Sonntag, 3. Januar 2016



29.12., La Mula
Bevor ich das Moped zurückbringe, richten wir uns noch mitsamt dem Gepäck an der Hauptstraße ein. Wir hoffen auf irgendein Auto, das uns mitnimmt. Während der drei Stunden, die wir dort warten, fahren nicht mehr als zehn Fahrzeuge vorbei. Von denen bleiben auch die meisten stehen, aber keines fährt weiter als bis zum übernächsten Dorf, das sind heiße fünf Kilometer. Bleibt nur noch eines der vor unserem Hotel wartenden Taxis. Der stolze Fuhrlohn wird sich aber rückwirkend als durchaus berechtigt herausstellen. Während wir, um den verbleibenden Sitzplatz des Uralt-Ladas auszunützen, entlang des Weges noch diverse Mitfahrer einsammeln, arbeiten wir uns langsam aber zunächst noch sicher vorwärts. Bei einem der insgesamt drei uns entgegenkommenden Autos versichert sich unser Fahrer noch, ob die Verhältnisse weiter östlich auch noch akzeptabel seien, dann kriechen wir schon entlang zweier mittlerweile unbrauchbar gewordener Tunnel  über provisorisch aufgeschüttete Pisten unmittelbar neben dem Wasser entlang. Die klaustrophobischen Röhren sind teilweise verschüttet, deren Ein- und Ausfahrten durch den letzten Hurrikan vollständig weggebrochen. Rechts von uns schwappen die Wellenauf die Fahrbahn und der Lada sitzt, weil er zu wenig Bodenfreiheit hat, über mehrere Meter auf dem Geröll auf, aus dem die schmale Piste besteht. Ein Lkw kommt uns glücklicherweise erst gegen Ende der Umfahrung entgegen, wo ein Ausweichen wieder einigermaßen möglich wird. Extreme Steigungen und einfach weggebrochene und ins Meer gestürzte Fahrstreifen würzen die Fahrt, bis wir schließlich im Campismo in Mula ankommen. Hier erwarten uns ausgehungerte Gelsen und einheimischeAusflügler. Schweine und Hunde lustwandeln durch die etwas verwahrloste Campinganlage. Ein Deutscher, der mit dem Fahrrad von Santiago her unterwegs ist, übernachtet hier auch. Grund für unseren Zwischenstopp ist das Wrack der Cristobal Colon, eines 1898 gesunkenen spanischen Kreuzers, der wenige Gehminuten von hier nur dreißig Meter von der Küste entfernt in lächerlichen fünfzehn Metern Tiefe liegt. Das Schiff wird als Relikt des spanisch-amerikanischen Krieges als Kubas bedeutendstes Wrack unter Wasser geführt und mit unserem Schnorchelzeug sollten wir auch von der Oberfläche einen ganz guten Blick darauf werfen können. Ein Mitarbeiter des Campingplatzes bringt uns zu der nicht im Ansatz ausgeschilderten Stelle und deutet über beängstigende Brecher, die sich dröhnend gegen die tief eingeschnittene Küstenlinie werfen, auf einen unbestimmten Punkt draußen im Meer, dort müssten wir hin. Ob das Unterfangen wegen der hohen Wellen etwa gefährlich sei? Si Si, peligroso, sagt der Typ und verzieht keine Miene dabei. Dann trollt er sich und lässt uns ganz allein zurück an diesem rauen, düsteren, fantastischen Strand. Die Gischt der Wellen taucht die aus schwarzem Gestein bestehende Bucht in einen leichten Nebel. Es klingt wie Donnergrollen, wenn die rundgelutschten, kopfgroßen Steine den durch die Brecher gebildeten Hang zurück ins Meer kullern, nur um mit der nächsten Welle wieder hochgedrückt zu werden.Mir geht ohnehin der Reis und die Stimme der Vernunft, natürlich die der Holden, erinnert mich noch an meine kürzliche Einlage mit dem abgerissenen Zehennagel und daran, dass ich generell dazu neige, mich in fragwürdigen Situationen über die Maßen blöd anzustellen. Schnorcheln also gestrichen, ist besser so. Ewig schade. Zum Trost lassen wir uns, in Respektabstand sitzend oder liegend, von den Ausläufern der Walzen umspülen und gelegentlich ein paar Meter herumwutzeln. Das Wasser hat durch die Wucht des Anpralls Blasen gebildet und wir sitzen inmitten eines riesigen weißen Schaumbades. Als die Sonne schon am Untergehen ist, leeren wir Hände voller kleiner Kieselsteine aus unseren Badehosen und beschließen den Tag gemeinsam mit dem Deutschen beim Campingwirten, bis die kubanische Landjugendebendort eine formidable Musikanlage aufbaut und sich mit ein paar Flaschen Rum bei wie immer viel zu lauter Musik daran macht, zügig betrunken zu werden.

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