29.,30.,31.12., Campeche, Celestun
Ein paar unerforschte Ecken in dieser kitschigen Stadt gibt es noch, die mir bei meiner ersten Visite vor rund einem Monat entgangen sind. Oben auf der Stadtmauer kann man lustwandelnd Campeche überblicken und die Glocke läuten, die einst das Kommen der Piraten verkündete, aber das dazugehörige Museum mit vielleicht zehn Quadratmetern ist eher ein Scherz. Eine Schaufensterpuppe im peinlichen Kindergeburtstags- Freibeuter- Outfit erwartet den Besucher und nicht viel mehr.
Next Stopp: Celestun, verschlafenes Küstenkaff westlich von Merida. Mitten auf der Straße schlafende Hunde am Weg dorthin müssen mehrmals umfahren werden, sie bleiben einfach liegen. Kinder, die in Lumpen Baseball spielen in Dörfern, die so ärmlich sind, daß sich Cecilie überhaupt weigert, hier irgendwo ein kleines Päuschen einzulegen. Generell ist das ganze Land ranzig. Jede Unterkunft, jeder Wirt, die Häuser, die Autos, mitunter die Menschen, alles ist mehr oder weniger grindig. Das Bettzeug müffelt, Schamhaare kleben in der Dusche, das Häusl rinnt und die Klobrille ist ausgerissen, die Fläschchen mit Sauce am Tisch sind verkrustet und verpickt. Und das bei einem Preisniveau, das sich nicht sonderlich von dem Österreichs unterscheidet. Ich wünschte, ich könnte positiver berichten, aber dann könnte ich ja gleich beim Lonely Planet als Schreiberling starten.
Wie üblich sieht es rund um Neujahr schlecht mit Unterkünften aus. Die erste Nacht verbringen wir in einer modrigen, vollverfliesten grünen Ausnüchterungszelle mit deprimierender zwanzig Watt-Birne.
Das unaufgeregte Celestun mit seinem durchschnittlichen Dorfstrand ist der Höhepunkt meiner beziehungsweise unserer mittlerweile über viertausend Kilometer langen Reise, zumindest wenn es um freien Zugang zum Meer geht. Ein paar Restaurants und Verschläge mit Plastiksesseln, einheimische Familien mit Kühlboxen und lauter Musik unter Palmen, Fischerboote im Sand. Frauen in Tracht verkaufen Selbstgesticktes und kaltes Kokoswasser. Eine Mole ragt ins Meer, von der aus Männer und Frauen ihre Angeln und Netze auswerfen. Wirklich nix Aufregendes, aber schon viel angesichts der schamlosen Privatisierung der vorhandenen Strandabschnitte zumindest auf der restlichen Halbinsel Yukatan.
Einen entbehrlichen Bootsausflug lassen wir uns aufschwatzen, damit Cecilie auch noch zu ihren Flamingos kommt. Die hocken vereinzelt auf Sandbänken und filtern rosa vor sich hin. Auf einem Felsen hocken noch Kormorane und Pelikane, so wie sie das überall anders auch tun. Durch die Mangroven gleiten wir und sehen Termitennester und rote Krabben und irgendwo ein Stückchen weiter blubbert´s ein bisschen im Meer, scheinbar eine Süßwasserquelle. Wir hätten soeben die Bundesstaatengrenze zwischen Campeche und Yukatan überquert, aha. Dann sollen wir uns an einer seichten Stelle zirka hundert Meter vor der Küste mit bläulichem Schlamm einschmieren. Hier hätten die Maya immer gebadet und der Dreck sei gut für die Haut. Bullshit. Sicher frei erfunden. Vielmehr könnte es sich hierbei um ein antikes Gemeinschaftsklo der Maya handeln, etwas abseits der Horde und ausgestattet mit praktischer Frischwasserspülung.
Heute endet das Jahr, aber viel merkt man nicht davon. Eine zur Feier des Tages anberaumte Achtelrallye scheitert schon nach dem zweiten Wirten, mehr geöffnete Lokale mit Alkoholausschank sind nicht auszumachen. Am Strand bemüht sich ein angeheuerter Saxophonspieler später redlich, die Restaurantgäste bei Laune zu halten, ein Ding der Unmöglichkeit. Rund um die elitären Tische der Feiergesellschaft dröhnen die Musikboxen der Einheimischen, kläffen die Hunde, zünden Kinder Raketen. Irgendwie schaffen wir es bis Mitternacht. An einem rauchigen Lagerfeuer singt eine ältere Lady zum Jahreswechsel stimmgewaltig und spielt die Gitarre, Menschen werfen vollgeschriebene Papierschnipsel ins Feuer.
Das neue Jahr. Ausschlafen, die Wunden der gestrigen Druckbetankung lecken. Rundum wird gekotzt, es klingt, als ob Frösche am See quaken würden. Später ein Pescado frito, Ena bekommt ihre Pancakes. Dazu einen Liter Ananassaft mit Spinat, Alk werden wir nie wieder trinken. Ein sonniger, schon wieder völlig ereignisloser Tag in Mexiko.