Sonntag, 3. Januar 2016



1.1., am Weg nach Baracoa
Die Straßen Santiago de Kubas sind noch um die Mittagszeit, bis wir endlich in die Gänge kommen, wie leergefegt. Das mit dem Lkw wird heute nix, die fahren scheinbar nur vormittags. Vor den Ticketschaltern am Busbahnhof stauen sich die Leute, während die Angestellten hastig ihr Mittagessen aus Plastikschüsseln essen, dann zeigt mir eine Kartentante die Gasse mit den Sammeltaxis. Die erste Etappe auf der schmalen Querbank im offenen Kofferraum eines Amischlittens geht noch ganz zügig voran. Eng isses und scharfe Kanten drücken ins Kreuz aber immerhin. Uns gegenüber hat eine Frau noch zusätzlich eine Stereoanlage auf ihrem Schoß. Ihre Fingernägel sind so wie die vieler kubanischer Damen extrem gebogen, klauengleich verlängert und völlig maßlos mit allem möglichen Schnickschnack verziert.
Neues Jahr, neue Provinz. Den Bahnhof in Guantanamo erreichen wir am frühen Nachmittag aber von hier geht’s nicht mehr weiter. Als Nichtkubaner haben wir bei den Bussen für die Einheimischen die Gurke und alle abfahrenden Collectivos fahren nur zurück nach Santiago. Wir verplempern Stunden. Irgendwann gesellt sich noch Danny, ein Südkoreaner, dazu. Der absolviert Lateinamerika im Schnellverfahren und hat für heute das gleiche Ziel wie wir. Die Klofrau berichtet ihm vom ominösen „Punto de Baracoa“, einer Kreuzung außerhalb der Stadt, an der wir uns besser postieren sollten, dorthin machen wir uns zu dritt auf. Den ersten Kilometer per Pferdekutsche. Der Kutscher drischt wild auf seinen verwahrlosten Klepper ein, als wir zur ersten Steigung kommen, dann steigt er ab und stößt ihm mehrmals einen Holzstock in die Seite. Das Pferd reagiert überhaupt nicht mehr auf die wütenden Schläge und Schreie, es taumelt nur mehr den Berg hoch und ist schon mehr tot als lebendig. Anschließend organisiert uns ein hilfsbereiter Typ im Handumdrehen drei Motorradfahrer. Er hält einfach die erstbesten Vorbeifahrenden auf und für einen CUC pro Nase fahren wir im Konvoi die restlichen Kilometer zu besagter Ausfallstraße. Dort stecken wir wieder fest, bis sich Stunden später ein Bus einschleift, der uns zumindest bis nach San Antonio, einer Ortschaft auf knapp halber Strecke, bringt. Niemand der dort herumlungernden Gestalten kann uns eine klare Auskunft darüber geben, ob hier heute noch ein Anschlussbus vorbeikommen wird, also warten wir wieder. Nicht zu glauben, wie schlecht die Städte im Süden untereinander verbunden sind. Das nicht weit entfernte Santiago ist immerhin die zweitgrößte Stadt des Landes aber aus dessen Richtung kommt vielleicht alle fünfzehn Minuten ein Fahrzeug vorbei. Es ist mittlerweile nach Zehn. Nirgends konnten wir bisher Wasser kaufen. Ich fülle meinen leeren Magen mit einem trockenen Luftbrot, das Frühstück ist schon lange verdaut. Auch der letzte Bus des Tages fährt ohne uns ab. Der Fahrer fürchtet scheinbar den Zorn des mitreisenden Polizisten. Den beknien wir auch noch, wir hätten hier keine Unterkunft und es wäre schon spät, er möge doch in diesem Fall ein Auge zudrücken, aber der schaut nur blöd. Die Dorfgemeinschaft verfolgt derweilen das Schauspiel vom gegenüberliegenden Park aus. Ein Typ wittert seine Chance und stellt uns um gutes Geld doch noch die Klapperkiste seines Freundes auf, der sich mit uns illegalerweise, da ohne Lizenz daran macht, die spektakuläre Passstraße nach Norden zu bezwingen. Baracoa im südöstlichsten Zipfel Kubas war bis in die 60er Jahre über viele Jahrhunderte nur über das Meer zu erreichen, bis Fidel den Einwohnern zum Dank für ihre Unterstützung während der Revolution diese Verbindung zum restlichen Festland bauen ließ. Kurve um Kurve quält sich der Schrotthaufen im Schneckentempo nach oben. Des Öfteren bleiben wir stehen, damit der Fahrer Kühlwasser nachfüllen kann. Der mitfahrende, sehr sympathische Keiler fühlt sich unterdessen berufen, uns zur Ablenkung alle auf seinem Handy verfügbaren Fotos zu zeigen. Er mit seiner Familie, er im Schwimmbad, Freunde beim Essen. So spannend wie die Innenseite meiner Hose. Dann noch Fotos eines Fußballers namens Ronaldo. Ronaldo im Anzug, Ronaldo am Pool, Ronaldo mit goldenem Fußballbock. Ich will hier raus. Die sich im Fahrzeuginneren sammelnden Abgase verschärfen die Lage noch zusätzlich. Weit nach Mitternacht kommen wir endlich in Baracoa an. Während ich mir gemeinsam mit dem Koreaner, der mir seine unendliche Freude und Dankbarkeit dafür, mit uns reisen zu dürfen, beteuert, ein Bier genehmige, stellt Ena zumindest für diese Nacht noch zwei Zimmer auf. Blunzen- und Spanferkelsandwich am Hauptplatz, bötzn.

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