Dienstag, 24. November 2015



21.11., Varadero, nach Caleton

In Ermangelung  zufriedenstellender Alternativen miete ich mir ein Moped und damit das Unterfangen hochgerechnet irgendwie leistbar wird, gleich für einen Monat. Für über vierhundert Euro verlange ich das beste Pferd im Stall, ein zwei Jahre altes chinesisches Zweirad, das man beim heimatlichen Forstinger um sieben Hunderter kaufen könnte. Hier kostet das Teil knapp das Zehnfache. Ich werde sie Black Beauty nennen, weil sie schwarz, schön und rassig ist. Der Mechaniker der natürlich staatlichen Verleihbude, der selbst ein verrostetes Gefährt mit Baujahr 33 fährt, macht mir noch extra einen Ölwechsel für die große Tour. Das Handwerk hat er vom Papa gelernt. Eine offizielle Ausbildung sei schwierig zu bekommen, weil der Staat nicht wolle, dass sich die Kubaner ihren Fuhrpark selbst reparieren. Versicherung gibt’s keine für mich und eine anständige Straßenkarte oder eine Kette zum Absperren meines Juwels kann ich in der ganzen Stadt nicht finden. Wenn etwas kaputt gehen sollte, muss ich selbst für die Überstellung zurück sorgen, alle tausend gefahrenen Kilometer soll ich zum Ölwechsel vorbei schauen. Das Lenkradschloss lasse ich noch reparieren und bis ich Varaderoendlich verlasse, ist es schon Nachmittag. Die Übersichtskarte meines Reiseführers zeigt sieben Städte und vier Kreuzungen bis nach Caleton im Süden, die Entfernung schätze ich auf achtzig Kilometer. Alles Blödsinn, wie sich weisen wird. Sobald ich die stark befahrene Küstenstraße hinter mir gelassen habe und ins flache Hinterland vordringe, wird es ruhig, sehr ruhig. Zuckerrohrplantagen, soweit das Auge reicht, ein paar verrottete Gebäudekomplexe oder verrostete Fabrikanlagen dazwischen, sonst nichts. Neben den leidlich akzeptablen Straßen hocken oft nur Greifvögel mit rotem Schädel in den Bäumen, die ich nach dem Weg fragen könnte. Findet sich dann doch mal wer im Niemandsland, erzählt er mir gleich einen Roman und sein Leben dazu, statt einfach in eine Richtung zu zeigen. Meine Beteuerungen, ich verstünde kein Wort, tun nichts zur Sache. Nohabloespanol, pendecho. Unendliche Weiten, verlassene Straßen schnurstracks bis zum Horizont. Bei den  nicht beschilderten Kreuzungen orientiere ich mich nach alter Indianertradition an der Sonne. Dass sie schon langsam untergeht sagt mir, dass es irgendwann finster werden wird. Wertvolle Erfahrungen aus einem spirituellen Leben mit der Natur, wozu war ich bei den Pfadfindern. Der Zufall verschlägt mich in Ecken, in die ich freiwillig niemals nicht einbiegen würde. So schäbig und trostlos sind manche Straßen der Siedlungen und Kleinstädte, dass ich mich nicht immer ganz wohl fühle in meiner Haut. Aus den Häusern dringt lautstark Son und Salsa, zwischen den Hütten stehen heruntergekommene, einst herrschaftliche, neoklassizistische Überbleibsel der Kolonialzeit mit Säulen und einst aufwendig gestalteten Fassaden. Davor lungern halbnackte Gestalten herum und viele, viele Kinder. Bizarr über alle Maßen. Die Leute sind wie immer ausnehmend freundlich und hilfsbereit und bringen mich immer wieder zurück auf den richtigen Weg. Ich passiere Ortschaften wie Santa Marta, Maximo Gomez oder Australia mit Höchstgeschwindigkeiten bis zu 55 Stundenkilometern, bis ich endlich bei Einbruch der Dunkelheit die Südküste erreiche. So schnell geht das. Kuba hat eine Länge von 1200 Kilometern aber seine maximale Breite beträgt schlappe 130 Kilometer. Mein Zähler zeigt mehr als das an, ich habe ein paar Ehrenrunden gedreht. Wäre Black Beauty ein Boot und wäre ich von Varaderoin den Norden gefahren, hätte ich es nicht mehr weit bis zu den Florida Keys.
Das Küstendorf Caleton ist gut besucht. Warum, erzähle ich morgen. Sieben Casas Privadas muss ich abklappern, bis ich noch wo unterkomme. Mit mir wohnt hier ein Koch aus Vorarlberg, oft fragt man sich. Bei fast schwarzer, köstlicher Bohnensuppe und Fisch mit Kochbananensterz erzählt er von seiner Zeit im Arrest in Südafrika und vom Familienbetrieb daheim.

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