23.1., Stone Town
Spannende Tage. Vorgestern noch fernschriftliche Synchronverhandlungen mit drei Moped-Verleihbuden geführt, heute morgen schon zum Bestbieter gelatscht. Niemand kennt den Laden, nicht einmal ein Vertreter der hiesigen Verkehrspolizei in blitzblanker weißer Uniform. Wie er die bei all dem Staub und Dreck so sauber halten kann, ist mir ein Rätsel. Während er mir sicher gut gemeinte, aber falsche Auskunft erteilt, nimmt er nonchalant per Händedruck Bestechungsgeld von einem Passanten entgegen, von mir verabschiedet er sich per Fist bump. Ewig frage ich, bis einer auf einen Typen zeigt, der an einer Ecke sitzt, das ist mein Mann. Büro hätte er gar keines, das wäre ja viel zu teuer, gell? Meine schon im Jahre 2015 abgelaufene LKW- Fahrerkarte, die ich anstatt des Führerscheins dabei habe, musste er gestern noch editen, sprich fälschen, um das Local Permit für mich zu bekommen, ohne das man bei einer Verkehrskontrolle gleich im Vorhinein aufgeschmissen wäre. Das hat er gar nicht schlecht gemacht. Von mir bekommt er vierhundert Dollar für die nächsten vierzig Tage, vor zwei Jahren hat er die Mopette um 1800 Dollar gekauft. Fünf Dollar Bestechung für die Bullen wären genug, 1000 Shilling, das sind 40 Cent, sind für einen kurzfristigen Aufpasser zu veranschlagen. Nach rund 600 Kilometern solle ich wieder zum Ölwechsel vorbei schauen. Leider hat das Gefährt keinen USB- Ladeanschluss, wegen dem Navi wär´s gewesen.
Gegenüber meiner Unterkunft, dort, wo ich gestern die Frauen beim Brei anrühren beobachtet habe, setze ich mich in den abgewohntesten, schmuddeligsten Verschlag ever und frühstücke, mein Vermieter hat mir gut zugeredet. Die Damen sind sehr zurückhaltend, es gibt kein fließend Wasser oder Strom und vor dem Laden bedienen sich die Raben frech aus den großen Töpfen. Für mich gibt es heute dunkelbraune, trübe Rindsuppe mit teilweise etwas zähen Fleischbrocken, aber ohne auch nur ein Flankerl Gemüse und zwei fluffige Reisbrötchen dazu. Alles schmeckt gut, der Mangosaft scheint frei von Leitungswasser zu sein und zwei Euro für alles halte ich für angemessen.
Gestärkt mache ich mich auf nach Kizimbani zur Gewürzfarm, ein erster Hupfer von zwanzig Kilometern, um Mopette, Verkehr und Straßenverhältnisse anzutesten. Hier einige Erkenntnisse: Es gibt sehr viele Menschen und noch mehr Schüler, man fährt auf der falschen Straßenseite, die LKWs überholen sehr knapp und das Offline-Navi funktioniert leidlich. Freilaufende Muzungus außerhalb der Stadt sind nicht auszumachen, ständig schreien mir Menschen vom Straßenrand etwas zu. Muzungu, yes yes, hello Friend, das Übliche.
Am Ziel meiner Reise hockt ein Typ mit roten Augen unter einem Baum, als ob er nur auf mich gewartet hätte. Jaja, hier wäre ich richtig, nein, sonst wäre niemand hier, und tatsächlich geht er mit einem Messer in der Hand mit mir in den Wald, wo auf kompaktem Raum an die fünfzig oder mehr Bäume und Gewürze angebaut wurden, auf dass der Tourist nicht die ganze Plantage ablatschen muss. Wo fange ich an, wo höre ich auf? Ein Stückchen Rinde schabt er vom Zimtbaum, hackt eine kleine Kerbe, bis rote Flüssigkeit aus dem Jodbaum austritt, gräbt Kurkuma und Ingwer aus, lässt mich an Zitronengras, Thaibasilikum, Pfeffer schnuppern, schneidet mir eine Sternfrucht, Kakao, Maracuja, Rambutan, Jackfruit, Zuckerapfel uvm. auf und erzählt zu jeder Pflanze, wofür oder wogegen sie ist, Moskitos, Wunden, Krebs, Wimmerl, Blutdruck, Manneskraft, Gedächtnis, schmiert mir rote Farbe vom Lippenstiftbaum drauf, zeigt mir Henna, Sesam, den Affenbrotbaum, Avocados, Durian und Ananas, unbekanntes Superfood, Früchte die gleichzeitig süß, sauer und bitter sind und unzählige andere Dinge, die ich schon wieder vergessen habe. Die rote Banane nennt er Muzungu irgendwas und auf meine Frage hin, ob der weiße Mann tatsächlich wie eine Banane heißt, meint er, es wäre genau umgekehrt. Die rote Banane sei etwas Besonderes und teuer, deswegen habe man sie so benannt. Die Muzungus hätten alles erfunden, vom U-Boot bis zum Flugzeug, jeder würde sie verehren, jeder würde sich freuen, wenn er einen zu Gesicht bekäme.
Später kommen wir an drei Frauen vorbei, die gerade im großen Stil Holzkohle ausbuddeln und mit Wasser ablöschen. Eine Woche sei das Mangoholz mit Erde zugedeckt vor sich hin geschwelt, der Baum habe keine Früchte mehr getragen. Super Sache das alles, nach zwei Stunden cruise ich wieder heim. Was ist zuerst grün und dann rot? Ein Frosch im Mixer, genau. Und was ist zuerst weiß und dann rot? Stefsechef am Moped, wenn er sich denkt, so stark wird die Sonne schon nicht sein.
Abends krache ich wieder in eine lokale Suppenküche, es ist Zeit für Ugali. Der weiße Bampf kommt in Form eines kleinen Laibes aufs Teller, zum Tunken gibt´s Bohnengatsch und dazu noch Spinatähnliches und Schaf-, oder Ziegenfleisch in Sauce. Die Fleischteile wären in Europa den Haustieren vorbehalten, sehr zähe Stücke versetzt mit Knochen, Sehnen und Schwarten, beim besten Willen nicht klein zu kauen. Aber der Rest schmeckt sehr gut und das Ambiente ist sehr urig.
Heute noch die Power Banks fürs Handynavi laden, mir eine Strecke und ein Ziel für morgen überlegen und vielleicht schon ein Quartier buchen, außerdem das Gepäck reduzieren und den vorerst unnötigen Teil hier einlagern, morgen werde ich Stone Town verlassen.