Mittwoch, 29. März 2023

 29.3., von Ilhara nach Mustafapasa

Schneesturm bei null Grad, Wahnsinn. Sehr freue ich mich, nicht mit dem Moped unterwegs zu sein, feste Schuhe wären auch noch schön. Schade auch um die vielen blühenden Kirschbäume, um die minus sieben Grad die nächsten drei Nächte werden sie wohl nicht so leicht wegstecken.

Gleich zwei absolut faszinierende Underground Cities schaue ich mir heute an, eigentlich unterirdische Fluchtburgen, in die sich die Bevölkerung rettete, wenn mal wieder marodierende Horden oder Heere einfielen. An der Oberfläche wurden zuvor noch falsche Brunnen angelegt, die die Angreifer frohgemut vergiften konnten, in den Verstecken konnte man dank ausgeklügelter Versorgungsstrategie, wenn es denn sein musste, monatelang ausharren. 

Viele Häuser hatten ihren eigenen getarnten Zustiegsstollen in die weitläufige Unterwelt. Es gab Luftschächte, die in Derinkuyu fünfundachtzig Meter tief reichten, Zisternen und Kommunikationsröhren. Im oberen Geschoss befanden sich die Ställe der Tiere, im untersten die Kirche und die provisorische Leichenaufbewahrungshalle. Dazwischen gab es große Gemeinschaftsküchen, die nur nachts befeuert wurden, damit der Rauch das Versteck nicht verriet, Vorrats- und Schlaflager. Labyrinthartig angelegt das Ganze, mit Verbindungsstollen, die so niedrig sind, dass manche der Besucher auf Knien durchrutschen müssen. Nicht, dass die Menschen früher so klein gewesen wären, aber so konnten Eindringlinge leichter abgemurkst werden. Als letzte Barriere dienten bis zu zwei Tonnen schwere Mahlsteine, die von innen vor das Ende der Gänge gerollt wurden und von außen nicht entfernt werden konnten. Ich staune über Fallen aller Art. Tiefe Löcher im Boden, manche Röhren werden immer enger und enden im Nichts, ein Albtraum. Über spezielle Leitungen konnte brennendes Öl vergossen werden. 

Klaustrophobisch, bedrückend, beeindruckend. An die zweihundert dieser unterirdischen Anlagen gibt es in Kappadokien, manche fassen bis zu dreißigtausend Menschen.

Vor Göreme dann die mit Abstand absurdeste Landschaft, die mir jemals untergekommen ist. Hunderte psychedelische Spitzkegel mit Fenstern, Türen und Zinnen, so genannte Feenkamine, eine ganze Burg in einem ausgehöhlten Felsen. Der Schnee kommt waagrecht daher, man kann gar nichts mehr sehen, gegen Ende haut´s mich im Gatsch auf die Gosche. Trotzdem superlässig hier. Das Dorf Göreme selbst ist eine abstoßende Ausgeburt des Fremdenverkehrs, so schlimm, wie man es sich nur vorstellen kann. Busse voll mit Asiaten, die sich Vorführungen von abgehalfterten Derwischen ansehen möchten, überteuerte, schmuddelige Unterkünfte. Ich flüchte fünfzehn Kilometer und komme zufällig als einziger Gast im ältesten Hotel Kappadokiens, dem Monastery Hotel in Mustafapasa, unter, betrieben seit 1968 und damals noch ohne Zufahrtstraße. Ich darf mir das urigste Zimmer aussuchen, die Wände aus grobem Stein und die Decke aus gehackten Baumstämmen. Und eine Heizung gibt es auch, hurra! Nicht, dass ich ihr zutraue, dieses alte, ausgefrorene Gemäuer raumgreifend gemütlich zu machen, aber auf alle Fälle besser als nix. Der nette Enkel des Pioniers, Ergan, gibt zwei Tee aus, stellt mich seiner Familie vor, verdonnert schließlich seine Tochter, sich mit mir zu unterhalten. Sie studiert zwar auf der örtlichen Uni Fremdenverkehr, aber hätten wir beide unsere Übersetzungsprogramme nicht, wäre die ganze Angelegenheit noch mühsamer, als sie ohnehin schon ist. Immerhin weiß ich jetzt, was Selena Gomez so treibt, bis jetzt dachte ich, sie wäre Tennisspielerin.


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