Dienstag, 28. Januar 2020

28.1., von Koh Phayam nach Chiang Mai

Abflug. Aeow und Cha machen noch winke winke am Pier, während das Speedboot auf wahnsinnige Geschwndigkeit beschleunigt. Wieviele Gäste die wohl schon so verabschiedet haben im Laufe der Jahre. Noch ein Abstecher zum stinkenden Fischmarkt in Ranong, Rochen, Haie und Barracudas schauen, dann setze ich mich ab nach Chiang Mai, während Roman und Bambam nach Bangkok weiterfahren. 
Das ganze Land trägt Mundschutz. Die Reise dauert den ganzen Tag. Kalt isses im hohen Norden! In Relation, versteht sich. Mein angesteuertes Guesthouse ist verwaist, erst nach einem Weilchen findet sich ein vollgepeckter Thai mit Tellern in den Ohren und gibt mir ein kleines Zimmerchen mit Ventilator und Matratze am Boden. Parkett zwar inside, aber das Häusl am Gang.
Im Cafe gegenüber sitzt Peter, ein in Tschechien geborener, in Neuseeland lebender und jetzt mit seinem Patienten in Thailand Urlaub machender Pfleger. Sein Schutzbefohlener sitzt im Rollstuhl und ist ein Punk, hockt den ganzen Tag mit Gleichgesinnten beim Wirten und gibt sich die Kante, bis er irgendwann abgeholt und bettfertig gemacht werden möchte. Bis dahin essen Peter und ich in deren Domizil, einem achteckigen Holzhaus, Phat Thai, dort wohnt er im kakerlakenverseuchten Soutterain, ober ihm der Punk. Nach Mitternacht spaziere ich heim durch die ruhige Nachbarschaft, hier gefällt´s mir.
27.1., Koh Phayam
Der dümmste Frosch der Insel ist bei mir eingezogen. Als ich des Nächtens aufs Häusl gehe, springt er ohne jede Not von der Tür auf meinen Unterschenkel. Ich mache panisch auf Shakin´Stevens und werfe ihn ab, in der Früh wiederholt sich das Szenario.
Auch Bambam hat es nicht leicht, sie schaut aus wie ein Streuselkuchen. Irgendetwas verträgt sie nicht. Als ich, zurück in Wien, vor einigen Jahren mit dem gleichen Ausschlag zur Hautärztin ging und sie fragte, was das denn sein
könnte, meinte sie mit entwaffnender Ehrlichkeit: "Woher soll ich denn das wissen?"
Balkonien also für die Aussätzige, während Roman und ich uns massieren lassen. Meine Dame drückt mir am Rücken herum, dann fragt sie: "Inside aua?" Ich auf gut Glück: "Inside no aua." Sie: "Inside no good!", dann drückt sie mir mit Vehemenz ein Wimmerl oder was auch immer aus. Meine Achselhaare passen ihr auch nicht und einige Ohrenborsten reisst sie mir ebenfalls aus, dann konzentriert sie sich wieder auf das Wesentliche. Insgesamt eine sensationelle Behandlung. Die Masseuse trägt einen roten Mundschutz, vielleicht wegen der allgemeinen Aufregung, die dem Seuchenausbruch
in China geschuldet ist. Aeow glaubt tatsächlich, daß die Krankheitserreger schon durch bloßes Anschauen übertragen werden können und fühlt sich unwohl wegen der chinesischen Gäste im Resort nebenan. Speiben muss sie auch, aber daran ist wieder einmal der gestrige Tequila schuld.
Abschließend noch ein Konzert im Freedom. Man stelle sich vor: Gandalf in schwarzer Trainingshose mit weißen Streifen und Badeschlapfen spielt den Funk wie einst James Brown, nur halt auf Thai. Ein versteinerter Bassist mit bunten Sonnenbrillen, ein Farang am Saxophon, der Hammer.

Sonntag, 26. Januar 2020

19.-26.1., Koh Phayam
Roman und Bambam kommen an und mit ihnen ein guter Grund, die Hängematte für ein Weilchen zu verlassen. Von 0 auf 100 in drei Sekunden, Phönix aus der Asche, die Auferstehung reloaded. Graf Dracula, wenn die Blunze angeschnitten wird. Die haben sie zwar nicht im Gepäck, dafür andere Leckerlis für mich. Ich tausche fortan Vollkornbrot, Bergkäse und Fitzesrollen gegen das Wissen um die besten Cocktails, insbesondere Krüge voller extrascharfer Bloody Mary mit sauren Gurken, das Navigieren zu den schönsten Spots für epochale Sonnenuntergänge, zu den besten Massagen oder den schärfsten Wirten. Bei einer
ausgewanderten Russin zum Beispiel werden gerade in großen Tontöpfen mit Hilfe von glosenen Kokosnussschalen Wildschweinteile geräuchert. Im Saithong gibt´s Mango
mit Reis, beim Stelzenwirt die beste Entensuppe.
Jeden Abend tuckert der mobile Eismann auf seinem Moped den Strand entlang und verkauft hausgemachtes Süßkartoffel- oder Kokoseis, vorher schmiert er noch süßen Sticky Rice in das Stanitzel. Alles wunderbar, aber ab und an verweigert dann die Verdauung ansatzlos ihren Dienst. Dann ist zügige Heimfahrt angeraten,  weil die Kacke sprichwörtlich am Dampfen. Wen soll man künftig boykottieren? Verdächtig sind alle, ärger als im Orient Express.
Ein dreitägiges Festival in der Rasta Baby Bar direkt am Strand. Under the influence stampfen wir zu Liedern in den tiefen Sand, die uns daheim schon Ohrenbluten verursachen würden. Stop that train, Stand by me, Redemption song. Eine aus Bambus gebastelte Bühne, ein entfesselter Pirat am Keyboard, ein völlig bekiffter Insulaner mit seligem Silberblick, der sich über Stunden nur mehr an seiner Djembe festhält, statt sie zu spielen. Am Horizont die beleuchteten Fischerboote
 und über uns die Sterne.
Dinge wiederholen sich. Ich kämpfe schon wieder mit hartnäckigem Dreck im Auge und nach einer Spülung in der kleinen Sanitätsstation bin ich für zwei Tage als
Einäugiger unterwegs. Schon wieder fallen dreißig Bullen auf der Insel ein, wie die Pfadfinder mit dem Speedboot eingetroffen und ausgeschwärmt auf der Suche
 nach dem Verbrechen, als da wären:
Auf dem Festland gestohlene und hierher verschiffte Mopetten, Drogen, Burmesen ohne Aufenthalts-/Arbeitsgenehmigung, betrunkene Kapitäne und Taxler. Helle Aufruhr allenthalben. Illegale Burmesen werden in Rumpelkammern versteckt, Lokale geschlossen. Ein Frosch flüchtet in meine Klomuschel, eine gigantische Kakerlake in mein Bett.
Oder eine Kajaktour in die Mangroven, noch schöner, als ich sie in Erinnerung hatte. Eine seit vielen Jahren nur halb fertig gebaute Brücke dient als Orientierungshilfe für die richtige Einfahrt. Die Dorfheinis dort ziehen sich noch immer mittels Seilen und Körben über das Wasser und warten auf das Wunder der Fertigstellung. Von dort folgen wir dem Kanal, bis die Hauptschneise immer verwinkelter und enger wird, bis sich die Bäume über uns schließen, bis es irgendwann nicht mehr weiter geht. Hier stinkt es schon heftig. Eine dicke, schaumige Grindschicht bedeckt das Wasser und wir fürchten uns vor
herabfallendem Ungeziefer. Perfektes Timing dank einer im Saithong ausgehängten Tidentabelle. Mit dem steigenden Wasser paddeln wir rein, mit dem Einsetzen der Ebbe lassen wir uns wieder raus aufs Meer treiben.
Übermorgen werden wir drei gemeinsam die Insel verlassen. Roman und Bambam legen noch ein paar Tage in Bangkok ein, ich nehme nach knapp vier Wochen Insel-Auszeit den Flieger von Phuket nach Chang Mai im Norden Thailands

Montag, 20. Januar 2020

11-18.1., Koh Phayam

More of the same, eine ganze Woche lang. Elektronische Musik bei Vollmond, aufgelegt von einer Thailady, die es irgendwie schafft, daß ihr die zahlreichen Silberzähne wunderbar stehen. Die Dranglerin Cecilia, der abstinente Basti und ich schauen kreisende Adler bei der hoch oben am Berg gelegenen Eagle Bar, unterhalb steht auf einer Lichtung das ärmliche Dorf von ehemaligen Seenomaden. Regelmäßig schwingen wir auch das Frisbee am Long Beach. Vor zwei Jahren sind hier nach
Einbruch der Dunkelheit vom Meer her Soldaten in kleinen, unbeleuchteten Booten eingefallen und haben im Zuge einer Razzia an die dreißig Thais und Westler verhaftet. Die wurden dann mehrere Tage lang eingesperrt. Hauptsächlich wegen des Besitzes von Gras, in Thailand noch immer kein Kavaliersdelikt.
Die Gäste des Saitong- Resorts geben es gesitteter.  Wir kaufen uns ein Büschel Kratomblätter von einem alten Insulaner, die sollen mild energetisierend wirken. Affengleich fressen wir die bitteren, fleischigen Blätter und warten auf subtile Beschleunigung. Das schickt sich vielleicht auch nicht wirklich, aber dem Vernehmen nach stört man sich nicht weiter daran.
Ich ziehe um und belege eine Hütte weiter vorne am Hang. Blick aufs Meer, eine milde Brise, viel besser. Nachbar Ulli hat tolle Geschichten auf Lager von Orten, an denen ich auch schon war, von ihm allerdings bereist in den Siebziger Jahren. Unterwegs auf Versorgungsschiffen statt im Billigflieger, wohnhaft beim Missionar oder dem Häuptling statt im chicken Bungalow. Statt selbstgemachtem Brot und Lassis gabs wochenlang Reis, Wasserspinat und kleine, transparente Fische mit penetrantem Ammoniakgeschmack. Da freue ich mich umso mehr über burmesischen Salat mit eingelegten Teeblättern oder für mich schon wieder exotisch
gewordenes Erdäpfelpüree. Dazwischen geht mir wie gehabt der Sprit aus. Cha´s Dschungelgurke braucht Unmengen davon, obwohl sie ohnehin permanent abstirbt.
Aeows Geburtstag feiern wir in großer Runde, ich lasse die Massage einer Ahnungslosen bei chinesischer Fahrstuhlmusik über mich ergehen, nehme an einem Charity-Essen für australische Koalabären teil, kein Witz.
Geboxt wird auch wieder. Kinder, Frauen, das letzte Aufgebot. Gänzlich unbeschwert von Technik oder Taktik decken sich die Kontrahenten wie bei einer Wirtshausschlägerei mit Tschinellen oder Faustwatschen ein. Ein Kämpfer verteilt wilde, verzeifelte Schwinger wie dereinst Bud Spencer, begleitet von
kurzatmigem Schnaufen, daß der Mundschutz schon nicht mehr im Mund bleiben will. Dazwischen kriecht er als ewiger Verlierer beim innig umarmten Gerangel öfter am Boden herum, als daß er steht oder davon läuft. Ewig zieht sich der Abend hin. Die Pausen zwischen den Kämpfen wollen kein Ende nehmen, damit von den Gästen vielleicht doch noch ein paar Bierchen mehr getrunken werden. Die Gegner des nächsten Showdowns sitzen unterdessen nebeneinander auf Plastikstühlen und üben sich in angestrengter Contenance. Ich gehe noch vor dem Hauptkampf. Auch das Gecko-Ei lasse ich in der alten Hütte zurück, da geht ebenfalls nichts weiter.

Sonntag, 12. Januar 2020

.-10.1., Koh Phayam
 
Ein kurzes Update der letzten Tage, zerstochen niedergeschrieben wie jedes Jahr um diese Zeit und die verbleibenden Vorräte an Antihistaminsalben ängstlich schwinden sehend. Es hilft alles nichts. Schon unmittelbar nach dem Aufstehen hülle ich mich in nicht den Temperaturen angemessenes Textil und bedenke die freiliegende Resthaut mit übelriechendem Insektenschutzmittel, trotzdem mehren sich die Stiche.
Liege ich so im Bett herum, das Moskitonetz und der Ventilator versehen ihren Dienst, beisst mich zum Beispiel etwas Unsichtbares in die Armbeuge. Nichts, keine Ameise, keinen Floh kann ich ausmachen und für den prompt wachsenden Riesendippel zur Rechenschaft ziehen. Unsichtbare Feinde, endemische Einzeller einer fehlgeleiteten Evolution zwingen mich dazu, bei Affenhitze langhosig und auch am Balkon unter einem Moskitonetz kauernd mein Dasein zu fristen.
Tagaktive Gelsen stechen routiniert durch die Socken bevorzugt auf die Knöchel und möchten fallweise ihre Dengue-Erreger anbringen. Ins Wasser gehe ich ohnehin nur in Notfällen und dann nur für Sekunden, dort lauert aquatisches Ungeziefer.
Was für ein Leben. Deren, meines ist ansonsten wunderbar.
Sonst nicht viel Neues. Staplerfahrer Jürgen und seine Lady mit brummender Lee Marvin-Stimme sind angekommen. Er spricht in schwer verständlichem Werner
Beinhart- Dialekt und lebt daheim in einem kleinen Holzcontainer, während der Wintermonate chillt er hier. Sonst noch Ulli und Basti und wie sie alle heißen, ärger als auf Malle.
Ein monströser, furchteinflössender Hundertfüssler unterbricht nur kurz die Beschaulichkeit des Tages. So groß wie die Spanne zwischen meinem ausgestreckten
Daumen und dem kleinen Finger. Cha wischt ihn schnell mit einem Besen von der Ziegelsäule, die er auf seiner Flucht hochjagt, schafft es höchst vorsichtig,
das mit dem Besen fixierte Viech in eine Plastikflsche zu sperren. Für gewöhnlich bringt der friedliebende Hausherr eingefangene Ratten, Schlangen und
sonstige Unruhestifter nicht um, sondern entlässt sie in der Nähe des Blue Sky, eines Luxusresorts weit weg von hier, wieder in die Freiheit. Soviel Bosheit
hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Diesmal übernehme ich die Verbannung, das Brachland über der Straße oben reizt meinen Aktionsradius schon aus und muß genügen.
Die Inselfauna hat wenig Berührungsängste. Ein Arbeiter wurde unlängst, glaubt man den Gerüchten, von einer Schlange gekillt, im Hinterland des Resorts
hocken Käutzchen und Hornbills in den Bäumen. Der angefütterte Affe wird wohl bald einen Stein kassieren, bewarf er uns doch mit zunehmender Dreistigkeit
erst mit den Schalen der ihm dargereichten Bananen, beim letzten mal schon Aeows Schwester mit einer Kokosnuss.
Wie immer, wenn ich nicht an Arbeits- oder Öffnungszeiten gebunden bin, stellt sich vermehrte Nachtaktivität ein. Dann lese ich, für Party bin ich
meistens zu alt. Verschwende einen Tag und eine Nacht an ein Machwerk mit Namen Der Insektensammler, von Travelex aus Bosheit oder Anspruchslosigkeit empfohlen,
werde vielfach entschädigt durch den grandiosen Reisepoeten Andreas Altmann, von Travelex ebenfalls vor ein paar Wochen zurückgelassen.
Die Volleyball-Profis mit ihrem Netz und Bällen sind weitergezogen, jetzt spiele ich ab und zu mit Thais. Die haben zwar nicht viel Ahnung, aber sehr viel
Spass.
Ein elektronischer Abend in der Siam Disco lässt sich nicht vermeiden. Aeow kommt mit einer Flasche Tequila und ist in Feierlaune. Der Fusel schmeckt noch
genauso ekelhaft wie vor gefühlten zehn Jahren, als ich mich das letzte mal zu ihm habe hinreissen lassen, der folgende Tag nur verschwitzte Apathie. Billard
mit einer unlängst hier gestrandeten Barbesitzerin aus Koh Samui. Hat alles verkauft und um den Erlös hier investiert, ich bin der einzige Gast. Spielen kann
sie erwartungsgemäß. Die zwei erledigten Tische hat sie mitgebracht und kennt deren spezielle Topographie. Nebenan muß ein versklavter Makake in Ketten Kokosnüsse ernten.
Nichts rührt sich im Gecko-Ei.

Dienstag, 7. Januar 2020

7.1., Koh Phayam

Heute reist die Gefährtin ab, viel zu früh. Als ob das Kapital nicht ein Weilchen ohne sie auskommen könnte. Setzt sich ins Speedboot, ein Thai in zerrissenem Shirt und Schlapfen drückt den Hebel runter und weg ist sie. Früher, als alle noch mit dem Slowboat fuhren, konnte man sich noch auf ein Bier zum Hafenwirten setzen, auf den Steg zurückkommen und zum Abschied weiterwinken, jetzt fetzen die Abreisenden wie auf Kanonenkugeln gen Horizont. Da deren Seele nach neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnissen so schnell gar nicht mitkommen kann, sitzen sie dann entseelt daheim, ärgern sich, wenn wer bei der Millionenshow gewinnt, und wundern sich.
Während Ena also nach Bangkok hetzt, um sich noch schnell Anzüge, Blusen und andere Berufskostümierung schneidern zu lassen, gilt es für mich, zur Wahrung meines ausgeglichenen monetären Haushalts downzusizen. Das ist ein sehr modernes Wort und jeder, der es nicht versteht, ist hoffnungslos altmodisch und darüber hinaus tendentiell unmäßig. Ab jetzt nur mehr kaltes Wasser in einer billigeren Hütte weiter hinten am Areal und statt dem ferrariroten Luxusmoped der letzten
Tage die abgefackte Dschungelgurke von Cha, bei der ich in bester Rallyemanier bergab gleichzeitig bremsen und Gas geben muss, damit der Motor nicht abstirbt und es mich in dann finsterster Finsternis der finsteren Nacht nicht auf die Gosche haut. 
Wässrige, wie mein Sparbuch einlagenlose Suppe esse ich, damit ich länger etwas von ihr habe, fortan nur mehr mit Stäbchen und erhole mich entsprechend langsam vom bisherigen, doch an mir gezehrt habenden Dasein als ausgehaltener Toy Boy.
Ich gehe segeln mit Rüdiger, dessen Name keinen Zweifel an seiner Herkunft lässt, und Peter aus Stockholm. Der schlüpft noch in eine Art wattierte Kochschürze mit Karabinern und Schnallen dran, um sich später irgendwo einzuhaken und sich dann auf einem der jetzt aus dem Wasser ragenden Rümpfe des Katamarans weit hinauszulehnen, während ich wie einst ein Fass Sauerkraut, gegen Skorbut bei den stinkenden Seefahrern eingelagert, orientierungslos an Deck herumrolle und die Wellen über mich hereinbrechen. Da wird es auch bei über dreißig Grad Hitze kalt bei Fahrtwind im Schatten des großen Segels. Kurz vor Koh Chang, ich sehe schon das beschlagene Dosenbier der Strandwirte in der Sonne blitzen, drehen wir um. Für Rüdiger, Besitzer des Bootes und im Brotberuf Segellehrer am Bodensee, ist nur der Weg das Ziel.
Vom Meer aus sehe ich auch die beschnittene Hippiebar, ein Schatten ihrer selbst. Der aus Schwemmholz aufwendig einem Schiffsrumpf nachempfundene Aufbau wurde angeblich vom Chef persönlich abgerissen, der zunehmende Andrang von gaffenden und fotografierenden Touris sei ihm auf die Nerven gegangen. Jetzt stechen nur mehr die Kinderverbotstafeln ins Auge. So jedenfalls wurde mir die Geschichte von einem österreichischen Pärchen beim Volleyball spielen erzählt, noch nicht verifizierter Insel-Gossip. Mehr passiert heute nicht, auch mein Gecko-Ei verhält sich unauffällig.
 
6.1., Koh Phayam

Ein Obstteller voller paradiesisch süßer Früchte, Eier und Gemüse mit selbstgebackenem Brot für uns, eine Kokosnuss für den mittlerweile schon recht unverschämten Affen am Dach, die er mit seinen Zähnen abschält wie unsereins vielleicht einen Pfirsich. Der hominide Homie hat zwar nur ein paar Zahnräder in der Birne am Laufen, aber dafür reichlich Kraft im Kiefer.
Die Süße und ich setzen die gestrige Erkundungstour fort. Ein glänzend neuer, sicher zehn Meter hoher Bau mit überdachter Plattform, auf die man sich im Falle eines weiteren
Tsunamis retten soll. Ein dieselbetriebenes Kraftwerk, das seit kurzem die gesamte Insel durchgehend mit teurem Strom versorgt, ein schlaues Wasserreservoir zur Vermeidung von Engpässen während der Trockenheit hinter der Big Tree Road. Die frisch gerodeten Flächen für geplante Kautschuk-Monokulturen müssen fortan wohl auch bewässert werden.
Kleine Seeadler ziehen ihre Kreise über uns, die wir mittlerweile in der naheliegend Eagle Bar benannten Hütte hoch oben am Hügel Einkehr machen und mit Dr. Alban im Ohr und Blick auf das kleine, recht schäbige Dorf der Sea Gipsies am äußersten Rand der Insel einen Mangosaft schlürfen, allumfassender Müßiggang. 
Vor dem Abendessen darf es dann ein Bloody Mary im Middle Village sein, ein Tip der sich auf der Insel wahnsinnig gut auskennenden Berlinerin Cecilia. Eine mit einem Thai-Rasta liierte Russin kredenzt den göttlichen Tomatensprit mit sauren Gurkensticks und mysteriösen Blättern dazu im Krug, Roggenbrot und nach russischer Sitte eingelegte Karotten und Sauerkraut hat sie auch im Angebot.
Frisbee schmeissen am Long Beach bis zum Sonnenuntergang, ein rotes Curry im Resort.
Wer möchte so etwas lesen, während ihm daheim die
Frostbeulen aufplatzen? Ich entschuldige mich dafür, ihr Deppen. Solange ich nichts Interessanteres zu berichten habe, werde ich, während ich auf Phayam weile, nur mehr fallweise posten.

5.1., Koh Phayam

Cha überreicht mir ein Gecko-Ei in der Größe eines Tic Tac, das werde ich die nächsten Tage betreuen. Draufsetzen und brüten oder es in sonstigen Körperfalten warm halten muß ich aber nicht, warten und mein Ungeborenes vor Fressfeinden schützen genügt vollauf. Andererseits quartiere ich heute ein
Ameisenvolk mit Eiern im Gepäck auf Herbergsuche unsanft mit dem Besen aus. Wie ein launischer Inselgott entscheide ich über Leben oder Tod.
Ein Kolibri wachelt mir Luft zu, während ich im Garten eine Kokosnuss schlürfe, dann begebe ich mich wieder in mein Domizil am Hang. 
Wie schön ist es in dieser Hütte. Aus dem Bett schaue ich aufs Meer, es weht ein laues Lüftchen, die Botanik raschelt. Stille, wenn nicht gerade ein Vogel zwitschert. Dann wagt es ein retardierter Affe doch tatsächlich, aus seiner verlausten Urwaldfavela in meinen Herrschaftsbereich zu klettern. Auf der Suche nach abstaubbaren Gütern reisst er unreife Jackfruits ab, aus denen man leckeres Curry hätte machen können, frisst unreife und saure Mangos in sich hinein und verzieht dabei schaurig seine Primatenvisage, bis ihm Cha ein paar Bananen füttert. 
Affen und ich, wir werden keine Freunde mehr. Erst vor ein paar Wochen wurde ein Arbeitskollege von einem Makaken in Indonesien grundlos in den Rücken gebissen, der wartet heute noch, daß die Inkubationszeit für den Ausbruch von Tollwut und anderer schauriger Krankheiten endlich abgelaufen ist.
Wir sitzen beim Wirten an der Straße und essen Roti. Überwiegend alte Säcke und Familien mit ihren Ablegern fahren auf ihren Rollern vorbei. Manche Resorts sahen sich
schon genötigt,  ein Betretungsverbot für Kinder einzuführen und mittels Schildern zu verlautbaren.
Nach Sonnenuntergang finden sich draußen am Meer die Garnelenfischer ein und erleuchten mit ihren Locklichtern den Horizont, und wir fahren ins Freedom zu einem Konzert. 20.000 Baht muß man als Ausrichter derartiger Veranstaltungen mittlerweile an die Bullen abdrücken, das sind immerhin über sechshundert Euro. Man behilft sich mit Eintrittsgeldern und geschmalzenen Preisen. 
Der Barmann sieht aus wie der Depp im Fluch der Karibik, die Thaiband spielt ausgezeichnet mal jazzig, dann fast psychedelisch, dann wieder kommerzig. Ein zweihundert Kilo-Mann spielt auf einem elastischen blauen Abwasserrohr wie auf einem Didgeridoo, wobei er selbst der eigentliche Klangkörper ist. Dazwischen üben sich Kinder in einer Feuershow und versengen sich die Haare.
4.1., Koh Phayam

Wie immer hat sich während der letzten Jahre einiges getan auf der Insel. Viele Straßen werden gerade verbreitert, was wohl nichts anders bedeuten kann, als daß auch hier bald Autos fahren werden. Ein geschätztes, bislang unzugängliches Drittel Koh Phayams wurde erschlossen, es gibt zwei Jugendherbergen, Strom rund um die Uhr, Tank- und Geldautomaten. Einige Lokale sind verschwunden, dreimal so viele haben aufgesperrt. Am Longbeach wird noch immer Volleyball gespielt, die Sonne geht noch an gewohnter Stelle unter. 
Ein Mojito und dann einen scharfen Papaya-Salat, zum Dessert gibt´s Rüben- und Birnenmus. Allerdings nicht aus der Küche, sondern beim abendlichen Box-Happening im Middle Village. Ebenfalls ein neuer Schmäh auf der Insel, findet aber momentan nur alle heiligen Zeiten statt, also sind wir live dabei. 
Das Publikum ist eine ausgewogene Mischung aus Thais und Farangs, die Kämpfe bestreiten immer ein Einheimischer und
ein Burmese. Vor dem Kampf werden rituelle Handlungen ausgeführt, im Zuge derer die Kontrahenten tänzelnd und mit den Händen scheinbar den Boden aufwischend im Ring herumeiern, am Kopf ein geflochtenes Stirnband mit Auslegerbommel tragend. Es geht durchgehend hart zur Sache und einige überdenken ihre Berufswahlwohl noch einmal, während ihnen diverse Organe weichgeklopft werden. Traditioneller Singsang begleitet die Kämpfe, dazwischen erschallt übelster Bummbumm-Dancefloor.
Gute Stimmung allenthalben, Aeow und Cha kommen auch noch, nachdem sie die letzten Restaurantäste abgefüttert haben.
3.1., Myeik, Kawthaung,Ranong, Koh Phayam

Schilderungen zufolge durchdauerte ich die letzte Nacht auf dem Niveau einer katatonischen Schildkröte und konnte Anweisungen, wie zum Beispiel Platz für die hinteren Passagiere zu machen, um ihnen das Aussteigen zu ermöglichen, nur unter Abgabe von Grunzlauten und mit äußerster Langsamkeit nachkommen. Mir persönlich
fehlt jegliche Erinnerung daran, ich war damit beschäftigt, under the influence kosmische Raum-Zeit-Schleifen zu binden. Auch der morgendlichen Immigration-Rallye und dem Übersetzen über den Fluß zur thailändischen Seite kann ich noch nicht gänzlich folgen. 
In Ranong teffen wir kurz Mr. Pon, Urgestein aller Reiseangelegenheiten der näheren Umgebung und inoffizieller Landesmeister im Synchrontelefonieren, decken uns noch mit Vorräten und Devisen ein und setzen mit dem Speedboot über auf die Stamminsel Koh Phayam. Am neu gebauten Pier sitzt zufällig das Betreiberpaar Aeow und Cha am Weg nach Ranong, und die haben noch eine Hütte für uns frei.
Schnell ein Moped für die nächsten Tage gemietet, Anbieter gibt es mittlerweile genug, eingecheckt und im Liegestuhl am Strand das erste, halbgefrorene Leo-Bier geschlürft. Die Berlinerin Cecilia ist wieder da und Stammgast Rüdiger, stellvertretend für den neuerdings ungeheuerlichen Prozentsatz an Deutschen auf der Insel.
Ein gewisser Ben humpelt noch restzerschunden am Stock durch die Gegend und hat die erste Inselgeschichte parat. Vor zwei Wochen sei er auf Phayam angekommen, hätte sich hier am Strand betrunken und wäre des Nächtens vom Pfad zu seiner Hütte den Hang hoch vom Weg abgekommen. Es handelt sich hierbei um eine Distanz von rund fünfzig Metern, wohlgemerkt. Barfuss und nur mit einer Unterhose bekleidet fand er sich alsbald in sehr steilem Terrain voller spitzer Felsen wieder, sich an glitschigen Pflanzen festhaltend, um nicht abzustürzen, was ihm aber nur für kurze Zeit gelang. Dann lag er mit kaputtem Knöchel im Dreck und schrie eine Stunde lang um Hilfe, wurde auch von einer thailändischen Anrainerin gehört, die es erst nach längerem Zuwarten schaffte, ihren Bruder, einen Polizisten, anzurufen. Bis der eintraf, hatte Ben schon zu schreien aufgehört, und die Thais kamen überein, daß der Störenfried zwischenzeitlich wohl schon verstorben und eine nächtliche Nachschau somit nicht mehr notwendig wäre. Ben robbte zum Strand, harrte dort in Todesangst bis zum Morgengrauen aus, schwamm lädiert und von Sandfliegen
zerbissen quasi ums Eck zum heimatlichen Strand und begab sich in ärztliche Betreuung. Eine wunderbar absurde Geschichte zum Einstieg, ich hoffe auf viele weitere.

Sonntag, 5. Januar 2020

2.1., Myeik

Während in der Heimat mein großherzig verliehener Fuhrpark in eine übergroße Ziehharmonika verwandelt wird, cruise ich hier auf einem Moped mit vorne montiertem Einkaufskorb herum. Vielleicht blüht mir dieses Schicksal schon bald auch daheim, ich hoffe das Beste. Das Ticket für die abschließende Gewalttour bis zum südlichsten Ende des Landes, von wo wir per Boot nach Thailand übersetzen werden, holen wir uns direkt am Busbahnhof. Die wichtigsten Sachverhalte können am 
> "Schalter" nonverbal dargelegt werden, daß wir Minivans hassen, weil permanent wer zu-oder aussteigt, rauchen, essen, kotzen, aufs Klo gehen, etc. will, daß  ich groß bin und Beinfreiheit einfordere und ähnliches. So wird auch für Unterhaltung gesorgt, angewandtes Activity.  Bis abends um 18.00 bleibt noch Zeit. Wir fahren zunächst zu einer Schiffswerft außerhalb der Stadt. Deren Namen hat uns ein Einheimischer auf klingonisch auf unseren Plan gekritzelt und wir finden die Baustelle tatsächlich nach unter zehn Befragungen von Passanten unterwegs. Der Portier am Bambusschranken winkt nur freundlich, am Gelände liegen abseits riesige Haufen mit Schrott, Holzabfällen, vermorschten Schiffsteilen, Bauholz in Form von sehr dicken Baumstämmen, ein Vorrat an Schiffsschrauben und Motoren etc., während mittig am Areal an rund zwanzig großen, eingerüsteten Holzkähnen gebaut oder repariert wird. Brachial geht´s hier zu, die verdreckten Hackler sind voll dabei. Über ein Schienenkonstrukt werden die fertigen Boote irgendwann zu Wasser gelassen, aber heute nicht. Mopeds mit langen Auslegestangen, auf denen kopfüber Hühner montiert sind, ausgetrocknete, faulige Flußbetten mit Müll und Resten von Booten, auf einem alten Bagger spielende Kinder, qualmende Traktoren mit überladenen Heufuhren am Weg zum größten Fischmarkt der Stadt, wo der Fang direkt von den Schiffen ankommt,  aussortiert und verkauft wird. Rundum verarbeiten lärmende und stinkende Fabriken Beifang und was auch immer zu Fischmehl. Die Bewohner der umliegenden 
Ghettobehausungen haben es nicht leicht. Am Markt selbst werden täglich Tonnen an Fisch umgeschlagen, darunter kapitale Rochen, Schwertfische, Barracudas, säckeweise
winzige Muscheln und andere Viecher. Ein Typ führt uns enthusiastisch herum und deutet auf dies und das, spricht aber kein Englisch.  Irgendwann hocken wir dann im Kleinbus, es ließ sich nicht vermeiden, um die dreizehn Stunden für vierhundert Kilometer Fahrt über übelstes Terrain warten.  Schon relativ bald schieße ich mich mit Rum und einem guten Schluck Diazepam aus dieser Dimension und der kurz darauf einsetzende Filmriss tangiert fortan nur mehr meine treu über mich wachende Begleiterin, doch dazu in Bälde mehr.

Samstag, 4. Januar 2020

1.1., Myeik
Phwe Phwe oo holt uns pünktlich um 7.30 vom Hotel ab, mit ihr als Tourguide und sechs Einheimischen werden wir heute einen der zwei vom Staat freigegebenen Standardausflüge machen. Daß ihr Name für Westler einen linguistischen Linkswalzer darstellt, weiß sie schon, wir dürfen sie entsprechend der englischen Übersetzung Snow nennen. Die Burmesen saufen schon und versorgen uns mit Süßigkeiten, während wir mit den Speedboot durch Kanäle entlang von Mangrovenwäldern fetzten.
Mitten in den Archipel steuern wir, um nach knappen zwei Stunden an einem flachen Riff etwas herumzuschnorcheln. Trotz massiver Besucherzahlen aufgrund des überschaubaren Ausflugsangebots erfreuen sich die Korallen und Anemonen guter Gesundheit. Der Grund hierfür liegt am glücklichen Umstand, daß die Besucher allesamt nicht schwimmen, gechweige denn abtauchen können. So geben sich die Burmesen zwangsläufig damit zufrieden, vollständig bekleidet und in ihren Schwimmwesten oder Rettungsringen an der Wasseroberfläche herumzutreiben, manchen genügt es gar, an Bord verbleibend Maske und Schnorchel zu tragen, um den
Hauch des Abenteuers zu atmen. Getrübt wird mein Badespaß lediglich durch Kotz- und Benzinschlieren, verursacht von einer Ausflüglerin bzw. einem verstopften und deswegen mehrmals durchgespülten Benzinfilter eines Außenbordmotors.
Nächster Halt: Smart Island, dreißig Minuten Aufenthalt. Sandstrand auf der einen Seite, nach fünfminütigem Marsch durch den Wald Kiesstrand auf der anderen Seite. Während dem monströsen Mittagessen auf einer weiteren Insel werden Ena und ich von den restlichen Teilnehmern separiert und bekommen einen eigenen, abseits gelegenen Tisch zugewiesen, was mir etwas seltsam vorkommt, aber bitte. Tintenfisch, Shrimps mit Ananas, grüne Bohnen, ein gegrillter Fisch,
Gemüsesuppe, Reis, Wassermelone, eine Kokosnuss dazu-wir fühlen uns wie das First Couple dieses Inselreiches. Ich verschlinge standesgemäß unmäßig Teller um Teller, nur bei den Krabben muß ich passen. Die wenigen essbaren Teile sind mit dünnen, schalenartigen Wänden durchzogen, die kleinen Füße
kann ich weder aussaugen noch aufbrechen, ohne daß sich überall Splitter davon verteilen. Und was ist diese grüne Sauce mittendrin? Halbverdautes, Gedärm, Kacke, Dressing? Schade um die Viecher bei mir. Den Ausflug ins Dorf der Moken, auch Sea Gipsies genannt, sparen wir uns. Ich habe zur Unterstützung meiner Verdauung ohnehin auf rein lebenserhaltendes Notprogramm geschaltet und die Gefährtin erinnert das Ganze auch eher an einen Besuch im Zoo. Seltsam jedenfalls die Traditionen dieses Stammes. Um die Verbundenheit mit dem Meer als Lebensraum zu festigen, werden Neugeborene zum Beispiel zwei Minuten unter Wasser
gedrückt, bei der Kindersterblichkeit sind die Moken somit ganz vorne dabei. Nächster Programmpunkt: Ein kleiner Wasserfall, der sich über eine senkrechte Wand direkt in Meer ergießt. Zum kleinen natürlichen Pool auf sechs, sieben Metern Höhe muß man über spitze Steine und eine steile Leiter klettern. Dort oben nehmen einige, auch unsere Snow, ein ausgiebiges Bad mit reichlich Shampoo und Seife. Muß der Mokenheini, der unten mit seinem Hausboot so wie fast alle Anrainer seines Stammes auf die Möglichkeit wartet, hier seine Süßwasserreserven aufzustocken, halt ein paar Stunden warten, bis das Wasser wieder trinkbar ist. Oder er klettert weiter hoch über den Pool oder kann das Wasser gleich als Abwaschwasser verwenden, so spart er sich das Geschirrspülmittel. Zum Abschluß der Tour bleiben wir noch bei einem liegenden Buddha stehen, der mit seinen fünfzig Metern Länge gegen den Riesen von letzter Woche freilich ziemlich kümmerlich daherkommt, aber wir geben uns dennoch begeistert, und alles in allem war´s ein sehr schöner Trip. Wieder zurück in der Stadt ist die abendliche Luft gewohnt schlecht, jetzt verbrennt jeder seinen Müll. Trotzdem raffen wir uns noch auf zum kurzen Spaziergang, der zur Nachtwanderung ausartet. Zweimal abgebogen, schon befinden wir uns orientierungslos auf unbefestigter Straße neben einer lärmenden Fabrik. Weitergeirrt, in einem kleinen Dorf mit
Stelzenhäusern gelandet, das irgendwann einmal von der Stadt geschluckt wurde. Bellende und knurrende Hunde zeigen uns zumindest, wo wir nicht gehen möchten. Wir beide wurden schon von einem gezwickt, allerdings war das ein bereits als Welpe adoptierter Straßenhund eines Kanadiers, der sich eher einen Spaß daraus gemacht hat, Fremde zu ärgen.

Donnerstag, 2. Januar 2020

31.12., Myeik
Zum Frühstück gibt´s auch hier Reis und Nudeln in allen Spielarten, auch kleine Klumpen Süßspeisen werden aufgewartet. Ein schleimig-weiches Teil erinnert in seiner Konsistenz und im Geschmack entfernt an aufgekochten alten Kaugummi oder ausgerauchten Klostein, der Rest schmeckt gut in Richtung Baklava oder geschnittener Kompaktmarmelade. Auch heute cruisen wir herum, obwohl die Honda vorne schon bei langsamer Fahrt ganz schön ins Flattern kommt. Manchmal verirren wir uns planlos im stark befahrenen Straßengewirr und brauchen ewig, bis wir uns wieder irgendwie orientieren können, das daheim noch heruntergeladene Offline-Navi hängt sich permanent auf, dann sind wir wieder auf der Suche nach nützlichen Dienstleistern. Einem Schneider zum Beispiel, der für Ena ein paar Businessanzüge nach Maß anfertigen soll. Da könnte sie auch gleich einen bügelfreien Raumanzug ordern. Wir haben hier noch keinen einzigen Typen im Einserzwirn gesehen, geschweige denn eine Frau, und die Sprachbarriere tut das ihrige zum Scheitern der Mission. Erfolgreicher hingegen ist die Suche nach Kokosnuss- und Maiskolbenverkäufern oder die Buchung einer Inseltour für morgen. Der Mitarbeiter spricht leidlich Englisch und wird von uns gleich schamlos mit Anfragen aller Art gelöchert. Wie kommen wir von hier weiter Süden? Wo sollen wir Sylvester feiern? Was geht sonst noch? Er zeichnet uns am Stadtplan einen Betrieb, in dem Vogelnester in Suppe verwandelt werden, ein, des weiteren eine Krabbenfarm, eine Kashewnüsse verarbeitende Firma und einen See. Keine
einzige der angeführten Attraktionen finden wir außer den See, den man wirklich nicht verfehlen kann. Entweder handelt es sich um sehr kleine Betriebe, oder die Navigationsfähigkeiten der Gefährtin am Sozius sind leise zu hinterfragen.
Die Sylvesterfeier im Rooftop-Restaurant des Grand Jade-Hotels im neunten Stock ist wunderbar. Eine Band spielt auf und gibt neben einheimischen Mitgrölhits auch zwei, drei internationale Songs zum Besten, wobei deren Texte zwar enthusiastisch, aber größtenteils falsch in den nächtlichen Himmel geplärrt werden. Aus we could have had it all wird we could you as it all und ähnliche Sprachschöpfungen. Das Publikum ist jedenfalls hin und weg. Wo kein Kläger, da kein Richter. Alle saufen Bier und Whiskey und sind beseelt, ein paar Raketchen erhellen das Meer unter uns und ein laues Lüftchen weht. Weiter ziehen wir und lustwandeln die Strandstreet entlang, wo kleinere Grüppchen vor Autos mit übersteuertem Dancefloor abtanzen. Auch hier sind schon alle dicht und einige der sonst eher zurückhaltenden Burmesen fordern aktive Teilnahme an den Leibeswindungen wenn nicht gar Verbrüderung ein. Kurz vor Mitternacht ereilt Ena dann ein apokalyptisches Unwohlsein und pünktlich zum Countdown befinden wir uns auf einer Transport-Beiwagenmaschine und fahren die Küste entlang Richtung Homebase.
Nicht der längste, aber sicher auch nicht der schlechteste Jahreswechsel, den ich bis jetzt hatte.