Montag, 20. März 2023

19.3., Edirne

Am Frühstücksbuffet gammelt nur eine Sorte Chemiewurst vor sich hin, aber gegrillte Oliven gibt´s und Rosenmarmelade auch. So eine Rosenmarmelade schmeckt ja nicht so besonders, wenn man sie sich nur pur aufs Brot klatscht, aber mit etwas Butter und Schafkäse schmeckt sie erst so richtig übel. Wer frisst Rosenmarmelade? Floristen vielleicht nach dem Valentinstag, aber doch keine normalen Menschen. 

Verlasse ich mein Hotel, sehe ich gleich die gigantische Selimiye-Moschee ums Eck und als inoffizieller Kulturattaché der Donaurepublik komme ich nicht umhin, der Unesco-Hütte einen Besuch abzustatten. Kaum bin ich damit fertig, steht ums Eck von ihr eine weitere Moschee und dort ums Eck dann noch eine. Ich meine damit aber keine kleinen, schnell zusammengemauerten Pimperlbauten, sondern gewaltige, monumentale, kolossale  Zeugnisse der Allmacht Allahs, ihm zu Ehren erbaut im Laufe der letzten siebenhundert Jahre von seinen irdischen Dienern. Eine Kaserne hat auch noch Platz gefunden mittendrin, der Feind ist nur sieben Kilometer entfernt. Aber die ist eingewickelt in Stacheldraht und für Besucher nicht geöffnet. 

Für das dreitägige Ölwrestling-Festival  ist es leider noch zu früh. Erst im Juni ziehen sich mit Olivenöl eingeschmierte Männer bis auf die Unterhose aus, um sich im glitschigen Herumgeschubse zu messen.  Ansonsten gibt es In Edirne reichlich Sehenswürdigkeiten. Derwischhäuser und  Gebetsschulen, ein Scharia-Gericht, Kirchen und Synagogen. Am Hauptbahnhof hielt einst der Orient Express, ich exploriere Stunde um Stunde. Viele Hunde und Katzen streunen ebenfalls durch die Straßen, in denen noch das eine oder andere uralte Holzhaus steht, die Planken sind wellenförmig verzogen. Familien ohne Helme auf knatternden Mopeds. Männer begrüßen einander, indem sie sich mit der Stirn rechts und links einen sanften Headkick verabreichen. Haufen von Sonnenblumenkernen auf den Böden der Bushaltestellen. Türkische Fahnen überall. 

Abseits der Hauptstraßen ist in meinem Viertel alles sehr verwinkelt, im Gegensatz zur Altstadt, die seltsamerweise streng rasterförmig angelegt ist. Einmal falsch abgebogen, schon verirre ich mich. Auf der Meric-Brücke am südlichen Stadtrand stehend beobachte ich drei Burschen, wie sie mit einer Angelrute ein rund zwei Meter langes Netz weit zur Flussmitte hin auswerfen. Zuerst verheddern sich zwei Exemplare und dann gleich vier darin, ich packe es nicht! Sehr idyllisch ist es am Fluss leider nicht. Ein  Hochwasserschutz für die Stadt wird gerade gebaut und entsprechend schaut es aus. Außerdem haut jeder ungeniert seinen Dreck weg, was Pärchen und Familien nicht davon abhält, entlang des Ufers ein Sonntagspicknick abzuhalten. 

Abends diniere ich Linsensuppe und Kebab, dazu knabbere ich papierdünne getrocknete Paprika und schlürfe zwei Gläser Tee. Zwei Euro will der alte Wirt dafür, indisches Preisniveau! Nur ein linker Agent hätte für ein Glas Granatapfelsaft gerne hundert Lira, das wären wahnwitzige fünf Euronen. Die Saftnase beschmutzt das Gebot der türkischen Gastfreundschaft schamlos. Ich werde ihn Erdogans Geheimpolizei melden, falls diese nicht ohnehin schon mitliest und die Sache von sich aus erledigt.


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