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1.-5.1., Sidi Ifni
Prosit. Mittlerweile sind
wir in Sidi Ifni gelandet, schon fast dem südlichsten Punkt unserer gemeinsamen
Expedition des afrikanischen Kontinents. Ja, ein paar Flecken haben wir uns für
die nächsten Jahre aufgespart. Doch nun zurück zu diesem Kaff. Es wurde von den
Spaniern erst 1969 an Marokko zurückgegeben, nachdem zunächst Krieg darum geführt
und die Stadt sogar belagert worden war. Die meisten Einwohner waren nämlich
ehemalige Festland- Spanier und die wollten nicht so ohne weiteres ruckizucki
in Afrika beheimatet sein. Dieser Außenposten der Zivilisation geizt nicht mit
unvergesslichen Sehenswürdigkeiten. Einer der zwei Kreisverkehre ist mittig mit
einem beschädigten und angeschmierten Beton- Wellenbrecher geschmückt, der
Reiseführer erwähnt außerdem noch lobend
ein spanisches Postkastl von damals. Die Nachfahren der entwurzelten Spanier
grüßen noch immer mit „Hola“ und zum Essen gibt´s „Paella“ statt Couscous. Die
schmeckt auch ganz gut, aber in meiner ist Sand drin. Wir residieren im halbfürstlichen
Hotel „Bellevue“, ebenfalls einem Überbleibsel der kolonialen Ära. Die alterwürdige
„Art Deco“- Hütte thront auf den Klippen hoch über dem Meer, die großzügige Dach- Terrasse befindet sich
direkt in der Einflugschneise der Möwen, die hier quasi in Augenhöhe den Strand
entlang gleiten. Die Flut hinterlässt große, bräunliche Schaumhaufen am Ufer.
Am südlichen Ende der Bucht liegt der Hafen, dem Strand vorgelagert steht seit
sechzig Jahren ein verfallenes Beton- Ungetüm im Wasser, mit dessen Hilfe
früher die spanischen Schiffe entladen wurden. In Richtung Norden könnte man
wohl ewig die verwaisten Strände und Buchten entlang wandern. Der einzige Dreck
hier kommt von oben. Die Deppen aus den Dörfern kippen ihren Abfall einfach die
Klippen runter und die ausgetrockneten Flussmündungen sind auch entsprechend
zugeschweindelt. Aber sonst: Ein Traum. Die am Strand verstreuten Felstrümmer
bestehen aus zusammengepressten, verschiedenfarbigen Steinen, der Untergrund
wirkt wie ein natürliches Mosaik, wenn der jungfräuliche Sandstrand
gelegentlich von felsigem Untergrund abgelöst wird. Durch irgendwelche
prähistorisch- geodynamischen Vorgänge wurde das ganze Material hier irgendwie
zusammengeschmolzen, aufgeworfen und komprimiert. Jetzt spannen sich wieder ausgeschwemmte
Bögen über die gesamte Breite des Strandes und ragen ins Meer. Mit Wasser
gefüllte Becken umschließen kleine Biotope, unbekannte, glitschige Kreaturen
kleben an den Felsen. Wie gesagt, wir könnten ewig so weiter marschieren, wäre
die Gefährtin nicht von der irrationalen Angst besessen, die Flut würde uns
demnächst innerhalb von Sekunden überraschen und heimtückisch an den Klippen
zerquetschen. Kaum umspült also die erste Welle zärtlich unsere Zehen, flüchten
wir im Schweinsgalopp über einen gewundenen Weg die Klippen hoch und spazieren
durch primitive Dörfer hindurch wieder zurück. Am heimatlichen Strand wartet
schon Marc aus Kanada, um uns geduldig in die Geheimnisse des fortgeschrittenen
„Back Gammon“ einzuweihen. Als ehemaliger Turnierspieler erschließt er uns
Autodidakten neue Welten und erörtert klingende Taktiken wie „The Blitz“
(angelehnt an den NS- Sprech) oder „The Wipe Out“. Nach den Lektionen speisen
wir gemeinsam beim Fisch- Heini im „Souk“. Der stellt uns brodelndes Fisch-
„Tajin“ im Tontopf hin oder gegrillte Sardinen und sollte sich für Ena nichts
finden, hat der Nachbar immer noch das heiß geliebte Schichtfladenbrot. Sidi
Ifni hat bei näherem Hinsehen alles, was wir brauchen. Ausgewählte Tätigkeiten:
Relaxen auf der Terrasse, Mandeln kaufen am Markt, am Abend mit dem Rest der
Stadt herum flanieren. Ein französischer Pensi unterhält mit Videos von seiner
geliebten „KTM“ und erzählt Geschichten aus Burkina Faso und Neu Delhi, dort
wohnt er seit vielen Jahren. Dazu ein spanisches „San Miguel“, importiert
von den Kanarischen Inseln gegenüber,
wunderbar. Wir brauchen gute Gründe, uns
mal wieder aufzuraffen und die Stadt zu verlassen. Wie zum Beispiel den
wöchentlichen Großmarkt in Goulmime, einer Kleinstadt sechzig Kilometer
landeinwärts. Mein Moped parke ich im großen Durcheinander vor den Toren des
Marktes. Lastentaxis warten auf Kundschaft, Polizisten und sonstige Sheriffs
versuchen, das Chaos zu minimieren. Auf einer Freifläche gegenüber werden von
zahlreichen Lastautos Stroh- und Heuballen „en gros und en detail“ herunterverkauft,
die Leute befüllen ihre rostigen Geländewägen und Pickups. Auch mir wird Stroh angeboten, kann man ja immer gut
gebrauchen. Innerhalb der Tore preisen Händler ihre Waren aller Art über rückkoppelnde
Mini- Lautsprecher an. Laufburschen mit Handkarren fabrizieren komplizierte
Staus, wir kaufen unbekannte Früchte im kunstvoll geflochtenen Wegwerf-
Stanitzel und Erdbeeren. Feilgeboten werden auch Popcorn und schachtelweise
Küken, eingefärbt in allen Farben des Regenbogens. Was bunte Küken auszeichnet,
konnte ich nicht herausfinden. Am Areal unterhalb steht Vieh in kleineren
Herden zusammen oder einzelne Tiere liegen reglos mit zusammen gebundenen Hufen
am Boden. Stiere mit vor Furcht geweiteten Augen werden verladen, Ziegen meckern,
ein Kamel flankiert schützend sein Fohlen. Die Tiere sind alle herausgeputzt
und durchgekämmt. Ein Treiber erzählt, er kommt mit seiner Ware aus dem südlich
angrenzenden Mauretanien. Irgendwann wird Ena von Unbekannt mit einer halben
Mandarine beworfen. Ob aus Zuneigung oder Feindseligkeit bleibt uns
verschlossen und deshalb cruisen wir weiter in die nahe Oase „Tighmert“. Schon
in der Stadt fragen wir mehr als zehn Einzelindividuen und eine Gruppe Männer
nach dem Weg, Aussprache und Betonung sind wieder gefragt. „Tighmert?“ „
Tichmert?“ „Tickmert?“ „ Tiiiigmrt?“ „Tgmrt?“ „Häää?“ „Äääh?“ Wir haben ja
Zeit. Die Oase erfüllt dann erfreulicherweise alle bekannten Klischees.
Inmitten unendlicher Steinwüste tun sich
Palmen auf und dazwischen Behausungen wie kleine, etwas unförmige Festungen.
Wie riesige Sandburgen mit Türmen, Mauern und Zinnen aus mit Stroh vermischtem
Lehm geformt. Kleine, bunte Vögel schauen uns beim Kaffee trinken zu. Den
geführten Wüsten- Trip muss „Brahim“ aber mit wem anderen machen, die
Preisgestaltung erweist sich als unverschämt. Und für uns wird´s Zeit, uns
langsam gen Norden aufzumachen, die Gefährtin nimmt in einer Woche von
Casablanca weg den Flug heim.
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