9., 10.1., Von Taroudant nach
Marrakesch
Der Weg erweist sich wieder ebenso
lohnend wie das Ziel, obwohl Marrakesch einen sehr durchwachsenen Eindruck in
mir hinterlässt. Zwar finden wir ein entzückendes Zimmer mit eigener Terrasse
am Flachdach, das so winzig klein ist, dass man es mit geschwollenen Füßen gar
nicht betreten könnte. Aber die Stadt selbst bleibt dann doch hinter meinen
verklärten Erwartungen zurück. In der Altstadt so viele unverschämte Keiler, so
viel Elend, so viel Dreck. Bettler mit leeren Augenhöhlen, eine weinende Frau
im Dreck, der in ihrer Agonie der Rotz aus der Nase rinnt. Straßenkinder, Zombies,
professionelle Schnorrer. Jeder, der uns anspricht, will uns bescheissen. „Ja ja ja, alles klar?“ , „No buying, just talking, friend!“, „You are so
wonderful, need a leatherjacket?“ Marrakesch! Früher ploppten beim Gedanken daran
alle möglichen Klischees aus 1000 und einer Nacht in mir auf. Jetzt sehe ich
das ganze etwas nüchterner. Anyway. Das Herzstück der Stadt bildet der „Platz der
Versammlung der Toten“, Djemaa el- Fna. Vor rund tausend Jahren fanden hier öffentliche
Hinrichtungen statt, heute geht´s hier ab rund um die Uhr. Einheimische stehen
gebannt im Kreis und fiebern mit beim niemals ein Ende findenden Straßentheater,
Bauchtänzerinnen bewegen sich mehr oder weniger graziös zu ohrenbetäubender
Trommel.- und Fanfarenmusik. (Transenalarm!) Wahrsagerinnen lesen in ihren
Karten, Wasserverkäufer mit seltsamen Hüten schlagen ihre Kupferbecher
gegeneinander, Musikanten spielen elektronisch verstärkte, altertümliche oder
selbst zusammengebastelte Zupfinstrumente, Schlangenbeschwörer passen auf, dass
niemand auf ihre Viecher steigt oder Fotos macht, ohne dafür zu bezahlen. Eine
Reihe mit Schuhputzern hier, dort birnen sich am Asphalt Amateur- Boxer für ein
paar Dirham. Vollverschleierte Frauen schmücken
Hände mit geschwungenen Henna- Tatoos. Gaukler, Heiler, Bettler, Astrologen, Geier,
Eulen, es ist genug Platz für alle da. Standler bieten Schneckensuppe an und
frisch gepressten Orangensaft, die Keiler der Restaurants stehen kurz davor,
handgreiflich zu werden. Vor zwei Jahren gab´s auch hier einen Bombenanschlag,
aber das interessiert heute keinen mehr. Umgeben ist der Hauptplatz von einem
riesigen Markt, in allen Gassen wird Plunder aller Art feilgeboten. Volltrottel
auf ihren Rollern fetzen mörderisch durch die engen Gassen, das
Kopfsteinpflaster ist schmierig vom einsetzenden Nieselregen. Außerhalb der
Altstadt ist Marrakesch eine lärmende Großstadt wie jede andere auch. Am Ende
des Tages sitzen wir dann auf unserer Privat- Terrasse und lauschen dem
Getrappel der Pferde und der Esel unten, dem Hupen und dem Geschrei und von
hier oben, aus sicherer Distanz, kann
ich diesem lärmenden Chaos gleich viel mehr abgewinnen. Ein paar Dächer weiter
unterhält ein entseelter Entertainer eine deutsche Reisegruppe (zicke zacke,
zicke zacke…) mit Schlagern aus der untersten Schublade, aber das ist sein
Problem.
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