Montag, 21. Februar 2022

 20., 21.2., Sao Paulo

In manchen Ecken Sao Paulos sieht man hauptsächlich hohe Mauern. Alle paar hundert Meter hocken zusätzlich Typen in Wachhäuschen so klein wie Telefonzellen und beschützen die Reichen hinter den hohen Mauern. Alles picobello hier, alles sauber. Ältere Herrschaften führen ihre Schoßhunde aus oder laufen eine Runde, es gibt sogar Radwege. Andere Ecken Sao Paulos erinnern mehr an Zeltstädte oder Zoos, vollgeschissen und vollgebrunzt, dass es einem den Atem verschlägt. Neben den Obdachlosen, die Dosen sammeln, vor sich hin dämmern oder sich ohne zu zögern von x-beliebigen Speiseresten aus Mülltonnen ernähren, gebärden sich dort unverhältnismäßig viele durch und durch wahnsinnige Gestalten. Schreiende, wild gestikulierende, verwilderte, paranoide Schattenmenschen in Decken oder in Lumpen gehüllt und immer ohne Schuhe. 

Gestern und heute unternehme ich ausgedehnte Streifzüge, mal langsamer, mal schneller, und absolviere noch zwei weitere organisierte Touren durch die Stadt. Schwerpunkt gestern waren die vielen Graffitis im Bezirk Vila Madalena und alle Geschichten dazu. Seit einigen Jahren ist es in Sao Paulo vollkommen legal, öffentliche Flächen mit Graffitis zu behübschen. Das hat den angenehmen Effekt, dass jetzt nur mehr die privaten Wände mit schnell hingeschmierten Tags, also Schriftzügen oder Initialen, verunstaltet sind, wohingegen sich der ambitionierte Sprayer an öffentlichen Mauern soviel Zeit lassen kann, wie er oder sie für die Fertigstellung der Arbeit benötigt. Wunderschöne, farbenprächtige Kunstwerke gab es da zu bestaunen, Murals, also großflächige Bemalungen an Fassaden, oder geprintete Exemplare mit zusätzlichen Verzierungen aus Glas oder Stoff. In der Beco do Batman, dem Epizentrum der Szene, tummelten sich die Touristen und machten Selfies, als hätten sie hier selbst die Dosen geschwungen. 

Zu guter Letzt heute noch das Zentrum. Die Kathedrale von Se und der Platz der Republik, wo ich vor sechs Wochen angekommen bin, die große Markthalle and such. Und jetzt reicht´s dann auch. Morgen schaue ich mir noch das Japanerviertel Libertade an, bevor ich übermorgen die Heimreise antreten werde. Die üblichen Visionen stellen sich bereits ein, ein Kornspitz mit Radieschen zum Beispiel oder ein simples Glas kaltes Wasser aus der Leitung. Ein frisch überzogenes Bett ohne Viecher in der eigenen Wohnung, wow. Immer gut für die Perspektive, ein paar Wochen fern der Heimat. Ich empfehle mich und schließe den diesjährigen Bericht mit einem brasilianischen Trinkspruch, mögen unsere Frauen niemals Witwen werden. 


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