung zu zeigen. Meine
Beteuerungen, ich verstünde kein Wort, tun nichts zur Sache. Nohabloespanol,
pendecho. Unendliche Weiten, verlassene Straßen schnurstracks bis zum Horizont.
Bei den nicht beschilderten Kreuzungen
orientiere ich mich nach alter Indianertradition an der Sonne. Dass sie schon
langsam untergeht sagt mir, dass es irgendwann finster werden wird. Wertvolle
Erfahrungen aus einem spirituellen Leben mit der Natur, wozu war ich bei den
Pfadfindern. Der Zufall verschlägt mich in Ecken, in die ich freiwillig niemals
nicht einbiegen würde. So schäbig und trostlos sind manche Straßen der Siedlungen
und Kleinstädte, dass ich mich nicht immer ganz wohl fühle in meiner Haut. Aus
den Häusern dringt lautstark Son und Salsa, zwischen den Hütten stehen
heruntergekommene, einst herrschaftliche, neoklassizistische Überbleibsel der
Kolonialzeit mit Säulen und einst aufwendig gestalteten Fassaden. Davor lungern
halbnackte Gestalten herum und viele, viele Kinder. Bizarr über alle Maßen. Die
Leute sind wie immer ausnehmend freundlich und hilfsbereit und bringen mich immer
wieder zurück auf den richtigen Weg. Ich passiere Ortschaften wie Santa Marta,
Maximo Gomez oder Australia mit Höchstgeschwindigkeiten bis zu 55
Stundenkilometern, bis ich endlich bei Einbruch der Dunkelheit die Südküste erreiche.
So schnell geht das. Kuba hat eine Länge von 1200 Kilometern aber seine
maximale Breite beträgt schlappe 130 Kilometer. Mein Zähler zeigt mehr als das an,
ich habe ein paar Ehrenrunden gedreht. Wäre Black Beauty ein Boot und wäre ich von
Varaderoin den Norden gefahren, hätte ich es nicht mehr weit bis zu den Florida
Keys.
Das
Küstendorf Caleton ist gut besucht. Warum, erzähle ich morgen. Sieben Casas
Privadas muss ich abklappern, bis ich noch wo unterkomme. Mit mir wohnt hier
ein Koch aus Vorarlberg, oft fragt man sich. Bei fast schwarzer, köstlicher Bohnensuppe
und Fisch mit Kochbananensterz erzählt er von seiner Zeit im Arrest in
Südafrika und vom Familienbetrieb daheim.
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