Mittwoch, 19. Dezember 2018

18.12., Panama City, Santa Fe
 
Heute verlassen wir die Hauptstadt, für alle Zeiten. Wirkungskreis für die nächsten Tage wird Santa Fe sein. Was zieht den Reisenden dorthin, wird sich der wenig
Ortskundige fragen? Dazu ein interaktives Mitmachspiel. Was klingt lässiger: Ich fahre am Dienstag nach Santa Fe und trinke ein Häferl frisch gerösteten Hochlandkaffe
oder Ich fahre am Dienstag nach Gramatneusiedl und trinke eine Tasse Haag Schonkaffee. Eben. Darüber hinaus liegt das anvisierte Kaff in luftigen Höhen, umgeben
von Wasserfällen, Plantagen und Orchideengärten. Hüpfen wir also in einen Bus und düsen den Panamerica Highway nach Westen entlang, der legendären Straße,
die sich von Alaska beginnend durch den Kontinent bis nach Feuerland schlängelt. Allerdings weist sie im Grenzbereich zwischen Panama und Kolumbien eine Lücke auf,
weil die Gegend dort so wild ist, daß die Kreaturen des Waldes sogar den Straßenbelag fressen würden.
Freilich darf man sich jetzt von dieser Schnellstraße nicht zu viel erwarten. Generell ist sie in schlechtem Zustand, die Höchstgeschwindigkeit hier beträgt sechzig
km/h, auf den jeweils zwei Spuren herrscht kein Rechtsfahrgebot und überholt wird nach Tagesverfassung. Annehmlichkeiten wie Leitplanken oder
Spurenmarkierungen sind über weite Strecken nicht vorhanden. In der Mitte zwischen den Richtungsfahrbahnen berläuft eine mit Buschwerk zugewachsene Rinne für
Regenwasser und ein rund hundert Meter langer Tunnel muß als bauliche Extravganz eingestuft werden. Der Bus selbst ist in der Tat äußerst bequem, weil mit einer
Klimaanlage und einem Fernseher ausgestattet.
Reggaeton spielts die meiste Zeit, so etwas wie südamerikanischen Reaggeyhiphopsalsarap. Die bunt gekleideten Protagonisten der Sing- und Tanzeinlagen wacheln o-beinig
genauso dümmlich wie ihre nördlichen Vorbilder mit gestreckten Fingern unterschiedlicher Zahl und dickem Goldbehang in die Kamera, während sie von heissen
Miezen geil beäugt werden. Später bearbeiten Typen inbrünstig ihre Ziehharmonikas, hätten sicher gerne zwanzig Finger an jeder Hand und schwitzen die Falten ihrer Instrumente voll.
Wir tingeln durch dünn besiedeltes Gebiet, einmal passieren wir in Schrittgeschwindigkeit eine Demo. Bauern auf Pferden, ein prähistorischer Mähdrescher und
Anhönger blockieren die gegenüberliegenden Spuren, ein Großaufgebot der Polizei ums Eck. Da unser Bus wirklich an jeder Hundehütte hält, dauert es schon ewig,
bis wir endlich in Santiago ankommen, einem heillos verstauten Verkehrsknotenpunkt auch für internationale Busse und Trucks. Dort wechseln wir in ein zerbeultes
Gefährt bummvoll mit bäuerlicher Reisegesellschaft für die letzten fünfzig Kilometer in die Berge. Hier komme ich zu einem weiteren Vorteil von Santa Fe
gegenüber Gramatneusiedl: Man fährt am Weg dorthin durch San Franzisco. Das trifft sich gut, da war ich eh noch nicht. Schnell noch eine Blume ins Haar gesteckt,
bevor wir in die Metropole einfahren, gefolgt von der Erkenntnis: Die Geschichten über San Franzisco sind maßlos übertrieben. Ein paar zerlumpte Bauern im Schatten
von staubigen Bäumen, ein paar windschiefe Häuser und Verschläge, na ja. Endlich kommen wir an, der Fahrer hat seinen Kleinbus die Anhöhen in kleinstem Gang förmlich hochgetreten,
finden die auserwählte Jugendherberge und bekommen das letzte freie Zimmer von insgesamt fünf im ersten Stock. Ena lässt dabei den ihrer Meinung nach übertrieben
geldgierigen Betreiber mit gewohnter Härte im Zuge der Preisverhandlungen alt aussehen, der Bergpanamese fürchtet sich vielleicht sogar ein wenig.
Das Hostel steht inmitten eines prächtigen Gartens mit Blick auf die umgebenden Berggipfel, sehr schön. Das auf San Blas kennengelernte polnische Pärchen sitzt
in der Burgerbude nebenan und hat schon fürs Abendessen eingekauft, wir erstehen im Markt irgendeiner Cooperativa auch noch Zeugs für schnelle Nudeln und süssen
Wein im Tetrapak. Gemeinsam mit einer Französin sitzen wir dann im Garten und essen und trinken und lauschen den Grillen und erzählen uns ab und zu selbst etwas.

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