Dienstag, 8. Februar 2022

 7.2., Coxim

Schon um Fünf stehe ich auf und das nicht nur, um Jagd auf die verdammten Gelsen zu machen. Es gilt auch herauszufinden, in welchen Löchern dieses Außenpostens der Zivilisation sich die touristischen Dienstleister verstecken. Später wandere ich an Läden für Baustoffe, Tierfutter und Werkzeug vorbei, alles sehr ländlich. Vor der tiefen Absteige von gestern lungern wieder die ärgsten Figuren herum, aber nach einem Weilchen finde ich doch noch das Zentrum Coxims, das sich in zwei Kreuzungen erschöpft.

 Eine ausgebleichte Tafel verrät den Standort des städtischen Tourismusbüros, wo sich fünf Angestellte über mein Erscheinen wundern und kurzfristig das Nasenbohren einstellen müssen. Einer von ihnen, Ariel, spricht englisch. Er hatte seine eigene Agentur und war Guide, bis Covid kam, deswegen. Nach längerer Sucherei aller Anwesenden drückt er mir zwei Broschüren in die Hand. Er gehe aber nicht davon aus, dass auch nur einer der Aufgelisteten mit mir in den Sumpf fahren werde. Erstens gäbe es abgesehen von mir keine weiteren Interessenten, zweitens sei jetzt auch die falsche Zeit dafür. Es gäbe momentan auch mit Allradfahrzeugen kein Durchkommen. Ob sich außer mir noch Ausländer in Coxim aufhalten würden? Das könne er sich nur schwerlich vorstellen. Ob es keine inländischen Gäste gäbe, es seien doch Ferien? Schon, aber ein Brasilianer bezahle kein gutes Geld dafür, sich bei vierzig Grad im Morast von Gelsen zerstechen zu lassen. So etwas würden nur die ausländischen Touristen buchen und die kämen einfach nicht mehr. Ob ich mir ein Motorrad mieten könne oder ein Auto oder ein Pferd? Nein. Früher schon, jetzt nicht mehr. Das mit dem Pferd erkennt er gar nicht als Witz. Schon bei der gestrigen Busfahrt hatte jemand einen Sattel als Gepäck dabei.

Vor den Banken haben sich inzwischen lange Schlangen gebildet. Vielleicht ehemalige Tourismusfachkräfte, die sich jetzt ihr Arbeitslosengeld abholen. Das ist alles sehr ernüchternd. Ein Sumpf so groß wie Deutschland, und keiner will ihn mir zeigen. Ihr hattet eure Chance, ihr Hinterwäldler. Noch am Nachmittag fahre ich zurück nach Campo Grande. Sollte mich jemals jemand fragen, was ich denn in Brasilien so gemacht hätte, werde ich ihm antworten, ich sei hauptsächlich mit dem Bus gefahren. Eine Stunde geistere ich dann noch am Bahnhof herum, um mich über mögliche Anschlüsse schlau zu machen, dann folge ich einer Schnellstraße bis zu einem in der Ferne erspähten roten Hotel-Neonschild. 


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