Montag, 11. Januar 2016



10.1., Santa Clara, Varadero
Vorbei am großen Bronzedenkmal und Mausoleum des Comandante El Che latschen wir schon früh am Morgen zurück zum Busterminal. Santa Clara ist so etwas wie das Mekka für die Verehrer Guevaras, der einst als argentinischer Arzt auf der Yacht Granma während der gescheiterten Landung in Kuba als einer von nur zwölf Revolutionärenlebend davon kam. Er befreite Santa Clara 1958 und wurde von Castro zum Industrieminister und Chef der Nationalbank ernannt, ehe ihm fad wurde und er 1966 eine Revolution in Bolivien anzettelte. 1967 killte ihn die dortige Armee mit dem Sanktus amerikanischer Berater und er wurde in einem Massengrab eingebuddelt. 1997 wurden seine Überrestenach Santa Clara überstellt, wo man sie jetzt anhimmeln kann.
Nur durch üppige Bestechung aller anwesenden und geschlossen korrupten Mitarbeiter gelingt es uns, doch noch einen Bus nach Varadero zu ergattern, von wo wir übermorgen zurückfliegen werden und knappe vier Stunden dauert´sdann noch, bis wir ein Quartier aufgetan haben. Alles schwer überlaufen. Nach zwei Monaten im realen Kuba kommt das hiesige Flair eines geschützten und von der Außenwelt weitgehend isolierten Themenparks erst so richtig zur Geltung. Restaurierte Oldtimer-Cabrios fahren auf der Suche nach Kundschaft die Straßen auf und ab, viel Polizei, alles sauber und herausgeputzt. Wir fügen uns den Gegebenheiten und halten uns ans Flanieren und an Fastfood, herrlich. Noch zwei Tage in der Art und noch zwei Tage Rückreise mit einem Tag in Montreal und aus. Im winterlichen Kanada werde ich meinen Schwimmanzug  unter meiner kurzen Hose tragen. Wie Ihr wisst, ist mir meine einzige lange Hose einst im Hotel gefladert worden und es ist mir bei Strafe untersagt, öffentlich meine coole Clownhose auszuführen.
Ich empfehle mich bis zum Herbst. Adios, sombreros!


9.1., Guardalavaca, Santa Clara
Zwei Tschechen teilen sich mit uns das Taxi nach Holguin, von wo wir den staatlichen Viazul-Bus nach Santa Clara nehmen. Das Pissoir am Bahnhof erinnert an eine Tropfsteinhöhle und das Chaos beim Kartenverkauf mehr einer Evakuierung angesichts einer bevorstehenden Naturkatastrophe denn einer geordneten Abreise. Zwei fallen sich nach Aushändigung ihrer Fahrscheine überglücklich in die Arme, Ena entert den Bus auf der Suche nach Sitzplätzen wie einst Jack Sparrow die spanischen Galeeren. Nach zehn Stunden Fahrt erreichen wir endlich Santa Clara. Columbus dachte doch tatsächlich, er würde die Mongolei betreten, als er hier erstmalig anlandete, wir haben schon einen Stadtplan. Am zentralenParque Vidal hat sich die halbe Stadt versammelt und surft im Netz oder flaniert unter den ausladenden Bäumen. Ziegenböcke ziehen Kinder auf Leiterwagen um den Platz und Ena, die dafür schon zu alt ist, bekommt zum Trost ein Eis.


8.1., Guardalavaca
Ein paar Stunden am nachbarlichen Strand noch, bevor wir das Moped zurückgeben, ein kapitalerBarracuda als Höhepunkt des Schnorchelstreifzuges.Den Mitarbeiter der Verleihbude erwischen wir um drei Uhr gerade noch, als er sich bereits daran macht, in den nur seiner Meinung nach wohlverdienten Feierabend zu entfleuchen. Die offizielle Öffnungszeit bis Sieben kümmert ihn dabei genauso wenig wie unser vereinbarter Rückgabetermin oder der Verfall unserer hinterlegten Kaution, hätten wir das Moped vor den verschlossenen Toren von Cubacar abstellen müssen. Was für ein arbeitsscheues Gesindel. Am Hausstrand später stinkt unbeachtet eine angeschwemmte Muräne vor sich hin, während die Einheimischen den Rum direkt aus der Flasche trinken und wir uns glücklich über einen Teller Pommes statt dem allgegenwärtigen Reis mit Bohnen hermachen. Ein streitbarer Kalifornier mit zusätzlicher portugiesischer Staatsbürgerschaft sorgt bei ein paar Cubata-Cocktails auf einem Hang über dem Meer noch für ausreichend Diskussionsstoff, während wir den Tag beschließen. Er schimpft auf die Mexikaner, die er selbst am Bau als Hilfsarbeiter einstellt, ist stolzer Waffenbesitzer und Verfasser eines antifeministischen Blogs. Zwei Berliner schließen sich dem beschwingten Meinungsaustausch unter Sternen an.

Freitag, 8. Januar 2016



7.1., Guardalavaca
Die Frage nach frühmorgendlicher Nahrungsbereitstellung entlockt unserer Vermieterin nur ein müdes Lächeln. Die einzige, die sich hier noch die Mühe macht, den Touristen ein Frühstück hinzustellen, ist Madame „O“, wohnhaft im ersten Stock eines Plattenbaus ums Eck. Keine Ahnung, was das für ein Name sein soll, Hauptsache, es gibt endlich wieder Eier und Kaffee. Dann könnten wir eigentlichaufbrechen zu den östlichen Stränden, würde das Moped nicht schon wieder den Geist aufgeben. Das Trumm, in das der Benzinfilter eingebaut ist, saftelt aus und die Tauschaktion dauert ein Weilchen. Der Mechaniker transferiert sogar mittels Saugschlauch den von uns randvoll getankten Sprudel in den Tauschhobel. Natürlich tut er nur so als ob und lässt vielleicht ein Achterl rüber laufen, den Rest wird er sich, alten Traditionen folgend, freudig für sein eigenes Moped einrexen. Sobald wir Guardalavaca hinter uns lassen, tut sich im Osten eine herrliche hügelige Kulturlandschaft auf und ein Weilchen später liegen wir schon am gänzlich einsamen Playa Puerto Rico. Nur ein vorbeikommender Fischer bedenkt uns mit einem Stück eingesalzenem Fisch, dann macht er sich wieder an die Arbeit. Sein kleines Boot hat er sich aus Styroporteilen zusammengebastelt. Alt werden wir hier trotz der Idylle nicht. Zu viele Sandfliegen ärgern uns und sogar die normalen Fliegen beißen herzhaft zu. Der fünf Kilometer lange, entlang der Küste verlaufende Zufahrtsweg zum Strand besteht stellenweise aus tiefem Sand. Als mich eines der Viecher auf der Rückfahrt in den Hals beißt, nehme ich kurz eine Hand vom Lenker und schlage nach ihm. Das Moped gerät ins Taumeln und als ich schon denke, ich hätte es gerade noch abgefangen, haut es uns bei überschaubarer Restgeschwindigkeit in den Dreck. Ich bin meine schlechten Fahrkünste ja schon gewohnt aber die glücklicherweise unversehrt gebliebene Holde ist doch etwas angeflasht und  das bisschen Blut meines aufgeschürften Knies bringt sie knapp an den Rand der Ohnmacht. Beim nächsten Wirten lecke ich meine Wunden und später meine fettigen Finger, der Fisch hier war zum Trost ganz ausgezeichnet. Eine Kokosnuss für Ena, vor uns das Meer und sonst nichts. Ein Einheimischer nützt die Gunst der Stunde und verkauft uns zwei Packerl handgedrehte, rustikale und spottbillige Zigarren. So mancher Trickser verwendet nur für das Deckblatt echten Tabak und für das Innere lediglich getrocknete Bananenblätter, aber der Typ hier scheint in Ordnung und seine Zigarren machen ebenfalls einen ganz passablen Eindruck. Er ärgert sich erstaunlich offen über Raul Castro, seit dessen Machtübernahme das tägliche Leben für die Kubaner erheblich teurer geworden ist. Der Reis kostet jetzt dreimal so viel, gefischt werden darf eigentlich nur mehr am Wochenende und für seine früher kostenlosen Medikamente muss er jetzt einen Kostenbeitrag bezahlen.


6.1., Guardalavaca
Einige Erledigungen stehen an. Wasser und Brot kaufen, ein Ticket für die letzte Fahrt zurück nach Varadero  aufstellen, jemanden finden, der zumindest ein Häferl Kaffee im Angebot hat, einen Computer mit Internetzugang ausfindig machen, ein Moped mieten. Das alles dauert zermürbende sieben Stunden, Schmäh ohne. Am Nachmittag fahren wir endlich nach Westen und finden inmitten der weitläufig angelegten, für die Allgemeinheit gesperrten Bettenburgen doch noch zwei öffentlich zugängliche Strandabschnitte. An einem von ihnen veranstalten wir unser letztes Picknick mit ofenfrischem Brot und den verbliebenen Resten heimatlicher Geschmacksjuwelen. Wurst und Käse in Kuba sind eine sehr, sehr traurige Angelegenheit und das was vorgibt, Butter zu sein, kann stundenlang völlig unbeschadet und anschließend noch immer bissfest bei fünfunddreißig Grad in der Sonne stehen. Nach zwanzig Kilometern drehen wir wieder um. Der Norden ist fest in pauschaler Hand, das Hinterland monoton und langweilig. Die schäbige Plattenbausiedlung, in der wir wohnen, ist weit und breit der gastlichste und freundlichste Ort inmitten der seelenlosen Resortbunker und ich bin mittlerweile sehr froh, dass wir hier gelandet sind. Zum Strand gehen wir einmal über die Straße und queren noch eine Wiese, das dauert fünf Minuten. Dort braten sich Kubaner am mitgebrachten Griller Fleisch ab und wir chillen in der Hängematte, während irgendwo ein Ghettoblaster wummert. Aus der Bäckerei am Eck duftet es nach frischem Brot. Leute stellen sich in aller Ruhe vor einem verbeulten Verschlag an, aus dem heraus Gemüse verkauft wird und haben nichts dagegen, dass wir mit unseren drei Gurken schnell dazwischen bedient werden. Jeder grüßt, jeder kennt jeden. Am Abend zirpen die Grillen, während wir am vollvergitterten Balkon sitzen und die Leute dabei beobachten, wie sie entspannt durch die Gasse schlendern oder ein Schwätzchen halten. Nur der Frisör ist verhaltensauffällig. Sitzt mit seinem Bartschneider arbeitslos in der Wiese herum, ein Kabel vom nächsten Geschäft versorgt ihn mit Strom, sein Inventar besteht aus einem Sessel und sonst nichts. Verlangt der doch glatt fünf Cuc für seine Dienste, ich als Tourist bräuchte mich gar nicht über den Wucherpreis aufzuregen. So ein Schädel! Und wenn mir die Rotzbremse bis zum Kinn runter hängt, das zahle ich nicht.Mit den drei Argentiniern, die sich das Zimmer neben uns teilen, gehen wir schon wieder Fisch essen, das wird nicht fad.