1.1.,
am Weg nach Baracoa
Die
Straßen Santiago de Kubas sind noch um die Mittagszeit, bis wir endlich in die
Gänge kommen, wie leergefegt. Das mit dem Lkw wird heute nix, die fahren
scheinbar nur vormittags. Vor den Ticketschaltern am Busbahnhof stauen sich die
Leute, während die Angestellten hastig ihr Mittagessen aus Plastikschüsseln
essen, dann zeigt mir eine Kartentante die Gasse mit den Sammeltaxis. Die erste
Etappe auf der schmalen Querbank im offenen Kofferraum eines Amischlittens geht
noch ganz zügig voran. Eng isses und scharfe Kanten drücken ins Kreuz aber
immerhin. Uns gegenüber hat eine Frau noch zusätzlich eine Stereoanlage auf
ihrem Schoß. Ihre Fingernägel sind so wie die vieler kubanischer Damen extrem
gebogen, klauengleich verlängert und völlig maßlos mit allem möglichen
Schnickschnack verziert.
Neues
Jahr, neue Provinz. Den Bahnhof in Guantanamo erreichen wir am frühen
Nachmittag aber von hier geht’s nicht mehr weiter. Als Nichtkubaner haben wir
bei den Bussen für die Einheimischen die Gurke und alle abfahrenden Collectivos
fahren nur zurück nach Santiago. Wir verplempern Stunden. Irgendwann gesellt
sich noch Danny, ein Südkoreaner, dazu. Der absolviert Lateinamerika im
Schnellverfahren und hat für heute das gleiche Ziel wie wir. Die Klofrau
berichtet ihm vom ominösen „Punto de Baracoa“, einer Kreuzung außerhalb der
Stadt, an der wir uns besser postieren sollten, dorthin machen wir uns zu dritt
auf. Den ersten Kilometer per Pferdekutsche. Der Kutscher drischt wild auf
seinen verwahrlosten Klepper ein, als wir zur ersten Steigung kommen, dann
steigt er ab und stößt ihm mehrmals einen Holzstock in die Seite. Das Pferd
reagiert überhaupt nicht mehr auf die wütenden Schläge und Schreie, es taumelt
nur mehr den Berg hoch und ist schon mehr tot als lebendig. Anschließend
organisiert uns ein hilfsbereiter Typ im Handumdrehen drei Motorradfahrer. Er
hält einfach die erstbesten Vorbeifahrenden auf und für einen CUC pro Nase fahren
wir im Konvoi die restlichen Kilometer zu besagter Ausfallstraße. Dort stecken
wir wieder fest, bis sich Stunden später ein Bus einschleift, der uns zumindest
bis nach San Antonio, einer Ortschaft auf knapp halber Strecke, bringt. Niemand
der dort herumlungernden Gestalten kann uns eine klare Auskunft darüber geben,
ob hier heute noch ein Anschlussbus vorbeikommen wird, also warten wir wieder.
Nicht zu glauben, wie schlecht die Städte im Süden untereinander verbunden
sind. Das nicht weit entfernte Santiago ist immerhin die zweitgrößte Stadt des
Landes aber aus dessen Richtung kommt vielleicht alle fünfzehn Minuten ein
Fahrzeug vorbei. Es ist mittlerweile nach Zehn. Nirgends konnten wir bisher Wasser
kaufen. Ich fülle meinen leeren Magen mit einem trockenen Luftbrot, das Frühstück
ist schon lange verdaut. Auch der letzte Bus des Tages fährt ohne uns ab. Der
Fahrer fürchtet scheinbar den Zorn des mitreisenden Polizisten. Den beknien wir
auch noch, wir hätten hier keine Unterkunft und es wäre schon spät, er möge
doch in diesem Fall ein Auge zudrücken, aber der schaut nur blöd. Die Dorfgemeinschaft
verfolgt derweilen das Schauspiel vom gegenüberliegenden Park aus. Ein Typ
wittert seine Chance und stellt uns um gutes Geld doch noch die Klapperkiste
seines Freundes auf, der sich mit uns illegalerweise, da ohne Lizenz daran
macht, die spektakuläre Passstraße nach Norden zu bezwingen. Baracoa im
südöstlichsten Zipfel Kubas war bis in die 60er Jahre über viele Jahrhunderte
nur über das Meer zu erreichen, bis Fidel den Einwohnern zum Dank für ihre
Unterstützung während der Revolution diese Verbindung zum restlichen Festland bauen
ließ. Kurve um Kurve quält sich der Schrotthaufen im Schneckentempo nach oben.
Des Öfteren bleiben wir stehen, damit der Fahrer Kühlwasser nachfüllen kann.
Der mitfahrende, sehr sympathische Keiler fühlt sich unterdessen berufen, uns
zur Ablenkung alle auf seinem Handy verfügbaren Fotos zu zeigen. Er mit seiner
Familie, er im Schwimmbad, Freunde beim Essen. So spannend wie die Innenseite
meiner Hose. Dann noch Fotos eines Fußballers namens Ronaldo. Ronaldo im Anzug,
Ronaldo am Pool, Ronaldo mit goldenem Fußballbock. Ich will hier raus. Die sich
im Fahrzeuginneren sammelnden Abgase verschärfen die Lage noch zusätzlich. Weit
nach Mitternacht kommen wir endlich in Baracoa an. Während ich mir gemeinsam
mit dem Koreaner, der mir seine unendliche Freude und Dankbarkeit dafür, mit
uns reisen zu dürfen, beteuert, ein Bier genehmige, stellt Ena zumindest für
diese Nacht noch zwei Zimmer auf. Blunzen- und Spanferkelsandwich am
Hauptplatz, bötzn.
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