Montag, 22. Dezember 2025

 21.12., Sal

Action-Day heute, endlich wieder. Mit einem um ein Heidengeld angemieteten Moped düsen wir zum Olho Azul nach Baracona, einem abrupt im Meer erkalteten, schwarzen Lavastrom. Laut einem Warnschild ist es den Besuchern untersagt, bei niedrigem Wasserstand in den natürlich entstandenen, sehr großen Pool zu springen. Niemand bei klarem Verstand würde es ohnehin wagen, das zu tun, die Menschen stehen nur ehrfürchtig am Rand des Bassins und staunen. Innerhalb von drei Sekunden steigt das Wasser in diesem Becken um geschätzte sieben Meter, sobald sich die nächste Welle mit weißschäumendem Getose darin ergießt. Was für ein grandioses Schauspiel. Außerdem soll man am Gelände keine Fische ausnehmen und es unterlassen, irgendwo abzustuhlen, symbolisiert mit einem dampfenden Kackhaufen mit Fliegen oben drauf. Warum muss man so ein Schild überhaupt aufstellen? Das Besucherzentrum mit ansprechenden sanitären Anlagen ist keine fünfzig Meter entfernt. 

Chaotisch verlaufen Pisten in alle Himmelsrichtungen durch eine weitläufige sandige Ebene, manchmal mit Steinen oder halb eingegrabenen Autoreifen markiert, meistens aber nicht. Busse und Pickups mit Touristen auf der Ladefläche stauben die Gegend zu, bis wir im Landesinneren nach Norden abbiegen, dann sind wir ganz allein. Ab und zu ragt wie ein gigantisches Wimmerl auf der Ebene ein Vulkan empor. In einer surrealen, schwarzen  Mondlandschaft aus Lava erreichen wir nach ein paar Kilometern am nördlichen Ende Sals einen alten, schon vor langer Zeit in sich zusammengestürzten  Leuchtturm, daneben die Überreste eines kleinen Steinhauses. Der Mensch, der einst hier gewohnt hat, muss fertig gewesen sein mit dieser Welt. In völliger Einsamkeit tost die Brandung und heult der Wind und sonst gibt es hier nichts und niemanden. Außer einer zerschmetterten Yacht in den Felsen, Zeugnis einer kleinen Katastrophe. 

Im Navi ist als Geländepunkt allen Ernstes eine Fata Morgana eingezeichnet und tatsächlich scheint in der flimmernden Landschaft ein See vor uns zu liegen, was sich bei näherer Betrachtung als Täuschung herausstellt. Ich wusste gar nicht, dass ein derartiges Trugbild ständig möglich ist, dachte eher, dass das Zustandekommen einer Fata Morgana von besonderen Luft- oder Bewusstheitszuständen abhängt. Wären wir durstig hier herumgelatscht, hätten wir sicher nicht gezögert, das vermeintliche Nass anzusteuern.

 Um zu tanken, nähern wir uns der Stadt Espargos vom Norden her über eine Staubpiste, die Funkanlage am Hügel weist uns schon von Weitem den Weg. Vereinzelte Verschläge auf freier Fläche zuerst, dann grobes Kopfsteinpflaster, dann Asphalt, schon sind wir mitten im urbanen Trubel. An der gleichen Stelle fahren wir nach dem Boxenstopp wieder raus, nach zweihundert Metern herrscht schon die totale Ödnis. Im Westen der Insel umrunden wir später einen sehr großen Vulkankrater. In ihm funkeln flächendeckend Salzbecken in der Sonne, die schon vor über zweihundert Jahren angelegt und bis heute genutzt werden. Das Meer ist nicht weit, das Salzwasser sickert durch das poröse Gestein an die Oberfläche und verdunstet anschließend, so in etwa der Prozess der Salzgewinnung. Über eine Seilbahn und eine mehrstöckige Verladestation aus Holz wurde es dereinst in die Welt verschifft, wovon heute nur mehr Ruinen und durch und durch vom Rost zerfressene Schiffswracks zeugen. Und nichts davon ist abgesperrt, man kann sich nach eigenem Gutdünken inmitten der scharfkantigen und einsturzgefährdeten Überbleibsel bewegen.

Oben am Berg betreten wir durch einen  Tunnel  den Krater, wo sich mehrere Besucher in einem der Salzbecken suhlen. Deren Schweiß und sonstige auskristallisierte Körperflüssigkeiten kann sich dann der Gourmet, der Fleur de Sel dem gemeinen, jahrmillionenalten Bergsalz ohne Mikroplastik und sonstigem Dreck vorzieht, aufs Butterbrot streuen. 

Etwas weiter südlich fahren wir an einer Bucht vorbei, wo man Zitronenhaie streicheln könnte. Wir folgen lieber der Küste entlang schmaler Pisten und trockener Flussläufe. Stunden vergehen, einsame Buchten tun sich auf, Wracks liegen im seichten Wasser und das Terrain wird härter. Geländekanten, kleine Schluchten und Steinfelder zwingen uns immer wieder zu Umwegen, bis wir vollständig vom Weg abkommen. Ena muss ab jetzt absteigen und zu Fuß nach einer Passage suchen. Hundert mal mindestens setzen wir heute mit dem Rahmen auf, wenn wir uns mühsam übers Geröll plagen. Ein Wunder, dass das Moped diesen Trip überlebt und wir schon bei Einbruch der Dunkelheit zwar staubig und von der Sonne verbrannt, aber ohne Patschen die asphaltierte Verbindungsstraße erreichen. Herrlich die Dusche und köstlich das Bier später, ein wunderbarer Ausflug.


Keine Kommentare: