1.3., Sydney
Wir erkunden
die nächsten Ecken der Stadt, ein längerfristiges Projekt. Fast fünf Millionen
Einwohner, ein Fünftel der australischen Bevölkerung wohnt hier, sechzig
Stadtteile, unzählige Buchten und Häfen. Kleinstädtische Viertel mit Ziegelbauten,
große Parks, Hunde verboten. Die schroff abfallenden Steilwände des Coastal Clifftop Walkway in der Watsons Bay, ein paar Kilometer östlich vor
Sydneys Zentrum, sind gut mit Zäunen und Überwachungskameras gesichert. Einst
ein beliebter Platz für Selbstmorde, stehen jetzt an jeder Ecke Schilder mit
Nummern von Beratungshotlines und Notfalltelefone bereit. Hold onto Hope, there is always Help. Zwei alte, schneeweiße
Leuchttürme, verrostete Verteidigungsanlagen aus dem vorletzten Jahrhundert,
Marker für einst in schwerer See an den Klippen zerschellte Schiffe. Noch nicht
viel los nach dem täglichen Regen am Bondi
Beach, wo man offiziell nicht einmal fotografieren darf, detto am Coogee Beach. Braungebrannte Anrainer in
Neoprenanzügen und Surfboards unterm Arm kommen und gehen. Am Maroubra Beach steht ein gemauertes
Schwimmbecken am Ende des Sandstrandes, das von überschwappenden Wellen
gespeist wird, in dem Schwimmer ihre Bahnen im ruhigeren Wasser ziehen können. Schilder
mit Surfer-Etikette, wer wem wann und warum die nächste Welle überlassen muss. Just
cruisin´. Im Radio nerven oberlehrerhafte Hinweise vor den meisten Liedern. Warning, this track contains strong language
oder Song lyrics contain naughty words.
Dann sitzen wir daheim zu ebner Erd´, trinken Bier und essen Käse und schauen
den Leuten auf der Straße zu, wie sie uns beim Käse essen und Bier trinken zusehen.
Im Lieblingspub der zwei Kurzzeitauswanderer, Friend in Hand, schreit der handzahme Kakadu herum und koffert von
seiner Kletterstange auf die Gäste runter, während wir uns mit einem Wiener
unterhalten. Einst Kellner im Sacher, beim Feierabendbier im Pub hinterm Haus
seine jetzige Frau kennengelernt, vor siebzehn Jahren nach Sydney übersiedelt
und jetzt Fensterverkäufer. Ab halb Neun wird in den ersten Stock zum Crab Race gebeten. Vorher werden noch
ein paar Regenschirme ausgeteilt und anschließend das Partyvolk mittels
riesiger Wasserpistolen nass gespritzt. Ein in die Jahre gekommener
Alleinunterhalter im sperrigen Krabbenkostüm peitscht die Gäste ein, verteilt
Gratisdrinks, nimmt Wetten entgegen, ehe aus einem Kübel Einsiedlerkrebse aus
dem hauseigenen Terrarium in die Mitte eines runden Tisches geleert werden. Die
Läufer tragen Nummern auf ihren Häusern und krabbeln tatsächlich an den Rand
der Tischplatte, die Menge ist außer sich. Wir ziehen weiter und hören zwei
Typen in einem anderen Pub, wie sie mit Banjo und Mundharmonika Südstaatenmusik
vom Allerfeinsten zum Besten geben. Lange Vollbärte, Cowboystiefel, die zum
Takt auf den Parkettboden stampfen, Baseballkappen, Dosenbier. Da setzen wir uns
auch noch dazu, großartig.
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