Samstag, 18. Januar 2014


9., 10.1., Von Taroudant nach Marrakesch
 
Der Weg erweist sich wieder ebenso lohnend wie das Ziel, obwohl Marrakesch einen sehr durchwachsenen Eindruck in mir hinterlässt. Zwar finden wir ein entzückendes Zimmer mit eigener Terrasse am Flachdach, das so winzig klein ist, dass man es mit geschwollenen Füßen gar nicht betreten könnte. Aber die Stadt selbst bleibt dann doch hinter meinen verklärten Erwartungen zurück. In der Altstadt so viele unverschämte Keiler, so viel Elend, so viel Dreck. Bettler mit leeren Augenhöhlen, eine weinende Frau im Dreck, der in ihrer Agonie der Rotz aus der Nase rinnt. Straßenkinder, Zombies, professionelle Schnorrer. Jeder, der uns anspricht, will uns bescheissen. „Ja ja ja, alles klar?“ , „No buying, just talking, friend!“, „You are so wonderful, need a leatherjacket?“ Marrakesch! Früher ploppten beim Gedanken daran alle möglichen Klischees aus 1000 und einer Nacht in mir auf. Jetzt sehe ich das ganze etwas nüchterner. Anyway. Das Herzstück der Stadt bildet der „Platz der Versammlung der Toten“, Djemaa el- Fna. Vor rund tausend Jahren fanden hier öffentliche Hinrichtungen statt, heute geht´s hier ab rund um die Uhr. Einheimische stehen gebannt im Kreis und fiebern mit beim niemals ein Ende findenden Straßentheater, Bauchtänzerinnen bewegen sich mehr oder weniger graziös zu ohrenbetäubender Trommel.- und Fanfarenmusik. (Transenalarm!) Wahrsagerinnen lesen in ihren Karten, Wasserverkäufer mit seltsamen Hüten schlagen ihre Kupferbecher gegeneinander, Musikanten spielen elektronisch verstärkte, altertümliche oder selbst zusammengebastelte Zupfinstrumente, Schlangenbeschwörer passen auf, dass niemand auf ihre Viecher steigt oder Fotos macht, ohne dafür zu bezahlen. Eine Reihe mit Schuhputzern hier, dort birnen sich am Asphalt Amateur- Boxer für ein paar Dirham.  Vollverschleierte Frauen schmücken Hände mit geschwungenen Henna- Tatoos. Gaukler, Heiler, Bettler, Astrologen, Geier, Eulen, es ist genug Platz für alle da. Standler bieten Schneckensuppe an und frisch gepressten Orangensaft, die Keiler der Restaurants stehen kurz davor, handgreiflich zu werden. Vor zwei Jahren gab´s auch hier einen Bombenanschlag, aber das interessiert heute keinen mehr. Umgeben ist der Hauptplatz von einem riesigen Markt, in allen Gassen wird Plunder aller Art feilgeboten. Volltrottel auf ihren Rollern fetzen mörderisch durch die engen Gassen, das Kopfsteinpflaster ist schmierig vom einsetzenden Nieselregen. Außerhalb der Altstadt ist Marrakesch eine lärmende Großstadt wie jede andere auch. Am Ende des Tages sitzen wir dann auf unserer Privat- Terrasse und lauschen dem Getrappel der Pferde und der Esel unten, dem Hupen und dem Geschrei und von hier oben, aus sicherer Distanz,  kann ich diesem lärmenden Chaos gleich viel mehr abgewinnen. Ein paar Dächer weiter unterhält ein entseelter Entertainer eine deutsche Reisegruppe (zicke zacke, zicke zacke…) mit Schlagern aus der untersten Schublade, aber das ist sein Problem.
 

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