19.11.,
Varadero
Im
Frühstücksraum wurde die Zeit abgeschafft. Ich trinke schon den dritten
Automatenkaffee, als mir Prinz Valium in Zeitlupe eine Scheibe Zwiebacktoasthinschiebt.
Genauso stelle ich mir den Kaffee im Gefängnis vor, ein übles Gebräu. Als er
mir noch einen Obstteller serviert, geht es schon auf Mittag zu. Die zwei
Scheiben Grapefruits und Ananas sind so dünn wie Wurstaufschnitt, die müssen
die Dinger in gefrorenem Zustand schneiden. Hinter dem Haus über eine
Seitenstraße und schon stehe ich vor dem Meer. Der Sandstrand reicht zwanzig
Kilometer weit und ist absolut perfekt. Alle paar hundert Meter stehen
Bastschirme irgendeines Hotels, dann wieder lange nichts. Kein Müll, ganz wenig
Muscheln. Adler lassen sich vom Aufwind hin und her treiben. Türkises Wasser. Chillen
am Strand geht jetzt nicht, ich muss noch die Umgebung erkunden. Am Weg zurück
zur Straße flüchten kleine Echsen mit nach oben geringelten, gelben Schwänzen
vor mir. Im unterirdischen Supermarkt für Touristen ein paar Blocks weiter sind
viele Regale leer und in den restlichen Reihen stehen ausschließlich
konservierte Waren nach dem Zufallsprinzip. Deutsches Sauerkraut mit Speck,
Nudeln von Barilla, holländische Kekse. Es wäre interessant herauszufinden, wie
diese Produkte ihren Weg hierher gefunden haben. Hier gibt’s kein Brot, kein
Obst und kein Gemüse und auch im Laden für die Einheimischen nicht viel mehr.
Durch die kürzlich erfolgte Lockerung im kommunistischen Gefüge dürfen manche
zwar von kleinen Standln weg selbst hergestellte Waren verkaufen, das Angebot
erschöpft sich aber in billigem Kitsch und den üblichen Souvenirs. In ganz
Varadero gibt’s keinen Obststand. Hier stehen überall Palmen und Feigenbäume,
es ist also nicht so, dass es hier nichts gäbe. Gelebter Sozialismus auch im
Transportwesen. Weil der einzige offizielle Autoverleih Cubacar unverschämte Preise hat frage ich einen Keiler, ob er mir
vielleicht privat ein Moped aufstellen könnte. Halb panisch, halb erschrocken
ob meines Ansinnens zur Ankurbelung der Schattenwirtschaft wedelt er abwehrend
mit seinen Händen herum. So latsche ich einstweilen also unmotorisiert die
Gegend ab. Die Leute verstecken sich unter großen Regenschirmen vor der Sonne,
es ist ganz schön heiß. Neben relativ neuenKias
und anderen asiatischen Kleinwägen verpesten uralte Kisten die Luft, die an Chicago 1930 erinnern. Die, von deren
Trittbrettern die Gangster immer ihre Maschinenpistolen auf die Unbestechlichen
abgefeuert haben. Nachdem ich mir in meinen Plastikschlapfen die ersten Blasen
geholt habe, gehe ich es ruhiger an und setze mich mit einem Cristal auf eine Bank und schaue mir die
Leute an. Am Abend passiert hier nicht viel. Eine Live-Band übt sich in
Coverversionen ausgelutschter Rockmusik, ein paar Cafes spielen kubanische
Musik aus der Konserve. Die meisten Urlauber tragen bunte Plastikbänder ums
Handgelenk und befinden sich auf Kurzexpedition außerhalb ihrer Resorts.
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