Samstag, 28. November 2015



26.11., am Weg nach Cienfuegos
Diese bescheidene Ecke ist ausgereizt, ich ziehe weiter nach Osten. Vorher noch das Häusl auftanken, wer weiß, wo sich die nächste Gelegenheit dazu ergibt. An der Tankstelle muss ich mich erst lautstark bemerkbar machen, bis sich einer der vier in der Nase bohrenden Angestellten dazu herablässt, die Zapfsäule für mich freizuschalten. Die Figuren stehen keine drei Meter von mir entfernt. Ich bremse noch für  einen Campesino, einen Bauernschädel, der sein stattliches Schwein über die Dorfstraße treibt, dann beschleunige ich auf meine Höchstgeschwindigkeit von fünfundfünfzig Stundenkilometern. Bananenplantagen, immer wieder einmal eine Finca, Vagueros, sprich Cowboys auf Pferden. Die Libelulas tun ganz schön weh, wenn sie mir nicht mehr rechtzeitig ausweichen können. Wer weiß, was das ist, bekommt ein Eis auf eigene Kosten. Über die nächsten Kilometer ist eine der beiden Fahrspuren mit einer Schicht Getreide bedeckt, die verwahrloste Hackler mit Rechen und Schiebern verteilen. Herangeschafft werden sie und das Getreide in großen, metallenen Loren. Bei Gegenverkehr weicht man notgedrungen ins Körndl aus, Hühner und auch Hunde tun sich gütlich an der unverhofften Gabe. Ich frage mich was passiert, wenn es so wie die letzten Tage zu regnen beginnt, dann wird das Getreide wohl in die Wiese oder den Graben geschwemmt. Exakt auf halbem Weg nach Cienfuegos wiederholt sich mein trauriges Schicksal. Ein kurzes Grummeln und Krachen und das Moped gibt wegen exakt demselben Defekt wie sein nichtsnutziger Vorgänger unwiderruflich den Geist auf. Mit dem Unterschied, dass es diesmal zweihundert Kilometer gehalten hat und dass ich mitten im Niemandsland gestrandet bin. Welch böse Mächte spielen mit mir? Kann man überhaupt rein rechnerisch so viel Pech haben? Dieser Urlaub hat gute Chancen, der beschissenste aller Zeiten zu werden und da liegt die Latte seit Marokko ganz schön hoch. Ausgiebig hadern, Daumen raus, warten. Nach kurzer Zeit schon bleibt ein kleiner Kastenwagen stehen, der wie geschaffen ist für den Abtransport meines Altmetalls. Niedrige Ladekante, gerade genug Platz, zwei Typen zum Helfen. Die nehmen mich für einen Zehner mit bis nach Pedro Casa, scheinbar einem Vorort von Cienfueges. In die Stadt selbst wollen oder dürfen sie nicht, auch als ich dafür mehr Bezahlung in Aussicht stelle. Ich also im Laderaum rauf aufs Moped, während wir mit einem Affenzahn über die Piste rauschen. Das ist anstrengend, dient aber der notwendigen Ladungssicherung. Spanngurte kennt Kuba nicht. Bei einer kleinen Raststation werde ich entladen, einer ruft noch bei meiner Verleihbude an. Wenn ich seinen Kauderwelsch richtig interpretiere, kommt wohl irgendwer irgendwann, ich solle- ja, warten. Viele Stunden harre ich vor dem Restaurant aus, bei Regen, bei Wind, bei Sonnenschein. Umgebaute Sattelschlepper, in deren Auflieger Fenster und Türen geschnitten sind und die als Busersatz in Mad Max-Manier dienen, fahren vorbei. Leute kommen und gehen. Eine Gesellschaft mit Torte bezieht eine Ecke des kleinen Außenbereiches. Einer hält eine Rede, alle klatschen, dann flascheln sie sichordentlich zu und beginnen zu übersteuerter Musik zu tanzen. Obwohl ich mir die Oropax noch mit einem Kugelschreiber bis zum Anschlag in die Birne schiebe ist der Lärm ohrenbetäubend. No es facil! Irgendwann kommt eine verwelkte Chica her und wackelt mir aufreizend ihre Hängemöpse um die Ohren, alle pecken sich ab. Ob ich nicht mit ihr tanzen wolle. Ich zeige ihr das Foto von meinem lädierten Zeh. Leider, leider, sonst echt gerne! Sie fährt umgehend ihre Mutterinstinkte hoch. Ich berichte von meiner Misere mit La Moto, die Gesellschaft ist alarmiert. Ich werde allen vorgestellt, bei den Blutsverwandten zeigt die Segniora auf ihre Unterarmvenen. Dann werde ich mit Rum abgefüllt, jeder redet auf mich ein, jeder ruft irgendwen an, jeder diskutiert mit jedem. Ein Typ textet mich eindringlich zu und kann nicht verstehen, dass ich gar kein Spanisch spreche. Die anderen deuten mir mit einer Geste auf ihre Schultern, dass er zwei Streifen habe. Ob er vom Militär sei? NoNo! Polizei? NoNo! Vielleicht hat er auch nur zwei Streifen in der Unterhose, kann vorkommen. Eine Qualle fragt, ob ich keine kubanischen Frauen wolle? Um ehrlich zu sein, nein. Bei fetten Hintern in Leggings bekomme ich Sodbrennen und für sie hoffe ich überhaupt, dass sie schon einmal bessere Zeiten gesehen hat. Über all dem die übersteuerte Karibik-Mucke. Ein Irrenhaus. Alle bummfett. Die Mopslady will, dass ich mit in ihr Haus komme und dort schlafe, ist nur dreißig Kilometer entfernt, wir könnten den Bus nehmen. Das Moped könnte ich bei einem vertrauenswürdigen Alkoholiker aus der Partie unterstellen. Ich lehne dankend ab mit der Ausrede, ich müsse mich dringend um das Wohlergehen meines Mopeds kümmern und als sie sich schließlich mit den anderen über die Häuser haut ist sie kurz davor, loszuheulen. Wahrscheinlich wird sie den ganzen Bus voll reihern. Die Kellnerin hat jetzt auch gecheckt, was Sache ist und stellt endlich einen Pannendienstfahrer des staatlichen Touristenbusunternehmens auf, der mich nach sieben Stunden samt Gefährt auf der Ladefläche seines Pickups  zur hiesigen Zweigstelle meiner Verleihbude führt. Dort stelle ich das Moped bis morgen in der Werkstatt unter, dann wird man weitersehen. Ich quartiere mich in einem überteuerten Loch ein, wo mich die Matrone belehrt, ich dürfe ja keine Chicas mit aufs Zimmer nehmen. Liegt’s an mir oder pfeifen die hier irgendwas ein oder steht wo ein Atomkraftwerk in der Nähe? Ich gehe noch den Boulevard runter zum Meer. Links und rechts wahre Paläste, alles ist sauber geschleckt bis auf die Ölflecken von den kaputten Autos. Blumen, gestutzte Hecken, Gärten. Polizeiautos an den Ecken. Nur Pärchen und Pensis unterwegs im kubanischen Themenpark.

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