Dienstag, 28. März 2023

 28.3., Ihlara 

Saukalt war die Nacht ohne Heizung, aber für Mitte der Woche sind gar Nachttemperaturen von minus acht Grad vorhergesagt. Spätestens dann heißt´s ein geheiztes Zimmerchen suchen, so viel Tee kann ich gar nicht trinken. Gut übrigens, dass ich einen Wasserkocher mit habe, der macht mich zumindest in dieser Hinsicht unabhängig von den Zwängen des Ramadan. Man stelle sich vor, dass fortan jeder in Wien verweilende Türke am Gründonnerstag Spinat essen muss, wäre ja sehr gesund und erhielte diese schöne christliche Tradition. 

Früh morgens steige ich hinab in die Schlucht von Ilhara, viel grüner und breiter als die in Saklikent. Obschon die Steilwände senkrecht abfallen, verläuft auf beiden Seiten des Flusses ein Pfad und Platz für Vegetation und herabgestürzte Felsen bleibt auch noch. Die Steilwände sind abermals durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Klettert man in eine dieser von außen oft schon zugewachsenen Öffnungen, findet man nicht selten drei Etagen Wohnräume, Verbindungsstollen, Nischen und Feuerstellen. Und uralte Felsenkirchen ohne Ende mit entsprechender Einrichtung und Ausschmückung auf jedem Kilometer. Auch in leere Gräber kann man stolpern, alles ist stockfinster und bisweilen etwas unheimlich. Über Behelfsbrücken in Form von Baumstämmen mit Handlauf wechsle ich je nach Attraktionsangebot das Ufer. Eine einsame Moschee findet sich ebenfalls, "Please shoe do not enter", die geschichtlichen Hintergründe hierzu möge sich jede(r) Interessierte selbst googeln. 

Wandere ich so vor mich hin, umfängt mich plötzlich eine allumfassende Müdigkeit. Eine Hochleistungsmaschine mit Kolbenreiber quasi, ohne die notwendige Schmierung in Form von wohlschmeckenden Kalorien. Ich verlasse kurzerhand die Schlucht und schleppe mich Serpentinen hoch, die zur Bundesstraße führen, bis ich erkennen muss, dass der Übersichtsplan beim Fluss unten nicht den richtigen Maßstab hatte. Stunden sinnloser Hatscherei in Ödland würden mich erwarten, bliebe nicht schon nach kurzer Zeit ein etwas verwahrloster Typ mit noch verwahrlosterem Vehikel stehen. Bis zur Pension führt er mich, plaudert munter auf mich ein und hindert mich dann vehement daran, nach meinem Geld zu greifen. Ich liebe ihn. Ich würde ihn sogar adoptieren, würde er nicht so streng riechen. 

Mit Haube, Pullis und Jacke lege ich mich ins Bett und warte auf den Sonnenuntergang. Draußen regnet und stürmt es inzwischen. Irgendwann mache ich eine Zwanzigkilometer-Spritztour, nur um mich für ein paar Minuten aufzuwärmen. Abends bringt der Wirt endlich den eingeforderten Radiator, dann stellt er mir einen Teller hin, den ich nur schwerlich hinunter bekomme. Fleisch ist keines zu erkennen, aber das Essen hammelt, böckelt hardcore. Dazu wieder das Koranwettrezitieren am wichtigsten Kanal TRT 1 zur Hauptsendezeit. In Afghanistan ja, aber die Türkei hätte ich doch etwas säkularer eingeschätzt. 


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