Samstag, 29. Dezember 2018

26.12., von Boquete zu den Bocas del Toro, Isla Colon

Ena kauft beim Händler unseres Vertrauens noch vier obergeile Avocados auf Vorrat ein, während ich die letzten Pancakes in der Pfanne schwenke, dann steigen wir mit dreißig anderen Touristen in einen vom Hostel organisierten Kleinbus zur Inselgruppe Bocas del Toro, nicht mehr weit von der Grenze zu Costa Rica entfernt.
Wir tragen rosa Armbänder, damit wir nicht unterwegs verloren gehen. Was treibt uns zu dieser Unsportlichkeit? Der öffentliche Transport wäre mit Umwegen und längerer Reisedauer verbunden und billiger käme er auch nicht. Unser Gefährt ist weder komfortabel noch spritzig, vielmehr erstaunlich schwachbrüstig. Schon moderate Steigungen zwingen den Fahrer, mit Zwischengas in den ersten Gang zu schalten, damit wir nicht stehen bleiben.
Glückliche Kühe und Pferde grasen auf weitläufigen Weiden, die mit Palmen durchsetzt sind. Vom höchsten Punkt des Berglandes, auf geschätzten dreitausend Metern, ein fast grenzenloser Ausblick
auf das Tiefland. Den Kaffee zur mittäglichen Pause kann ich nicht fertig trinken. Wahnsinnige Bienen belagern mich, ersaufen enthusiastisch im Heissgetränk, möchten mir hinter die Sonnenbrille krabbeln, sind außer Rand und Band. Da hilft nur mehr die Flucht ins Wageninnere, bis wir weiterfahren.
Dann zerreisst es den Kühler und wir rollen aus. No problem, sagt der Fahrer, und jeder weiß, daß das so nicht ganz stimmt. Pannenbüsche werden auf die Straße gelegt, wir warten ein Weilchen und steigen letztendlich in den nächsten Linienbus in Richtung Hafen um. Nur mehr ärmliche Stelzenhütten mit Bretterwänden und Blätterdächern stehen vereinzelt entlang des Weges, wir könnten auch in Asien sein. Das Hafenstädtchen Almirante ist ebenfalls ziemlich abgefuckt. Alle
Schilder und Werbungen sind handgemalt und zerlumpte Figuren dominieren das staubige Ortsbild. Einzig das riesige Lagerareal vom hiesigen Hauptarbeitgeber Chiquita ist tiptop, die kaufen einen Großteil der nationalen Ernte auf und haben sogar eigene Containerverladekräne.
Ein Speedboot setzt uns auf die Hauptinsel Isla Colon über. Schmutzige, verbeulte Segelyachten unterwegs. Man erkennt, daß sie vor vielen Jahren prächtig waren, jetzt wirken sie, als wären sie jahrelang führerlos auf offener See getrieben.
Schon beim Aussteigen auf Colon ist klar: Hier regiert die Party. Hipsters in Hängematten, die halb im Wasser hängen, Bars zum Meer hin, Musik. Der Filthy Friday wird beworben und andere All you can drink-Bootstouren. Wir bleiben im Windschatten eines uns schon von früher bekannten spanischen Pärchens, die für uns gleich alles mitchecken. Noch einen Dollar für das Pickup-Taxi, dann sperren wir die Tür unseres nächsten Quartiers auf. Die Herberge liegt entschleunigt am Stadtrand,die große Terrasse mit Hängematten wird von Palmen beschattet und geht hinaus auf ein Feld. Im Zimmer nebenan wohnt ein schweizer Duo, die sind auch nicht berühmt für zügelloses Nachtleben. Ein stiller Rückzugsort ist gesichert. Hinter unserer Hütte landen alle paar Stunden auf der nur schleissig eingezäunten Landebahn der Insel kleinere Flugzeuge, mehr ein Ereignis denn Lärmbelästigung. Ja zur zweiten Piste!
Der Betreiber der Herberge spricht kein Wort Englisch und ist trotzdem ein schlauer Bursche. Er hat Leihfahrräder und einen Wasserautomaten, der einem für fünfundzwanzig Cent die Flasche vollfüllt.
Es gilt, keine Zeit zu verlieren, wir brauchen einen Schlafplatz ab übermorgen. In gut zwanzig Hotels/Hostels/B&B´s werden wir nachmittags vorstellig und alle sind für die nächsten Wochen entweder ausgebucht oder in ihren Preisvorstellungen hoffnungslos unverschämt. Hundert Dollar pro Nacht für ein Bett im Schlafsaal sind keine Seltenheit. Genug für heute. Rechtzeitig zur Happy Hour sitzen wir bei der kleinen Anlegestelle Colons am Meer mit einem überzuckerten Mixgetränk in Händen. Mit dabei ist Hans, ein im Bus kennengelernter Strahlenschutzbeauftragter, der Bequerels in mehreren Kernkraftwerken Deutschlands und der Schweiz zählt. Seine Sicht der Dinge ist etwas- nennen wir es subjektiv. Offshore-Windanlagen machen Lärm und bringen die Wale durcheinander, der aus ihnen gewonnene Strom sei zu stark schwankend und deshalb gefährlich. Die radioaktiven Abfälle aus den Atomreaktoren würden zu neunundneunzig Prozent eine Halbwertszeit von fünf Jahren aufweisen, die würden in Hallen einfach abklingen und anschließend konventionell entsorgt werden können. Ein interessanter Abend jedenfalls. Am siebzehnten Dezember hat Hans geheiratet, am Tag darauf ist er alleine für ein paar Wochen nach Panama auf Urlaub gefahren. Auf Colon
steigt unterdessen die Party. Restaurants, Lokale, Bars, Diskotheken, Clubs, Fastfoodläden, drei lange Straßen bilden das Epizentrum der Szene.
Reiseagenturen, Fahrrad- und Mopedverleiher, Supermärkte. Ein paar Hängengebliebene in Wohnwägen, die selbst gebastelten Schmuck verkaufen. Viele Grundstückeund Häuser stehen zum Verkauf, wahrscheinlich packen viele Insulaner das über sie hereingebrochene bunte Treiben nicht mehr und würden gerne weg von hier.
Daheim am Balkon die übliche Travellerlitanei. Yes, it´s cold right now in Austria. Yes, really cold. Von wo kommt wer her, wo war wer schon, wo war´s schön, blabla. Ich ziehe mich zurück, Oropax rein, danke für das Gespräch.

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