Freitag, 12. Januar 2024

 11.1., Corozal, Caye Caulker

Noch vor Sonnenaufgang latsche ich in dickem Nebel zum kleinen Pier. Um Sieben legt das kleine Boot, das dennoch 62 Passagiere fassen soll, ab. Während ich auf die Abfahrt warte, erzählt mir ein Mann in meinem Alter freimütig und unaufgefordert von seinem Leben. Früher hätte er mit seiner Frau Essen verkauft, dann wäre er nur mehr daheim geblieben und sehr dick geworden. Beinahe ertrunken wäre er, aber ein großer Mann hätte ihn zu einem Felsen gezogen und gerettet. Eine alte Frau aus Ecuador hätte ihm Yoga beigebracht. Ein bisschen Kirche, wenig Freunde, wenig Geld. Einmal, vielleicht vor zwanzig Jahren, wäre er auf San Pedro gewesen. Die Leute hätten am Strand getanzt und er war glücklich. Aber das war damals, seufzt er, und schaut aufs Meer in Richtung der Insel, dereinst als La Isla Bonita besungen von Madonna, als sie noch like a Virgin war.

Für mich ist sein Sehnsuchtsort nur ein Zwischenstopp am Weg nach Caye Caulker. Nach einem schnellen Eiersandwich mit unvermeidlicher Bob Marley- Beschallung hüpfe ich schon ins nächste Boot. Oft jammere ich, die Unterkünfte seien teuer, aber sechzig Euro für ein Bett im Schlafsaal, so das günstigste Angebot im Netz, sollen nicht unerwähnt bleiben. Durch schieres Glück ergab es sich gestern, dass ich in einem Hostel für fünfzehn Juros die Nacht unterkomme, hier werde ich ein paar Tage bleiben. Was treibt mich dazu, in einem Stockbett zusammen mit einem zahnlosen alten Engländer mit verwaschenen Häfmpeckerln und einem tschechischen IT-Nomaden zu nächtigen?

Legenden vom entschleunigten Leben ohne Schuhe und ohne Autos  im verschlafenen Fischerdorf am Ende der Welt. Diese Hoffnung wird sich in etwa so akkurat erweisen wie die im fernen Ausland propagierte  Mär von Menschen, die Sachertorte essend oder Geige spielend auf Lipizzanern durch die Wiener Innenstadt reiten. Golfwagerl knattern durch die Straßen und barfuß herumzulaufen ist auch nicht unbedingt empfehlenswert. Schon vor vielen Jahren hat die Partygesellschaft den Weg hierher gefunden und Glasscherben am Boden sind keine Seltenheit. Der Typ, der mir einen Seegraserdnussbananenmilchshake verkauft, hätte auch Kokain im Angebot und die örtliche Polizei versucht mittels großer Plakate die Gäste davon in Kenntnis zu setzen, dass sie sich auf dieser Insel nicht im rechtsfreien Raum befinden. Aber bitte mich nicht falsch zu verstehen, natürlich ist es hier noch immer absolut paradiesisch. Unter den Holzstegen gleiten elegant Rochen und Barracudas vorüber, das Meer leuchtet in allen Farben.   

Fernab des geschäftigen Zentrums wird es rustikaler beziehungsweise ärmlicher. Dreck auf Brachland, aus Brettern aller Art und rostigen Blechbahnen zusammengenagelte Behausungen inmitten kaputter Kühlschränke und sonstigem Schrott. Auch hier halb versunkene, aufgegebene Segelboote. Mittels Bergen von aufgeschütteten großen Muschelschalen hat so mancher dem Meer Platz für eine weitere Behausung abgetrotzt, auch nahe des lärmigen Dieselkraftwerkes, das die Insel mit Strom versorgt. Die Insulaner üben sich auch im Geschäfte machen, verkaufen Haiöl wofür auch immer oder Kuchen. Rastafaris preisen ihre bunten Bilder und in Privathäusern bekommt man billig Essen. Nicht so ich heute. Blöd genug, in der ärgsten Hitze herumzuwandern, fasse ich einen kapitalen Sonnenstich aus und lege mich am Nachmittag nieder.


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