26.11.,
am Weg nach Cienfuegos
Diese
bescheidene Ecke ist ausgereizt, ich ziehe weiter nach Osten. Vorher noch das
Häusl auftanken, wer weiß, wo sich die nächste Gelegenheit dazu ergibt. An der
Tankstelle muss ich mich erst lautstark bemerkbar machen, bis sich einer der
vier in der Nase bohrenden Angestellten dazu herablässt, die Zapfsäule für mich
freizuschalten. Die Figuren stehen keine drei Meter von mir entfernt. Ich
bremse noch für einen Campesino, einen
Bauernschädel, der sein stattliches Schwein über die Dorfstraße treibt, dann
beschleunige ich auf meine Höchstgeschwindigkeit von fünfundfünfzig
Stundenkilometern. Bananenplantagen, immer wieder einmal eine Finca, Vagueros,
sprich Cowboys auf Pferden. Die Libelulas tun ganz schön weh, wenn sie mir
nicht mehr rechtzeitig ausweichen können. Wer weiß, was das ist, bekommt ein
Eis auf eigene Kosten. Über die nächsten Kilometer ist eine der beiden
Fahrspuren mit einer Schicht Getreide bedeckt, die verwahrloste Hackler mit Rechen
und Schiebern verteilen. Herangeschafft werden sie und das Getreide in großen,
metallenen Loren. Bei Gegenverkehr weicht man notgedrungen ins Körndl aus,
Hühner und auch Hunde tun sich gütlich an der unverhofften Gabe. Ich frage mich
was passiert, wenn es so wie die letzten Tage zu regnen beginnt, dann wird das
Getreide wohl in die Wiese oder den Graben geschwemmt. Exakt auf halbem Weg
nach Cienfuegos wiederholt sich mein trauriges Schicksal. Ein kurzes Grummeln
und Krachen und das Moped gibt wegen exakt demselben Defekt wie sein nichtsnutziger
Vorgänger unwiderruflich den Geist auf. Mit dem Unterschied, dass es diesmal
zweihundert Kilometer gehalten hat und dass ich mitten im Niemandsland
gestrandet bin. Welch böse Mächte spielen mit mir? Kann man überhaupt rein
rechnerisch so viel Pech haben? Dieser Urlaub hat gute Chancen, der
beschissenste aller Zeiten zu werden und da liegt die Latte seit Marokko ganz
schön hoch. Ausgiebig hadern, Daumen raus, warten. Nach kurzer Zeit schon
bleibt ein kleiner Kastenwagen stehen, der wie geschaffen ist für den Abtransport
meines Altmetalls. Niedrige Ladekante, gerade genug Platz, zwei Typen zum
Helfen. Die nehmen mich für einen Zehner mit bis nach Pedro Casa, scheinbar
einem Vorort von Cienfueges. In die Stadt selbst wollen oder dürfen sie nicht,
auch als ich dafür mehr Bezahlung in Aussicht stelle. Ich also im Laderaum rauf
aufs Moped, während wir mit einem Affenzahn über die Piste rauschen. Das ist
anstrengend, dient aber der notwendigen Ladungssicherung. Spanngurte kennt Kuba
nicht. Bei einer kleinen Raststation werde ich entladen, einer ruft noch bei
meiner Verleihbude an. Wenn ich seinen Kauderwelsch richtig interpretiere,
kommt wohl irgendwer irgendwann, ich solle- ja, warten. Viele Stunden harre ich
vor dem Restaurant aus, bei Regen, bei Wind, bei Sonnenschein. Umgebaute
Sattelschlepper, in deren Auflieger Fenster und Türen geschnitten sind und die
als Busersatz in Mad Max-Manier dienen, fahren vorbei. Leute kommen und gehen.
Eine Gesellschaft mit Torte bezieht eine Ecke des kleinen Außenbereiches. Einer
hält eine Rede, alle klatschen, dann flascheln sie sichordentlich zu und beginnen
zu übersteuerter Musik zu tanzen. Obwohl ich mir die Oropax noch mit einem
Kugelschreiber bis zum Anschlag in die Birne schiebe ist der Lärm
ohrenbetäubend. No es facil! Irgendwann kommt eine verwelkte Chica her und
wackelt mir aufreizend ihre Hängemöpse um die Ohren, alle pecken sich ab. Ob
ich nicht mit ihr tanzen wolle. Ich zeige ihr das Foto von meinem lädierten
Zeh. Leider, leider, sonst echt gerne! Sie fährt umgehend ihre Mutterinstinkte hoch.
Ich berichte von meiner Misere mit La Moto, die Gesellschaft ist alarmiert. Ich
werde allen vorgestellt, bei den Blutsverwandten zeigt die Segniora auf ihre
Unterarmvenen. Dann werde ich mit Rum abgefüllt, jeder redet auf mich ein,
jeder ruft irgendwen an, jeder diskutiert mit jedem. Ein Typ textet mich eindringlich
zu und kann nicht verstehen, dass ich gar kein Spanisch spreche. Die anderen
deuten mir mit einer Geste auf ihre Schultern, dass er zwei Streifen habe. Ob
er vom Militär sei? NoNo! Polizei? NoNo! Vielleicht hat er auch nur zwei
Streifen in der Unterhose, kann vorkommen. Eine Qualle fragt, ob ich keine
kubanischen Frauen wolle? Um ehrlich zu sein, nein. Bei fetten Hintern in
Leggings bekomme ich Sodbrennen und für sie hoffe ich überhaupt, dass sie schon
einmal bessere Zeiten gesehen hat. Über all dem die übersteuerte Karibik-Mucke.
Ein Irrenhaus. Alle bummfett. Die Mopslady will, dass ich mit in ihr Haus komme
und dort schlafe, ist nur dreißig Kilometer entfernt, wir könnten den Bus
nehmen. Das Moped könnte ich bei einem vertrauenswürdigen Alkoholiker aus der
Partie unterstellen. Ich lehne dankend ab mit der Ausrede, ich müsse mich
dringend um das Wohlergehen meines Mopeds kümmern und als sie sich schließlich
mit den anderen über die Häuser haut ist sie kurz davor, loszuheulen.
Wahrscheinlich wird sie den ganzen Bus voll reihern. Die Kellnerin hat jetzt
auch gecheckt, was Sache ist und stellt endlich einen Pannendienstfahrer des
staatlichen Touristenbusunternehmens auf, der mich nach sieben Stunden samt
Gefährt auf der Ladefläche seines Pickups zur hiesigen Zweigstelle meiner Verleihbude
führt. Dort stelle ich das Moped bis morgen in der Werkstatt unter, dann wird
man weitersehen. Ich quartiere mich in einem überteuerten Loch ein, wo mich die
Matrone belehrt, ich dürfe ja keine Chicas mit aufs Zimmer nehmen. Liegt’s an
mir oder pfeifen die hier irgendwas ein oder steht wo ein Atomkraftwerk in der
Nähe? Ich gehe noch den Boulevard runter zum Meer. Links und rechts wahre
Paläste, alles ist sauber geschleckt bis auf die Ölflecken von den kaputten
Autos. Blumen, gestutzte Hecken, Gärten. Polizeiautos an den Ecken. Nur Pärchen
und Pensis unterwegs im kubanischen Themenpark.
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