Freitag, 18. Februar 2022

 18.2., Sao Paulo

Nett war es hier, aber da der einzige erkennbare Nervenkitzel auf Ilhabela für mich nur darin besteht, eventuell an einer Lebensmittelvergiftung einzugehen, setze ich mich schon früh um Sechs nach Sao Paulo ab, um mein Glück dort noch ein wenig zu strapazieren. 

Nach einer Fährüberfahrt, einer fünfstündigen Busfahrt und einigen U-Bahnen bin ich auch schon im Bezirk der Wahl Pinheiros angekommen. Ruhig und relativ sicher soll es hier sein, aber wenn kein Hotel weit und breit ausfindig zu machen ist, ist das alles hinfällig. Zwei Stunden schleppe ich und suche ich und quartiere mich letztlich ganz wo anders in einem Stundenhotel ein, weil die vorab gebuchte Stadtführung bald beginnt. Die Lady an der Rezeption hockt hinter Gittern und öffnet mir per Summer eine ebenfalls vergitterte Tür, wie im Häfm. Im kleinen Zimmer liegt eine Rolle Klopapier am Kopfende des Bettes bereit und aus den zwei Paar bereitgestellten Badeschlapfen sind seitlich große Dreiecke ausgeschnitten, damit sie nur ja niemand fladert. Wurscht jetzt, ab zum Treffpunkt. 

Tatsächlich haben fünfzehn Interessierte ihren Weg hierher gefunden, am Ende der Führung werden wir noch fünf sein. Verständlich, dass viele plötzlich noch etwas vor haben oder jemanden treffen müssen, die Tour ist über alle Maßen fad. Kernstück der Besichtigung ist die Avenida Paulista, laut der vortragenden Dame das kulturelle Zentrum der Stadt. Tatsächlich handelt es sich eigentlich nur um eine lärmige, achtspurige Straße gesäumt von meistens hässlichen Hochhäusern aus den Siebzigern. Den größten Buchladen, nicht die größte Bücherei Sao Paulos sehen wir und viele Bilder von Gebäuden, die schon lange nicht mehr stehen. Während ihrer Ausführungen muss unsere Unterhalterin immer wieder innehalten, wenn wieder einmal ein Hubschrauber über uns hinweg donnert. 2200 Flüge in der Stadt durchschnittlich pro Tag. Noch ein paar versiffte Beserlparks voll mit Sandlern begutachten und ausgezeichnete Käsebällchen in einer Bäckerei verkosten, fertig ist der Trip nach lähmenden drei Stunden. Die Leute sind schon in Feierlaune, trinken Bier und tanzen auf den Gehsteigen zu Livemusik. 

Zurück am Zimmer breite ich vorsorglich mein Tuch über das Bettzeug, um mich notdürftig vor eventuell ausgestreuten Sackratten oder Winterkirschen zu schützen. Schon bald setzt einschlägige Hintergrundbeschallung ein, wobei das Kernthema das weibliche A in allen Variationen ist. Dem folgt im Normalfall ein martialisches Schreien, wo man nur hoffen kann, dass sich niemand weh getan hat. Konkurrenz bekommen die rammelnden Akteure der nachbarlichen Zimmer von gemeingefährlichen Gesangsdarbietungen der Besucher einer nahen Karaokebar. Auch diese Nacht wird vorübergehen.


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