29.12.,
La Mula
Bevor
ich das Moped zurückbringe, richten wir uns noch mitsamt dem Gepäck an der
Hauptstraße ein. Wir hoffen auf irgendein Auto, das uns mitnimmt. Während der
drei Stunden, die wir dort warten, fahren nicht mehr als zehn Fahrzeuge vorbei.
Von denen bleiben auch die meisten stehen, aber keines fährt weiter als bis zum
übernächsten Dorf, das sind heiße fünf Kilometer. Bleibt nur noch eines der vor
unserem Hotel wartenden Taxis. Der stolze Fuhrlohn wird sich aber rückwirkend
als durchaus berechtigt herausstellen. Während wir, um den verbleibenden
Sitzplatz des Uralt-Ladas auszunützen, entlang des Weges noch diverse Mitfahrer
einsammeln, arbeiten wir uns langsam aber zunächst noch sicher vorwärts. Bei
einem der insgesamt drei uns entgegenkommenden Autos versichert sich unser
Fahrer noch, ob die Verhältnisse weiter östlich auch noch akzeptabel seien,
dann kriechen wir schon entlang zweier mittlerweile unbrauchbar gewordener
Tunnel über provisorisch aufgeschüttete
Pisten unmittelbar neben dem Wasser entlang. Die klaustrophobischen Röhren sind teilweise
verschüttet, deren Ein- und Ausfahrten durch den letzten Hurrikan vollständig
weggebrochen. Rechts von uns schwappen die Wellenauf die Fahrbahn und der Lada sitzt,
weil er zu wenig Bodenfreiheit hat, über mehrere Meter auf dem Geröll auf, aus
dem die schmale Piste besteht. Ein Lkw kommt uns glücklicherweise erst gegen
Ende der Umfahrung entgegen, wo ein Ausweichen wieder einigermaßen möglich wird.
Extreme Steigungen und einfach weggebrochene und ins Meer gestürzte
Fahrstreifen würzen die Fahrt, bis wir schließlich im Campismo in Mula ankommen.
Hier erwarten uns ausgehungerte Gelsen und einheimischeAusflügler. Schweine und
Hunde lustwandeln durch die etwas verwahrloste Campinganlage. Ein Deutscher,
der mit dem Fahrrad von Santiago her unterwegs ist, übernachtet hier auch.
Grund für unseren Zwischenstopp ist das Wrack der Cristobal Colon, eines 1898
gesunkenen spanischen Kreuzers, der wenige Gehminuten von hier nur dreißig
Meter von der Küste entfernt in lächerlichen fünfzehn Metern Tiefe liegt. Das
Schiff wird als Relikt des spanisch-amerikanischen Krieges als Kubas
bedeutendstes Wrack unter Wasser geführt und mit unserem Schnorchelzeug sollten
wir auch von der Oberfläche einen ganz guten Blick darauf werfen können. Ein
Mitarbeiter des Campingplatzes bringt uns zu der nicht im Ansatz
ausgeschilderten Stelle und deutet über beängstigende Brecher, die sich
dröhnend gegen die tief eingeschnittene Küstenlinie werfen, auf einen
unbestimmten Punkt draußen im Meer, dort müssten wir hin. Ob das Unterfangen wegen
der hohen Wellen etwa gefährlich sei? Si Si, peligroso, sagt der Typ und
verzieht keine Miene dabei. Dann trollt er sich und lässt uns ganz allein
zurück an diesem rauen, düsteren, fantastischen Strand. Die Gischt der Wellen
taucht die aus schwarzem Gestein bestehende Bucht in einen leichten Nebel. Es klingt
wie Donnergrollen, wenn die rundgelutschten, kopfgroßen Steine den durch die
Brecher gebildeten Hang zurück ins Meer kullern, nur um mit der nächsten Welle
wieder hochgedrückt zu werden.Mir geht ohnehin der Reis und die Stimme der
Vernunft, natürlich die der Holden, erinnert mich noch an meine kürzliche
Einlage mit dem abgerissenen Zehennagel und daran, dass ich generell dazu
neige, mich in fragwürdigen Situationen über die Maßen blöd anzustellen.
Schnorcheln also gestrichen, ist besser so. Ewig schade. Zum Trost lassen wir
uns, in Respektabstand sitzend oder liegend, von den Ausläufern der Walzen
umspülen und gelegentlich ein paar Meter herumwutzeln. Das Wasser hat durch die
Wucht des Anpralls Blasen gebildet und wir sitzen inmitten eines riesigen weißen
Schaumbades. Als die Sonne schon am Untergehen ist, leeren wir Hände voller
kleiner Kieselsteine aus unseren Badehosen und beschließen den Tag gemeinsam
mit dem Deutschen beim Campingwirten, bis die kubanische Landjugendebendort eine
formidable Musikanlage aufbaut und sich mit ein paar Flaschen Rum bei wie immer
viel zu lauter Musik daran macht, zügig betrunken zu werden.
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