Freitag, 19. Januar 2024

 18.1., Flores, Lanquin

Ein Ding der Unmöglichkeit, einen Chickenbus direkt nach Lanquin zu finden. Individuelle Reisegestaltung würde oftmaliges Umsteigen mit sich bringen und wäre in einem Tag wohl nicht zu bewerkstelligen. Also rein in den kleinen Touristenbus und zurückgelehnt, passt auch. 

Schnell ist die Gegend saftig grün und überwiegend menschenleer. Erstes Highlight ist eine Flussüberquerung mittels einer kleinen motorisierten Plattform, rundum hat sich eine kleine Siedlung breit gemacht. Ein Verkäufer ist schwer mit Plastikuhren behangen, ein Mitreisender ersteht eine Banane am Stiel. Das geschälte Teil wurde einfach in Schokolade getunkt und eingefroren, schon ist das Bananenschleckeis fertig. 

Ärmlichste Dörfer im Gatsch. Verschläge, Behausungen, windschiefe Hütten mit Wellblech oder Stroh gedeckt. Schweine im Dreck, Hühner, eine abgemagerte, aber trotzdem trächtige Hündin. Kinder, Männer in Gummistiefeln und mit großen Gürtelschnallen. Vom Wind vertragener Müll, der wie ein feiner Schleier über den Siedlungen liegt. Zerschlissene Kleidung auf Wäscheleinen. Kleine Särge beim Bestatter, auf Vorrat gezimmert. Ob ich mich nicht selbst schadlos halten würde an einem dieser Touristenbusse, wäre ich hier geboren, ausgebremst und als ewiger Sandler. Was kann man hier schon aus seinem Leben machen?

An Bord zwei Chilenen, die ihren unverzichtbaren Matetee schlürfen, eine polnische Lehrerin, deren Gepäck von KLM als für immer verloren eingestuft wurde, und die nach jeder Pause lautstark im Bus durchzählt. Ein Deutscher, der weltweit Marathons läuft, zwei schlecht gelaunte Schwedinnen. Als lachhafte Vips hinter verdunkelten Scheiben, als Einäugige unter den Blinden fahren wir durch die Dörfer und die wenigen völlig reizlosen Kleinstädte. Ich höre die ewiggültige Musik von Toten, Joplin, Cash, Winehouse, Brown, Cohen, und fühle mich selbst überraschend lebendig, vollständig genesen, wieder bereit für alles. 

Glückliche Kühe auf endlosen Weiden. Gebückte Menschen mit Brennholz am Rücken. Maisfelder, Wasserlöcher, Bananen, Ölpalmen. Dios es Amor. Familien auf Mopeds. Nur mehr unbefestigte Wege zweigen von der Hauptstraße ab. Steil bergauf geht es im ersten Gang, ein ölverschmierter Fahrer liegt am Asphalt unter seinem liegengebliebenen Lastwagen und schläft. Bergab curvas peligrosas, es riecht nach verschmorten Bremsen und die Sattelschlepper schleichen im Kriechgang. Die Fahrer wahrscheinlich mit einer Hand an der Fahrertür und bereit zum Sprung, sollten sich die Bremsen endgültig verabschieden, la Vista hasta, es Gfrasta! Über ungeregelte Flüsse, durch finstere Schluchten fahren wir. Cantina La Escapa. Eine personalisierte Werbetafel, im nächsten Dorf wartet ein Mechaniker, der mit zwei Schraubenschlüsseln in Händen in die Landschaft grinst. Des einen Leid...

Nach acht Stunden erreichen wir Lanquin und gemeinsam mit vier anderen werde ich auf einen Pickup verladen, der uns direkt zum Fluss nahe des Nationalparks bringt. Dort habe ich mir vorab ein Zimmerchen für zwei Nächte gebucht und es ist so schön hier, ich packe es nicht. Eine Matratze mit Moskitonetz unter einem großen Dachgiebel hoch oben, erreichbar nur über eine wackelige Hendelleiter, direkt am und mit Blick aufs Wasser. Hinter mir der Dschungel, ober mir die Sterne. Am Ufer eine kleine Schlange, Wodka aufs Haus. Ebenfalls hier abgestiegen ist ein Pärchen aus Australien, die zwei arbeiten immer vier Monate am Stück in Alaska nahe des Polarkreises. Ewiger Tag, Grizzlybären und Wölfe, mit dem Hubschrauber in die Schicht. Als Geologen suchen sie nach Gold für eine große Firma und die fantastischen Geschichten darüber sind der krönende Abschluss eines großartigen Tages.


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