Samstag, 21. November 2015



19.11., Varadero
Im Frühstücksraum wurde die Zeit abgeschafft. Ich trinke schon den dritten Automatenkaffee, als mir Prinz Valium in Zeitlupe eine Scheibe Zwiebacktoasthinschiebt. Genauso stelle ich mir den Kaffee im Gefängnis vor, ein übles Gebräu. Als er mir noch einen Obstteller serviert, geht es schon auf Mittag zu. Die zwei Scheiben Grapefruits und Ananas sind so dünn wie Wurstaufschnitt, die müssen die Dinger in gefrorenem Zustand schneiden. Hinter dem Haus über eine Seitenstraße und schon stehe ich vor dem Meer. Der Sandstrand reicht zwanzig Kilometer weit und ist absolut perfekt. Alle paar hundert Meter stehen Bastschirme irgendeines Hotels, dann wieder lange nichts. Kein Müll, ganz wenig Muscheln. Adler lassen sich vom Aufwind hin und her treiben. Türkises Wasser. Chillen am Strand geht jetzt nicht, ich muss noch die Umgebung erkunden. Am Weg zurück zur Straße flüchten kleine Echsen mit nach oben geringelten, gelben Schwänzen vor mir. Im unterirdischen Supermarkt für Touristen ein paar Blocks weiter sind viele Regale leer und in den restlichen Reihen stehen ausschließlich konservierte Waren nach dem Zufallsprinzip. Deutsches Sauerkraut mit Speck, Nudeln von Barilla, holländische Kekse. Es wäre interessant herauszufinden, wie diese Produkte ihren Weg hierher gefunden haben. Hier gibt’s kein Brot, kein Obst und kein Gemüse und auch im Laden für die Einheimischen nicht viel mehr. Durch die kürzlich erfolgte Lockerung im kommunistischen Gefüge dürfen manche zwar von kleinen Standln weg selbst hergestellte Waren verkaufen, das Angebot erschöpft sich aber in billigem Kitsch und den üblichen Souvenirs. In ganz Varadero gibt’s keinen Obststand. Hier stehen überall Palmen und Feigenbäume, es ist also nicht so, dass es hier nichts gäbe. Gelebter Sozialismus auch im Transportwesen. Weil der einzige offizielle Autoverleih Cubacar unverschämte Preise hat frage ich einen Keiler, ob er mir vielleicht privat ein Moped aufstellen könnte. Halb panisch, halb erschrocken ob meines Ansinnens zur Ankurbelung der Schattenwirtschaft wedelt er abwehrend mit seinen Händen herum. So latsche ich einstweilen also unmotorisiert die Gegend ab. Die Leute verstecken sich unter großen Regenschirmen vor der Sonne, es ist ganz schön heiß. Neben relativ neuenKias und anderen asiatischen Kleinwägen verpesten uralte Kisten die Luft, die an Chicago 1930 erinnern. Die, von deren Trittbrettern die Gangster immer ihre Maschinenpistolen auf die Unbestechlichen abgefeuert haben. Nachdem ich mir in meinen Plastikschlapfen die ersten Blasen geholt habe, gehe ich es ruhiger an und setze mich mit einem Cristal auf eine Bank und schaue mir die Leute an. Am Abend passiert hier nicht viel. Eine Live-Band übt sich in Coverversionen ausgelutschter Rockmusik, ein paar Cafes spielen kubanische Musik aus der Konserve. Die meisten Urlauber tragen bunte Plastikbänder ums Handgelenk und befinden sich auf Kurzexpedition außerhalb ihrer Resorts.

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