Mittwoch, 8. Januar 2014



                      1.-5.1., Sidi Ifni

                      Prosit. Mittlerweile sind wir in Sidi Ifni gelandet, schon fast dem südlichsten Punkt unserer gemeinsamen Expedition des afrikanischen Kontinents. Ja, ein paar Flecken haben wir uns für die nächsten Jahre aufgespart. Doch nun zurück zu diesem Kaff. Es wurde von den Spaniern erst 1969 an Marokko zurückgegeben, nachdem zunächst Krieg darum geführt und die Stadt sogar belagert worden war. Die meisten Einwohner waren nämlich ehemalige Festland- Spanier und die wollten nicht so ohne weiteres ruckizucki in Afrika beheimatet sein. Dieser Außenposten der Zivilisation geizt nicht mit unvergesslichen Sehenswürdigkeiten. Einer der zwei Kreisverkehre ist mittig mit einem beschädigten und angeschmierten Beton- Wellenbrecher geschmückt, der Reiseführer erwähnt außerdem  noch lobend ein spanisches Postkastl von damals. Die Nachfahren der entwurzelten Spanier grüßen noch immer mit „Hola“ und zum Essen gibt´s „Paella“ statt Couscous. Die schmeckt auch ganz gut, aber in meiner ist Sand drin. Wir residieren im halbfürstlichen Hotel „Bellevue“, ebenfalls einem Überbleibsel der kolonialen Ära. Die alterwürdige „Art Deco“- Hütte thront auf den Klippen hoch über dem Meer,  die großzügige Dach- Terrasse befindet sich direkt in der Einflugschneise der Möwen, die hier quasi in Augenhöhe den Strand entlang gleiten. Die Flut hinterlässt große, bräunliche Schaumhaufen am Ufer. Am südlichen Ende der Bucht liegt der Hafen, dem Strand vorgelagert steht seit sechzig Jahren ein verfallenes Beton- Ungetüm im Wasser, mit dessen Hilfe früher die spanischen Schiffe entladen wurden. In Richtung Norden könnte man wohl ewig die verwaisten Strände und Buchten entlang wandern. Der einzige Dreck hier kommt von oben. Die Deppen aus den Dörfern kippen ihren Abfall einfach die Klippen runter und die ausgetrockneten Flussmündungen sind auch entsprechend zugeschweindelt. Aber sonst: Ein Traum. Die am Strand verstreuten Felstrümmer bestehen aus zusammengepressten, verschiedenfarbigen Steinen, der Untergrund wirkt wie ein natürliches Mosaik, wenn der jungfräuliche Sandstrand gelegentlich von felsigem Untergrund abgelöst wird. Durch irgendwelche prähistorisch- geodynamischen Vorgänge wurde das ganze Material hier irgendwie zusammengeschmolzen, aufgeworfen und komprimiert. Jetzt spannen sich wieder ausgeschwemmte Bögen über die gesamte Breite des Strandes und ragen ins Meer. Mit Wasser gefüllte Becken umschließen kleine Biotope, unbekannte, glitschige Kreaturen kleben an den Felsen. Wie gesagt, wir könnten ewig so weiter marschieren, wäre die Gefährtin nicht von der irrationalen Angst besessen, die Flut würde uns demnächst innerhalb von Sekunden überraschen und heimtückisch an den Klippen zerquetschen. Kaum umspült also die erste Welle zärtlich unsere Zehen, flüchten wir im Schweinsgalopp über einen gewundenen Weg die Klippen hoch und spazieren durch primitive Dörfer hindurch wieder zurück. Am heimatlichen Strand wartet schon Marc aus Kanada, um uns geduldig in die Geheimnisse des fortgeschrittenen „Back Gammon“ einzuweihen. Als ehemaliger Turnierspieler erschließt er uns Autodidakten neue Welten und erörtert klingende Taktiken wie „The Blitz“ (angelehnt an den NS- Sprech) oder „The Wipe Out“. Nach den Lektionen speisen wir gemeinsam beim Fisch- Heini im „Souk“. Der stellt uns brodelndes Fisch- „Tajin“ im Tontopf hin oder gegrillte Sardinen und sollte sich für Ena nichts finden, hat der Nachbar immer noch das heiß geliebte Schichtfladenbrot. Sidi Ifni hat bei näherem Hinsehen alles, was wir brauchen. Ausgewählte Tätigkeiten: Relaxen auf der Terrasse, Mandeln kaufen am Markt, am Abend mit dem Rest der Stadt herum flanieren. Ein französischer Pensi unterhält mit Videos von seiner geliebten „KTM“ und erzählt Geschichten aus Burkina Faso und Neu Delhi, dort wohnt er seit vielen Jahren. Dazu ein spanisches „San Miguel“, importiert von  den Kanarischen Inseln gegenüber, wunderbar.  Wir brauchen gute Gründe, uns mal wieder aufzuraffen und die Stadt zu verlassen. Wie zum Beispiel den wöchentlichen Großmarkt in Goulmime, einer Kleinstadt sechzig Kilometer landeinwärts. Mein Moped parke ich im großen Durcheinander vor den Toren des Marktes. Lastentaxis warten auf Kundschaft, Polizisten und sonstige Sheriffs versuchen, das Chaos zu minimieren. Auf einer Freifläche gegenüber werden von zahlreichen Lastautos Stroh- und Heuballen „en gros und en detail“ herunterverkauft, die Leute befüllen ihre rostigen Geländewägen und Pickups. Auch mir wird  Stroh angeboten, kann man ja immer gut gebrauchen. Innerhalb der Tore preisen Händler ihre Waren aller Art über rückkoppelnde Mini- Lautsprecher an. Laufburschen mit Handkarren fabrizieren komplizierte Staus, wir kaufen unbekannte Früchte im kunstvoll geflochtenen Wegwerf- Stanitzel und Erdbeeren. Feilgeboten werden auch Popcorn und schachtelweise Küken, eingefärbt in allen Farben des Regenbogens. Was bunte Küken auszeichnet, konnte ich nicht herausfinden. Am Areal unterhalb steht Vieh in kleineren Herden zusammen oder einzelne Tiere liegen reglos mit zusammen gebundenen Hufen am Boden. Stiere mit vor Furcht geweiteten Augen werden verladen, Ziegen meckern, ein Kamel flankiert schützend sein Fohlen. Die Tiere sind alle herausgeputzt und durchgekämmt. Ein Treiber erzählt, er kommt mit seiner Ware aus dem südlich angrenzenden Mauretanien. Irgendwann wird Ena von Unbekannt mit einer halben Mandarine beworfen. Ob aus Zuneigung oder Feindseligkeit bleibt uns verschlossen und deshalb cruisen wir weiter in die nahe Oase „Tighmert“. Schon in der Stadt fragen wir mehr als zehn Einzelindividuen und eine Gruppe Männer nach dem Weg, Aussprache und Betonung sind wieder gefragt. „Tighmert?“ „ Tichmert?“ „Tickmert?“ „ Tiiiigmrt?“ „Tgmrt?“ „Häää?“ „Äääh?“ Wir haben ja Zeit. Die Oase erfüllt dann erfreulicherweise alle bekannten Klischees. Inmitten unendlicher Steinwüste  tun sich Palmen auf und dazwischen Behausungen wie kleine, etwas unförmige Festungen. Wie riesige Sandburgen mit Türmen, Mauern und Zinnen aus mit Stroh vermischtem Lehm geformt. Kleine, bunte Vögel schauen uns beim Kaffee trinken zu. Den geführten Wüsten- Trip muss „Brahim“ aber mit wem anderen machen, die Preisgestaltung erweist sich als unverschämt. Und für uns wird´s Zeit, uns langsam gen Norden aufzumachen, die Gefährtin nimmt in einer Woche von Casablanca weg den Flug heim.                                 

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