Sonntag, 3. Januar 2016



2.1., Baracoa
Die Stadt ist von Touristen überlaufen und es dauert heute ein Weilchen, ein Quartier für uns drei zu finden. Danny der Koreaner wird sich unserer kleinen Selbsthilfegruppe für die nächsten Tage anschließen, alleine als Asiate in Kuba unterwegs hat er es nicht immer leicht. Seine Schlitzaugen sichern ihm nicht erwünschte Aufmerksamkeit und er wird ständig nach Strich und Faden beschissen. Die Suche nach Leihmopeds bringt mich an den Rand der Verzweiflung. Mindestens zehn von ihnen stehen am Parkplatz eines Hotels bereit aber das dazugehörige Personal ist auf Dauer untergetaucht. Alle Büros sind trotz anderslautender Öffnungszeiten geschlossen und die Flüchtigen auch über das staatliche Informationsbüro nicht ausfindig zu machen. Na ja, es sei immerhin Wochenende, was wir uns denn vorstellen würden? Die wären wohl irgendwo mit ihrer Familie am Feiern. Der nicht mehr sehr freundliche Hinweis, dass man als touristischer Dienstleister genau zu diesen Tagen verfügbar sein sollte, prallt auf Unverständnis. Seit Tagen befinde ich mich in einer Gemütsverfassung, in der ich im Zehnminutentakt irgendeinem Kubaner in die Gosche hauen könnte. Leider geht das genauso wenig, wie ich auch die Affen im Zoo nicht herbirnen kann, nur weil sie beschränkte Deppen sind. Der Kubaner wurde halt sozialistisch systemisch dahin konditioniert, ein fauler, unzuverlässiger, schlampiger und gleichzeitig größenwahnsinniger Zeitgenosse zu sein. Nicht, dass die meisten von ihnen nicht freundlich und herzensgut wären, aber am freien Markt würde Kuba umgehend untergehen wie eine Kackwurst im Wasserklosett. Am Nachmittag schließlich gelingt es uns, einen Fahrer samt Auto anzuheuern, mit dem wir zum Fluss fahren. Trotz mehrfach gefaltetem Tuch vor dem Mund ist der Trip auf der offenen Rückbank des Geländefahrzeuges der Horror. Der Auspuff dürfte nur mehr ein besseres Sieb sein, wir werden hier hinten bei lebendigem Leib abgasgepökelt. Eine kurze Auszeit von den bisherigen Ärgernissen und Unzulänglichkeiten bietet die beschauliche Fahrt im Ruderboot hinein in die tiefe Schlucht mit ihren senkrecht abfallenden Felswänden. Von hier haben sich dereinst unzählige Ureinwohner in den Tod gestürzt, um der Versklavung durch die Spanier zu entgehen, der Name der Schlucht, Yumuri, bedeutet frei übersetzt „Ich sterbe“. Von den hier sich einst tummelnden Iguana-Echsen und meterlangen Schlangen ist nicht mehr viel geblieben. Alles wird gejagt und gegessen. Ein Fischer verkauft Kokosnüsse mit natürlichem Strohhalm und Danny erzählt unglaubliche Geschichten über den täglichen Wahnsinn knapp an der Grenze zu Nordkorea, während wir durch die Stille gleiten und ab und zu ein Fisch neben uns aus dem Wasser springt. Scharmützel an den Grenzen mit phantomähnlichen Superninjas, regelmäßig entdeckte Invasionstunnel, unfreiwillig auftauchende, feindliche U-Boote, nordkoreanische Spionageflugzeuge aus Holz. Hunderttausend kommunistische Spezialhoschis an der Grenze in ständiger Bereitschaft versetzen die Südkoreaner zusaetzlich in ständige nervöse Anspannung.  Unser Guide weiß auch von unglaublichen Zuständen zu berichten. Alle Kühe und Pferde des Landes sind staatliches Eigentum und entsprechend gekennzeichnet. Jeder eingetretene Todesfall muss den Behörden unverzüglich gemeldet und der Kadaver daraufhin vergraben werden. Oft exhumieren die Menschen nach Abzug der zuständigen Beamten das Viech, um das begehrte Fleisch doch noch verwerten zu können. Das Töten einer Kuh wird in Kuba mit zwölf Jahren Gefängnis geahndet. Ein schneller Abstecher noch zum Meer und dann bei Einbruch der Dämmerung wieder heim. Ich bin wegen der Abgase kurz davor, aus den Latschen zu kippen, als wir endlich wieder Baracoa erreichen. An der Strandpromenade spielen im Rahmen der Neujahrsfeierlichkeiten Nachwuchskünstler auf, es gibt frittiertes Hendl mit Bananenchips und Pina Coladas um fünfundzwanzig Cent. Andere Touristen bringen uns transporttechnisch auf den letzten Stand. Die für uns freigegebenen Busse sind bis Ende nächster Woche ausgebucht, die Inlandsflüge bis März. Danny verfällt, er muss in vier Tagen in Havanna seinen Flug erwischen.

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