Samstag, 29. Februar 2020

28.2., Koh Lanta
Bei mir ist noch kein Insulaner wach, als ich zu zu früher Stunde aus der Hütte taumle, Frühstück muß ich mir irgendwo an der Straße besorgen. Was treibt mich? Der obligatorische Schnorchelausflug. Ein Pickup sammelt mich und dann andere ein, karrt uns quer durch die Insel zum Pier, wo Longtailboote mit jeweils rund fünfunddreißig Individualisten beladen werden, die sich alle nach einer einstündigen, lärmenden Fahrt bei einem Felsen treffen werden. Es gäbe viele Felsen und sogar kleine Inseln, hunderte, aber alle Boote machen an diesem einen fest. Zu sehen gibt es hier sehr viele andere Schnorchler und sonst nicht viel mehr. Durch dichtestes Schwebstofftreiben im Wasser ergibt sich eine Sichtweite von rund zwei Metern. Sehr warm ist es auch, es gab an Bord keine Toiletten. Am beeindruckensten sind da noch die drei faustgroßen Quallen, alle einer anderen Art zugehörig, die unvermutet vor meinem Gesicht auftauchen und mich veranlassen, zügig zurück ins Boot zu klettern.
Der zweite Felsen des Tages verfügt zumindest in ein paar Metern Tiefe über ein paar Korallenblöcke, von der Oberfläche aus als dunkle Schemen zu erkennen und beherzt abtauchend durchaus ereichbar und gefällig. Den Tag rettet aber der dritte Halt. Durch einen achtzig Meter langen, jetzt wegen Ebbe nur halb gefluteten Tunnel gelangt man vom offenen Meer zu einer versteckten, von Steilwänden eingefassten Lagune. Alle müssen während der Querung Schwimmwesten tragen und ein paar Thais leuchten den gewundenen Tunnel mit Stirnlampen etwas aus. Einer großen Gruppe Chinesen, die uns entgegenkommt, Brust an Rücken und Hände auf des Vorderen Schulter, weicht jeder, soweit möglich, großräumig aus, nachher spricht man aufgeregt über Corona. Der Mensch ist zwar tendentiell gutmütig, aber gleichzeitig auch ein Trottel, davon muß man leider ausgehen. 
Im Tunnel leuchtet das Wasser grün, es gluckst und hallt, der schmale Ein- und Ausgang ist wie ein Riss, der in eine andere Welt führt. Die Lagune ist märchenhaft schön. Von den Steilwänden rieseln Blätter von Bäumen ins Wasser, die irgendwie im blanken Fels wachsen konnten. Dazu ein sichelförmiger, kleiner Sandstrand. Dass hier alle Boote herkommen, liegt auf der Hand.
Pause auf einer kleinen Insel. Aus drei Töpfen bedienen wir uns und essen gut zu Mittag, am Boot werden noch Früchte gereicht.
Im Pickup, der uns wieder daheim abliefert, erzählt eine Engländerin, sie hätte als Erntehelferin auf einer australischen Bananenplantage für dreiundzwanzig Dollar die Stunde gearbeitet. Eine dicke Finnin dagegen ist seit August wegen Burnout freigestellt. Sie hätte plötzlich ihr Gedächtnis verloren, wußte nicht mehr, wie man Auto fährt. Der zu ziehende Schluß daraus ist der Leserin, des Lesers Hausaufgabe bis morgen. Er möge ohne zu spucken in einen Luftballon gesprochen und anschließend gut verwahrt werden.

Freitag, 28. Februar 2020

27.2., Koh Lanta

Zufällig hab ich ihn gefunden, den Friedhof bei mir ums Eck. Kleine, teilweise geschnitzte Pflöcke im Sand, vielleicht fünfzig, dazwischen wachsen junge Mangrovenbäume. Keine Parzellen, keine Wege, keine Namen. Vor der rohen Mauer, die ihn vom Strand trennt, liegen Reusen gestapelt und Männer reparieren ein Holzboot.
Austrian Horse with no Name zickt heute ganz schön herum. Zuerst versteckt es sich vor dem Supermarkt so geschickt, daß ich kurzfristig irrtümlich ein fremdes Zweirad entwende und es schon zum nächsten Mechaniker schieben will, weil der Zündschlüssel nicht und nicht sperren will, eine Stunde später hat es einen Patschen hinten. Bei der keine hundert Meter entfernten Werkstatt wird nicht lange gefackelt. Neuen Schlauch rein, sechs Euro, danke und auf Wiedersehen. Dauert keine zehn Minuten. So schnell geht bei uns nicht einmal das Ausfüllen des Reparaturauftrages.
Einen Engländer führe ich hoch zur Fähre und starte gleich eine umfangreiche Nordexpedition, wo ich schon einmal da bin. Wie Tag und Nacht im Vergleich zum touristischen Showdown, der sich jenseits der Brücke abspielt. Ein völlig abgeschiedenes Mokendorf mit windschiefen Hütten auf Stelzen, gelegentlich ultramuslimische Siedlungen, Straßen, die im Nirgendwo enden.
Ein Laden, wo ich eine Suppe bestelle. Kitchen? Kitchen? Was könnte die Lady damit meinen? Irgendwann greift sie in ein ungekühltes Fach und zaubert die Brocken eines prähistorischen Gummiadlers hervor. Chicken hat sie gemeint, ob ich Hendl in die Brühe will. Vor der Bude Vögel in kleinen Häuschen, die in ihrem Leben keinen einzigen Flügelschlag machen werden. Hüpfen nur verzweifelt oder im Laufe ihrer Einzelhaft wahnsinnig geworden im Kreis herum.
Im Nordwesten Koh Lantas ist niemand. Ein schöner, etwa einen Kilometer langer Sandstrand mit erstaunlich wenig Müll, keine Seele weit und breit.
Zurück in der Zivilisation entdecke ich den Donnerstagsmarkt, wieder durch Zufall. Frisch vom Grill erstehe ich einen Fisch und weil die Verkäuferin nur auf Take away im Papier eingestellt ist, esse ich ihn auf einer blauen Kühlbox sitzend, umgeben von rohem Fisch und reichlich Fliegen. Beilagen oder Besteck gibts nicht, nur Chiliessig in einem kleinen Sackerl. Noch ein gezuckerter Fettkringel und die unvermeidbare Kokosnuss und dann heim, Pratzen waschen.
Keine Experimente bei der Abendgestaltung, gleiches Programm wie gestern. Sonnenuntergang im Liegestuhl, Lagerfeuer, Wodka.
26.2., Koh Lanta

Nur ein Hundertkilometer-Hupfer zur nächsten Destination, es gibt bis dorthin auch überhaupt nix Interessantes zu sehen. Die paar Kleinstädte am Weg sind völlig nichtssagend und gleichen sich in ihrer Fadesse. Die thailändische Architektur begnügt sich scheinbar mit einer einzigen Vorgabe, daß nämlich die errichteten Gebäude möglichst nicht oder nicht sofort einstürzen. Es handelt sich dabei meistens um zweistöckige, schmale, von der Hauptstraße schlauchartig nach hinten verlaufende, rechteckige Gebäude mit integriertem Balkon oben und einem Flachdach. Die schmucklose Fassade ist dabei oft bunt oder noch häufiger verschimmelt, unten wird gerne ein Rolltor oder ein Gitter montiert.
Mit einer Fähre setze ich um achtzig Cent auf Koh Lanta über. Die ist nicht viel mehr als ein vierspuriges Plateau mit zwei Rampen vorne und hinten und einem ordentlich rauchenden Motor. Mehr als zwanzig Autos passen da nicht drauf und obwohl vier Fähren pausenlos den einen Kilometer hin und zurück schippern, staut es sich ganz schön. Mit der Mopette kann ich mich freilich ganz formidabel vorschummeln und warte keine fünf Minuten auf meine Abfertigung.
Das nördliche Drittel der Insel ist dann noch durch eine Brücke mit dem, was man als Tourist so unter Koh Lanta versteht, verbunden. Hier spielt sich´s mörder ab, bist du! Die ersten zehn Kilometer die Küste entlang nach Süden eine endlose Wurst aus Reiseagenturen, Restaurants, Mopedverleihern, Massagestudios, Fetzenstandln etc., dann kommen nur mehr vereinzelte Luxusresorts und die südliche Spitze ist ein Nationalpark mit Eintritt und Leuchtturm ganz am Ende.
Ein TukTuk-Fahrer gibt mir freundlicherweise den entscheidenden Tip, ein Glücksfall. Ein paar hundert Meter abseits der Hauptstraße, schlecht ausgeschildert und fast schon abgeschieden, gibt´s einen kleinen Strandwirten mit einfachen Unterkünften. Dort beziehe ich eine kleine Hütte zwischen dem Meer und einem brackigen Backwater-Kanal. Vor dem schönen Sandstrand erstreckt sich eine flache Felsenlandschaft, die ein Schwimmen unmöglich macht. Vielleicht ist deswegen fast niemand hier. Bei mir hinten sind Longtailboote geparkt, Echsen und Vögel und ich haben es schön. Krit, Betreiber der Friendly Bar, wird umgehend mein neuer Geschäftsfreund. Sonnenuntergang im Liegestuhl, am Abend legen die Fischer an. Jeder Mann trägt einen einzigen großen Fisch und ein Sackerl mit kleineren Fischen weg, vielleicht sind das auch nur Helfer und die Auszahlung erfolgt teilweise oder ganz in Naturalien. Dann wird ein Lagerfeuer angezündet und ich bestelle mir noch einen Wodka mit Soda, hier werde ich ein Weilchen beiben.

Mittwoch, 26. Februar 2020

25.2., Krabi

Reis, fischigen Spinat und ein Omlett beim superfreundlichen Halal-Wirten gleich zum Frühstück. Was auch immer im Spinat war, um den religiösen Auflagen zu genügen, muß es einst auf alle Fälle Schuppen gehabt haben, habe ich zufällig mitbekommen. Aal, Hummer, Krebse, Austern, Muscheln oder Tintenfisch ißt der ambitionierte Moslem somit nicht, strange world.
Mit einem Longtailboot setze ich über zum berühmten Railay Beach, der nur auf diesem Weg erreichbar ist und wo es außer den Kletterern, die in den Steilwänden über dem Meer hängen, noch so manch anderes zu entdecken gibt. Zwei Höhlen voll mit hunderten geopferten Pimmeln aller Art und Größe etwa, dem Geist einer mystischen Prinzessin dargebracht von örtlichen Fischern für einen guten Fang und die sichere Heimkehr. Oder eine versteckte Lagune, zu erreichen nur über einen extrem steilen und schweißtreibenden Steilhang zuerst hoch und dann wieder runter. Die letzten zehn Meter gehen tatsächlich senkrecht hinab zum Wasser. Die lasse ich lieber aus, beschlapft und höhenängstlich wie ich bin.
Küchenboote bieten am Hauptstrand Thaigerichte an, es spielt sich ab. Und was für eine Affenhitze! Apropos. Im Dschungel, am Weg zum benachbarten Tonsai Beach, rund um verfallene Hütten und überwucherte Klomuscheln schreien Affen mit schwarzen Ringen um die Augen und Makaken gammeln wie üblich unsymphatisch bei den Fressständen herum.
Unter einem gewaltigen Felsvorsprung liege ich im Sand, trinke im Schatten Cider und schaue den Profis beim Überhang-Klettern zu. Irgendwann kommt die Ebbe und das Wasser zieht sich einige hundert Meter zurück. Ein paar Einheimische gehen Muscheln sammeln und ich fahre wieder zurück. Die Sonne steht schon tief und es gibt keinen Schatten mehr.
 

Dienstag, 25. Februar 2020

23., 24.2., Koh Phayam, Krabi

Gestern noch ein klassischer Inseltag, heute fahre ich schon früh zurück aufs Festland. Cha wird das Boot nach mir nehmen. Den hat für einen gelungenen Start in den Tag ein Köter heftig in den kleinen Zeh gebissen, als er mit dem Roller in Schlapfen unterwegs ins Dorf war, auf Koh Phayam gibt´s gerade keine Impfstoffe. Bei mir wird´s unterdessen Elf, bis ich endlich mit dem für neun Tage ausgeliehenen Moped weg komme, dreihundertzwanzig Kilometer bis nach Krabi müssen gefressen werden. Die Mopette ist das gleiche Modell wie The Yellow Danger 2020, allerdings in Rotweiß gehalten. Ich werde sie Austrian Horse with no Name nennen.
Ein Vogel fällt ein paar Meter vor mir tot vom Himmel, ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Schon nach kurzer Zeit stehen regelmäßig Moscheen entlang der Straße und die Leute sind anders gekleidet. Viele Männer tragen kaftanähnliches Outfit und Hauben, die Frauen Vollverkleidung. Die Strecke ist erstaunlich schön, obwohl ich eigentlich die längste Zeit der Haupt-Nord-Süd-Verbindung des Landes folge. Es gibt Serpentinen, Bambuswälder und später monumentale, in der Ebene herumstehende Kalksteinfelsen, teilweise bewaldet, teilweise komplett kahl. Und irgendwann keine Tankstellen mehr, was das Unterfangen etwas mühsam macht. Austrian Horse with no Name ist kein Kostverächter und fortan gibt´s Sprit nur mehr überteuert in Whiskeyflaschen oder von versteckten Automaten, die in fremden Zungen mit mir sprechen.
Ein Weilchen muß ich einem Pickup folgen, weil der Gegenverkehr kein Überholen zulässt. Der hat große blaue Kühlboxen mit Fisch geladen, aus denen das in der Hitze schmelzende Stinkeeis sickert und sich als Sprühnebel über mich ergießt. Kurz darauf fährt ein mit Sand überladener Muldenkipper vor mir, von dem es gewaltig auf mich herabrieselt. So verwandle ich mich langsam in so etwas wie ein mobiles Fischstäbchen, während ich mich unaufhaltsam Krabi nähere.
Ein paar Stunden später checke ich am Ende einer Dorfstraße im absoluten Niemandsland ein, aber eigentlich keine zwei Kilometer von der Stadt entfernt. Allerdings am anderen Ende des Flusses ohne Brücke, zu erreichen nur über einen Umweg von zwanzig Kilometern. Heute tue ich mir den Stunt noch an, nur um eine Idee von Krabi Town zu bekommen. Grün- und Parkanlagen entlang der Küste, ein Tsunamidenkmal, ein Nachtmarkt, ganz nett.
 

Sonntag, 23. Februar 2020

22.2., Koh Phayam

Perfektes Timing, heute startet das alljährliche Cashew Nut Festival auf der Insel. Im Resort hat sich unterdessen  überhaupt nichts getan, sagenhaft. Alle Gäste sind noch da und trinken wie üblich Gin Tonic, die haben sich hier gleich für ein paar Monate einquartiert. Mit Glück fasse ich zumindest für zwei Tage einen der neuen Luxusbungalows zum Freundschaftspreis aus, länger werde ich auch nicht bleiben. Ab in die Hängematte, herrlich. Das Meer rauscht, Flugeidechsen kämpfen um ihr Revier. 
Abends begibt sich die Partie zum Festival, wo sich die gesamte Inselgemeinschaft eingefunden hat. Sicher fünfzig Fressstandln, einer verkauft Maden. Die eine, die ich koste, genügt für´s restliche Leben. Den angeblich nussigen, mandelartigen Geschmack kann ich erkennen, schmeckt aber eher so, als wäre die Nuss vorher ein Jahr lang im Kanal gelegen. Innen püreeartig, außen etwas zäh, kann man getrost auslassen. Ein kleines Karussell dreht sich, angetrieben nur durch einen Ventilator, eine lässige Konstruktion. Es dauert zwar, bis sich das Werkel nach einem Stillstand wieder zu drehen beginnt, die Kids schaukeln dann brav mit auf ihren hängenden Fahrzeugen, aber wenn's einmal läuft, dann bemerkenswert schnell.
Auf einer großen Bühne stehen ein paar verschreckte, überschminkte Kinder, irgendeine Misswahl zieht sich ewig dahin. Irgendwann übernimmt eine Thai-Band. Sonst klettern Männer eingeölte Baumstämme, an deren Ende Geldscheine winken, hoch, tanzen Ladyboys um die Wette, gibt es einen Bandwettbewerb. Heuer nichts davon. Jürgen kauft sich zehn Lose bei der Tombola und gewinnt ein paar Plastikteller, das Highlight des Abends.

Samstag, 22. Februar 2020

21.2., von Bangkok nach Ranong

Um Sieben komme ich am Nordbahnhof an, um Neun fährt der Bus nach Ranong vom Südterminal ab. Klingt entspannter, als es ist, alles dauert seine Zeit. Schon bis ich das richtige Sammeltaxi finde, englisch können nur die Gauner. Ein ausgeschnittenes rotes Plastikviereck als Fahrschein, warten, bis der Minivan endlich voll ist, dann presst der Fahrer einmal durch die Stadt. Bangkok, the big Mango, ist schon lange wach und staut sich auf mehreren Ebenen, zu ebener Erde und oben auf den zusätzlich erbauten Hochstraßen. Noch einmal zehn Stunden im Bus, zusätzlich zu den dreizehn schon abgesessenen. Reisen mit der Brechstange. Abends zu Fuß auf Quartiersuche in Ranong. Es regnet, das erste Mal seit zwei Monaten. In die abgefuckteste Hütte des Landes checke ich zielsicher ein, ein selbsternanntes Boutique-Hotel mit Wasserrohrbruch auf Dauer im Badezimmer/Häusl. Die Suppe rinnt aus der Decke über die schimmeligen Wände, die restliche Einrichtung ist vermoderter Sperrmüll. Wurst, ich bin bettschwer. Noch eine Palatschinke mit Muscheln und aus für heute.
 
20.2., von Chiang Rai nach Bangkok

Am Markt gibt´s immer etwas zu sehen. Von Polizeikappen bis zu Geisterhäuschen wird hier alles feilgeboten. Fischhändler neben Goldläden neben Garküchen, es duftet, es stinkt. Mäuse wuseln herum und der Schmäh rennt bei den Standlern. Ich Vertreter der Überflussgesellschaft finde mir trotzdem nix, wie gehabt.
Mit der Mopette gurke ich weiter zum Weißen Tempel außerhalb der Stadt, ein Bau wie aus einem Zeichentrickfilm von Disney Walt. Unendlich viele Bögen, Schnörksel und gewundene Reihen von Spiegelvierecken auf weißer Fassade, die Schneekönigin könnte jederzeit ums Eck kommen. Zehn Kilo Kitsch verarbeitet pro Quadratmeter, mindestens. Den Kontrast hierzu bildet das Schwarze Haus am anderen Ende der Stadt. Eigentlich handelt es sich in beiden Fällen um große Areale mit einem Haupt- und zahlreichen Nebengebäuden. Dieses düstere Ensemble beherbergt duzende Krokodil- und Schlangenhäute in innen und außen schwarz gestrichenen Häusern, Möbel aus Skeletten und Büffelhörnern, Riesenmuscheln, Speere, Einbäume, Vogelschädel, ausgestopfte Trophäen hängen an den Wänden. Wie eine gigantische Jagdhütte, bei der alles irgendwann aus dem Ruder gelaufen ist.
Normalerweise würde ich mir solche Sehenswürdigkeiten ja gar nicht anschauen, aber das ist schon das Ende hier oben. Nordthailand ist aufgemischt. Kurz nach Laos oder Kambodscha zu schauen, scheidet aus. Nach neuester Gesetzeslage darf nach Thailand pro Kalenderjahr nur mehr zweimal über welchen Landweg auch immer eingereist werden, was ich heuer schon ausgereizt habe. Ein Flug wieder retour ins Land zahlt sich für die restlichen paar Tage auch nicht wirklich aus, außerdem war ich eh schon bei allen Nachbarn. Das heutige Programm dient somit nur mehr dem Zeitvertreib bis zum Abendbus nach Bangkok, von wo ich morgen gleich den Anschlussbus nach Ranong nehmen werde.
The yellow Danger 2020 gebe ich zurück, ein Glücksgriff. Obwohl sie nach der letzten Woche schon etwas zu Schanden gefahren wirkt. Der Lenker vibriert, die Bremsen quietschen. Exploration beendet, die nächsten Tage hau ich mich noch einmal in die Hängematte auf der Stamminsel.

Mittwoch, 19. Februar 2020

18., 19.2., Mae Salong, Chiang Rai
 
Hin und wieder einen Tag Urlaub braucht man auch im Urlaub, oder? Gestern war so ein Tag. Ein kleiner Ausflug zu einem Aussichtspunkt und einem Tempel, das war´s im Großen und Ganzen. Gemeinsam mit vielleicht infizierten chinesischen Reisegruppen die schmuddeligen Dörfer irgendwelcher Hinterwäldler zu besuchen, war mir dann doch zu blöd. Teeplantagen und Trocknungsanlagen kenne ich schon und die generelle Reiseplanung und Rekreation darf ja auch nicht zu kurz kommen. Aber heute geht´s weiter mit Vollgas, für drei Kilometer. Gleich außerhalb von Mae Salong mache ich mal Frühstückspause mit Blick auf in Terrassen angelegte Teesträucher und trinke einen guten Kaffee, jawoll. Dann zische ich die traumhafte Bergstraße weiter durch Bambuswälder hindurch, die Serpentinen rauf und runter, hoch über den diesigen Tälern. Kein Verkehr, nur stellenweise das Laub und hier im Norden vermehrt auch Sand und Fahrbahnschäden zeigen gelegentlich, wenn schon nicht die Grenzen der Physik, dann zumindest die persönlichen Grenzen der fahrerischen Fähigkeiten auf und mahnen zu angepasstem Tempo.
Drei Mönche sitzen am Fluß, die Bäume blühen. Überall hängen Konterfeis des neuen Königs, der nicht ganz so pragmatisch wie sein Vorgänger zu sein scheint. Seinen Pudel hat er einst zum Luftwaffengeneral ernannt, eine interessante Entscheidung. Tiere werden in ihren Fähigkeiten ja oft unterschätzt. Wie er umkam, weiß ich nicht. Jedenfalls wurde der General im Rahmen einer viertägigen buddhistischen Zeremonie beigesetzt. Das halte ich für angemessen. Drei bis fünfzehn Jahre Häfm stehen in Thailand übrigens auf Majestätsbeleidigung und es sitzen genug Leute ein. Für mich geht das alles in Ordnung, ich schätze den König sehr.
Zurück in Chiang Rai klappere ich noch einmal alle Reiseagenturen ab, ob es vielleicht Interessenten für Wanderungen gäbe. Niemand! Wie gibt´s das? Was machen die Leute hier? Ich verstehe das alles nicht.
 

Dienstag, 18. Februar 2020

17.2., von Pai nach Mae Salong

Heute eine längere Etappe. Ich folge dem letzten, großartigen Abschnitt des Mae Hong Son Loops bis zum Chang Rai Loop und dann hoch ins Chinesendorf Mae Salong. An der sogenannten Memorial Bridge ein paar Kilometer außerhalb Pais haben sich schon Einheimische eingefunden und machen Fotos, also bleibe ich halt auch kurz stehen.
Als im zweiten Weltkrieg die Japaner hier eingefallen sind, mußten Die Thailänder an dieser Stelle eine kriegswichtige Holzbrücke für sie bauen, die es allerdings gar nicht mehr gibt. Ein Hochwasser hat sie ein paar Jahre später weggespült. So gesehen erinnert die jetzige Eisenbrücke eigentlich nur daran, daß es gar nichts mehr zu sehen gibt, was aber egal sein dürfte.
Am Nachmittag erreiche ich Mae Salong. Chinesenkrixikraxi überall, rote Lampions, Schreine. Ein paar hundert Chinesen wurden hier in den Fünfziger Jahren sesshaft, genauer gesagt die Überbleibsel einer Rebellenarmee, die in China vorher vergeblich gegen die Kommunisten gekämpft hatte. Ich gehe nach der langen Fahrt sogar noch extra ins örtliche War Memorial Museum, um die Umstände irgendwie zu durchschauen, aber es bringt nicht viel. In schlechtem Englisch wird auf Schautafeln superlangweilig über irgendwelche Schlachten, Niederlagen und Intrigen geschwafelt. Leutnant Fu Manchuh hat irgendwo gegen Oberst Kwai Chang Caine Terrain verloren, General Um Lei Tung hat Feldwebel Hei Zung deswegen zum Teepflücker in Nachtschicht degradiert, irgendein Scheiß ohne Belang. Sonst keine Ausstellungsstücke welcher Art auch immer, Frechheit.
Hier ist generell nichts los. Alle Lokale und Unterkünfte sind leer. Ich bekomme zu meiner Superhütte neben einem anständigen Preisnachlass noch chinesischen Tee und getrocknete Früchte. Nur am Betonplatz mitten im Dorf spielen alle Basketball oder Fußball. Vielleicht ist wegen dem Coronavirus keiner da. Hoffentlich verhängt niemand die Quarantäne über Mae Salong, übermorgen will ich wieder weiter.
 

Sonntag, 16. Februar 2020

16.2., Pai

Wasserspinat und Sticky Rice beim Chinesen, dann fahre ich die Gegend ab. Buddhas in allen Größen und Farben hocken in der Landschaft herum, Chedis, das sind thailändische Stupas, sowieso. Außerhalb von Pai warten angebundene Elefanten in Verschlägen auf Kundschaft, ein paar Kilometer weiter entspringen heiße Schwefelquellen mit achtzig Grad Wassertemperatur. Die einheimischen Touristen kochen darin Eier in kleinen Bambuskäschern, die Geisterhäuschen rundum sind voll davon. Warum die Eier im großen Stil geopfert werden, weiß ich nicht. Vielleicht schmecken sie komisch wegen dem Schwefel, vielleicht ist das Kochen selbst einfach spannender als das Essen der Eier. Wobei Eier kochen ja bei näherer Betrachtung überhaupt nicht spannend ist, im Vergleich zur Zubereitung einer Eierspeis oder gar eines Spiegeleis.
Die nächste Station, der Stone Forest, enttäuscht. Kein versteinerter Wald, sondern schwärzliche, runde Steine sind die Attraktion. Der Wald rundum ist abgeholzt, er musste Bananenplantagen weichen, so liegen also ein paar Steine auf einem Acker herum. Der Pai Canyon ist dagegen ganz nett, eine Schlucht mit Steilwänden im Kleinformat. Am interessantesten heute ist der sogenannte Landsplit. Ein Erdbeben vor zehn Jahren hat einer Bauernfamilie einen gigantischen Riss durch ihren hügeligen Grund beschert. Bis zu zehn Meter tief und an die fünf Meter breit ist der Spalt, sich nach unten hin etwas verjüngend. Das erschwert die Landwirtschaft. Deshalb ist es wohl einträglicher, Besucher gegen eine Spende den gewaltigen Flurschaden ansehen zu lassen. Dazu wird Rosellasaft gereicht, gepresst aus einer fleischigen roten Blüte, die sehr sauer und gut schmeckt. Am Abend flaniere ich wieder durch den Nachtmarkt. Da gibt´s einen Westler, der sich als Clown verkleidet hat, einen Thai, der unbeholfen an einer Kreuzung tanzt, oder ein verschrumpeltes Pärchen in Bergvolktracht, das traditionellen Gesang vorträgt. Burmesen verkaufen ihren Teeblattsalat, orthodoxe Moslems Hühnersuppe, Inder Thali, Israelis Falafel. Einträchtiges MultiKulti.
15.2., von Mae Hong Son nach Pai

Eine wunderschöne Etappe. Kurvige Bergstraßen, viel prächtige Gegend, kein Verkehr und keine Baustellen wie am ersten Tag des Trips, als ich abends schon satt war vom Staub und vom Kupplungs-, Bremsen- und Reifenabrieb des Schwerverkehrs rund um mich, den ich stundenlang fressen musste. Wie immer ist´s etwas eng am Roller. Der Rucksack steht im Fußbereich, meine Haxen meistens auf den Soziusrastern hinter mir, was eine etwas unbequeme Bergab-Position zur Folge hat. Oder ich hocke o-beinig nur mit den Fersen vorne abgestellt, das geht auch. The Yellow Danger 2020 ist wie immer brav und bissig. Einen Hunderter brettert die Reibe wie nix, wenn die Straßenbauer einmal vergessen haben, Kurven einzubauen.
Unterwegs mache ich Pause bei einer Bambusbrücke, die ein Dorf über Reisfelder hinweg mit einem Tempel verbindet. Der Steg schlängelt sich in zwei oder drei Metern Höhe über leuchtend grüne oder schon abgeerntete Parzellen. 
In Pai finde ich einen kleinen Holzbungalow mit Balkon zu den Feldern am Fluß hinaus. Ein paar Bäume, die Yellow Cotton Trees, tragen riesige gelbe Blüten und Vögel gleiten herum.
Vor fünfzehn oder so Jahren war ich mim Travelex schon einmal in Pai. Trüb erinnere ich mich an ein paar unbeleuchtete Trampelpfade durchs Gemüse, nicht an sehr viel mehr. Heute cruise ich durch eine Kleinstadt mit mehr als fünfhundert Unterkünften, unzähligen Reiseagenturen, Cafes, Tätowierstudios, etc. Unzählige Touristen säumen die Straßen, viele von ihnen humpelnd oder bandagiert. Die Ausflugsziele liegen alle ein paar Kilometer außerhalb rund um Pai und einen Roller kann man hier schon um sagenhaft günstige hundert Baht, das sind drei Euro pro Tag, mieten. So setzt sich noch der allerletzte U-Bahn-Fahrer frohgemut auf das ihm unbekannte Mysterium Zweirad, bis Murphy und Darwin zuschlagen. Überall hängen rührige handgeschriebene Tafeln der Einheimischen, Slowly Slowly, drive carefully!, aber so mancher büßt das Wagnis dennoch mit einem Asphaltausschlag.
Pai verfügt über zwei Gemüsemärkte, einen Nachmittagsmarkt und einen Nachtmarkt, letzterer ist gleich bei mir ums Eck. Alles gibt´s hier für den Reisenden auf der Suche nach internationalen Geschmäckern. Ich starte mit einem chinesischen Nudelsalat. Der schmeckt leicht, aber doch nach Ameisensäure, eine interessante Note. Es folgt ein Happen mit extrem scharfer Stinkefischsauce, die Verkäuferin hat mich noch extra gewarnt, gelöscht wird mit Samosas. Saukalt wird´s in der Nacht!

Samstag, 15. Februar 2020

13.-14.2., von Chiang Rai nach Chiang Mai, von Chiang Mai nach Mae Hong Son
Der erste Eintrag ist mir irgendwie abhanden gekommen, Dreck! Noch einmal schreib ich ihn sicher nicht. Jedenfalls bin ich nach Chiang Mai gefahren und habe ihm bewährten Guesthouse gebötzt, Tags darauf geht's weiter mit dem Mae Hong Son Loop. Die ersten fünfzig Kilometer bis zum Nationalpark sind wieder extrem fad. Wie ein paar mal Straßhof auf und ab, nur vierspurig. Dort angekommen, muß ich umgerechnet zehn Euronen Eintritt pecken, aber bitte sehr, dafür wird´s ab jetzt wenigstens richtig schön. Zuerst fetze ich hoch zu Thailands höchstem Hügel, dem Doi Inthanon mit lächerlichen zweitausendsechshundert Metern, dann bleibe ich noch bei insgesamt drei Wasserfällen hängen. Vom Dorf Mae Chaem kann ich den Weg nach Mae Sariang nicht finden, also fahre ich gleich weiter nach Mae Hong Son, noch einmal hundertsiebzig Kilometer nordwestlich. Spät isses schon, die Straße besteht nur aus Kurven und irgendwann wird´s sehr finster. Spätschicht in den Bergen, schlecht. Keine Leitpfosten, nur kleine Baustellenreflektoren auf der Fahrbahn am Straßenrand. Sobald die Sonne weg ist, wird´s außerdem richtig kalt. Also schnell alle T-Shirts angezogen und noch das Tuch umgebunden, statt der Sonnenbrille muß der Restlichtverstärker mit den orangenen Gläsern herhalten. Das Visier vom Helm ist nämlich ebenfalls verdunkelt und ohne Augenschutz geht´s nicht wegen der Viecher und dem Fahrtwind. Ich muß noch den gesamten Nationalpark queren, nur mehr Berggegend ohne Siedlungen und somit auch kein Verkehr mehr. Das einzige Licht und kurzfristig Wärme liefern die weiträumigen Flurbrände links und rechts der Straße, etwas spooky in finsterster Nacht. Ganz selten brennen auch Bäume, sonst brennt hauptsächlich das Gras in weiten Schneisen. Untertags habe ich nur ein Löschfahrzeug gesehen, das hat rund um ein Haus gelöscht, sonst scheint das Ganze wahrscheinlich normal zu sein. Die Luft ist jedenfalls dick und brennt in den Augen und ich bin erledigt, als ich endlich in der Distriktshauptstadt ankomme. So viele Kurven und Kehren. Dort fahre ich gleich an einer Straßensperre vorbei ind direkt in einen riesigen Kirtag, aus dessen Massen ich mich erst wieder mühsam befreien muss. Tausende Einheimische flanieren dicht gedrängt die mit Standln gesäumte Hauptstraße entlang. Vielleicht auch wegen des Festivals finde ich so schnell kein Zimmer mehr, bleibt nur mehr ein Bett im Schlafsaal des Station Hostels. Soll sein, Hauptsache ein Platz zum Schlafen.
Am Kirtag drängt sich die Jugend vor Schießbuden und Bingo-Zelten. Geldpreise warten auf diejenigen, die es schaffen, am Boden liegende Flaschen mit wie Frisbees geworfenen Plastikkörben zu bedecken. Man kann kleine Zierfische kaufen und in Kinderplanschbecken aussetzen, mit kleinen Schaufelbooten fahren oder sich in einem Gruselverschlag fürchten, dazu gibt´s noch Verkaufs- und Fressstände, eine Konzertbühne, lautstarke Verlosungen. Meine Palatschinke mit Käse und Ei wird wie selbstverständlich mit picksüsser Kondensmilch übergossen, andere Länder.

Donnerstag, 13. Februar 2020

12.2., Nyaung Shwe, Chiang Rai

Ich lasse Myanmar hinter mir und benütze dazu den nördlichsten Grenzübergang nach Thailand, Tachileik. Dass ich dorthin nicht über den Landweg reisen darf, erfahre ich erst, als ich ein Busticket kaufen möchte. Irgendwelche Gefechte mehrerer Rebellenarmeen gegen das burmesische Militär, gesprengte Brücken etc.
Also zuerst nach Heho und von dort mit einer Propellermaschine zur Grenze, weiter mit dem TukTuk und die letzte kurze Etappe zu Fuß. Das dauert.
Den Beamten der thailändischen Touristenpolizei nach dem notwendigen Wie und Wo zum Erhalt eines internationalen Führerscheins zu fragen, hätte ich mir gleich sparen können. Mein Anliegen treibt ihm den Schweiß auf die Stirn und er beginnt in seiner Not, das Thema zu googeln. Später finde ich bei einem großen Verleiher heraus, daß die Bearbeitung eines Antrages ohnehin drei bis fünf Tage, also viel zu lange dauert. Wozu brauche ich den Lappen? In Myanmar gab's Mopetten nur tageweise, längere Touren waren somit obsolet. Immer schön bis 20.00 zurückbringen, man könnte ja sonst wer weiß wohin fahren. Deswegen sage ich zum Abschied leise Servus und setze mich wieder zum Nachbarn ab.
Ich möchte mit dem Moped den Chiang Mai Loop mit dem Mae Hong Son Loop und dem Samoeng Loop kombinieren und so ersatzweise Nordtailand abcruisen. Die Bullen kassieren allerdings 500 Baht von jedem Farang ohne internationalen Deckel, den sie erwischen können. Mit dem Wisch, den man dann ausgestellt bekommt, darf man drei Tage straffrei fahren, dann beginnt das Spiel von vorne.
Mit dem Minivan noch fünfzig Kilometer nach Chiang Rai, dann suche ich mir ein Zimmer und ein Gefährt für den geplanten Trip. Es wird ein gelber Honda-Roller, den ich  auf den Namen The yellow Danger 2020 taufe, ich hoffe zur Abwechslung auf ein paar pannenfreie Tage.
Außerdem melde ich mich bei mehreren Reisebüros für mehrtägige Wanderungen an, sollte jemals bei irgendwem eine zustande kommen. Genormte 08/15-Tagestouren hätte jeder im Angebot, irgendetwas Individuelles niemand.
Am Nachtmarkt esse ich vier ganze Ananas, jawoll, vier Stück in Pfirsichgröße und supersüß, dann fünf Fische, jawoll, fünf Stück im Ganzen mit Schädel und allem in Mittelfingerlänge, gefolgt von zirka dreißig Muscheln. Dazu drei Bier und live vorgetragene Entspannungsmusik, mit Mühe schaff ich´s noch ins Bett.

Dienstag, 11. Februar 2020

11.2., Nyaung Shwe, Inle See

Am Frühstückstisch neben mir sitzt eine Französin. Was sie hier denn schon gemacht habe, frage ich. Gestern war sie essen beim Franzosen. Baguette, reifen Camembert und Döck. Döck? Was soll das sein? Sie beginnt zu quaken, Ente hatte sie. Und was macht sie heute? Sie wartet auf den Nachtbus. Aber es ist erst in der Früh? Egal, sie bleibt hier sitzen und wartet auf den Nachtbus.
Da ist mein Plan schon wesentlich spektakulärer, sogar die nur gewollte Version davon. Mit dem Moped einmal rund um den Inlesee und dann Wein trinken, das klingt definitiv machbar. Selig die Ahnungslosen, denn sie erleben Abenteuer.
Zuerst fahre ich nach Westen, bis ich den die Ebene eingrenzenden und sich nach Süden erstreckenden Gebirgszug erreicht habe, dann folge ich ihm. Mein Navi läuft nebenbei mit, aber eigentlich ist der Weg durch die natürlichen Gegebenheiten ohnehin vorgegeben. Ein Bub hockt auf einem riesigen Büffel mit Höcker und hat noch ein paar andere im Schlepptau. Ein Einheimischer trägt einen Wehrmachtshelm mit Hakenkreuz. Regelmäßig qualmt es aus kleineren Schornsteinen und ein schwerer, süsser Duft liegt in der Luft. Überall schneiden Männer Zuckerrohr und bringen es auf Traktoren zu diesen Öfen, wo die aus den Stengeln gequetschte Flüssigkeit so lange eingekocht und reduziert wird, bis nach vielen Produktionsschritten quadratmetergroße Platten brauner Melasse überbleiben. Ich darf dabei zuschauen und mich vom süssen Zeug bedienen, großartig. Wie in einer riesigen Hexenküche blubbern die Töpfe und schäumen über.
Immer nur Stupas auf den Bergspitzen. Als ob man nicht auch etwas anderes bauen könnte, vielleicht ein Observatorium oder einen Tierpark oder ein Freilufttheater oder eine Schaukel oder was weiss ich .
Eine Schlange wuselt über die Straße, gerade daß ich sie nicht überfahre. Alle paar Kilometer ist die Hauptstraße komplett gesperrt, dann haben die Autos die Gurke und die Zweiräder weichen waghalsig in die Botanik aus, aber einmal werden wir alle in Richtung See umgeleitet. Die nächste Stunde cruise ich über Schotter- und Sandpisten mitten durch die Ebene, den See zu meiner Linken. Teilweise geflutete Reisfelder, Bananenplantagen, Sonnenbumen. Einer pflügt seinen Acker und steht schenkeltief in stinkender Jauche. Idyllische Dörfer, die Menschen winken, nur der Wind sorgt für Geräusche. Wieder zurück am Fuß der Bergkette, schneiden Hackler Bambus und irgendwann komme ich zufällig zu einer riesigen Tempelanlage. Uralte, teilweise verfallene Stupas zu hunderten. Angkor Wat im Kleinen. Würgefeigen umklammern die zerbröselnden Bauten, vielen Buddhas im Inneren der Stupas wurde wahrscheinlich von Kunsträubern der Kopf abgeschlagen. Ein ewiglanger Säulengang führt zu einem windschiefen Kloster. Dann reicht´s mir eigentlich und ich suche nach einem Weg über den See. Ein überbrückter Kanal, eine Engstelle würde schon reichen, dann könnte ich queren und auf der anderen Seite den Weg retour antreten. Nichts zu machen, alle Straßen enden immer im Nichts beziehungsweise vor unüberwindbarem Wasser. Wenigstens hocken überall Menschen und verkaufen flaschenweise Benzin. Ich ziehe mein Navi zu Rate, das spuckt einen gigantischen Umweg in Form einer Spange über zwei Bergketten und eine Querung weit im Süden aus, noch zwei Stunden. So soll es sein. Die meiste Zeit geht´s offroad dahin, dazwischen selten holpriger Asphalt. Sechzig km/h ist das höchste der Gefühle, mehr geben Straße und Moped nicht her. Meistens reichen zehn. Die App schickt mich über Stock und Stein durch absolut entlegene Bergdörfer, oft wähne ich mich in Afrika oder Australien wegen dem roten Sand. Ein Herumgerutsche auf ausgeschwemmten Feldwegen, Irrfahrten, die doch immer wieder zu akzeptableren Straßen führen. Bis ich den See endlich queren kann, sind viele Stunden vergangen.
Kurz vor den Toren meiner Stadt lädt auf einem malerischen Hügel das Weingut Red Mountain zu einer Weindegustation. Umgeben ist es von Weinstöcken, aus Springbrunnen plätschert einschläfernd das Wasser. Ein herrlicher Blick auf den See unterhalb, die Sonne geht bald unter. Dann kommen vier Kostproben, zweimal weiß, zweimal rot. Wer mich kennt, weiß: Ich habe nicht den blassesten Schimmer von Wein und ich bin nicht wählerisch. Essig kommt bei mir nicht nur in den Salat. Stellt mir jemand etwas hin, das das Gebinde nicht gleich wegätzt, werde ich es trinken und es wird mir schmecken. Vorher meinten schon zwei Italiener und die Französin vom Frühstück, der Wein hier oben wäre nicht zu saufen, einfach schrecklich. Ja gut, verwöhnte Chauvinisten halt, habe ich mir gedacht. Aber was mir hier für ein Geschlodder die Röhre runter rinnt, ist mir bislang noch nicht untergekommen. Niemals hätte ich mir gedacht, daß man  eine derartige Chuzpe haben kann, Menschen so etwas Übles vorzusetzen. Der Begleittext zum Heckenklescher faselt freche Erfindungen in blumigsten Tönen. Wobei, mouthfilling taste und persistent finish kann man so oder so auslegen. Dicht macht die Plörre wenigstens und unten bleibt sie auch.
Noch zum Stamminder daheim auf ein Knoblauchbrot mit Linsensuppe, dann auf Strom warten und schnell den ganzen Staub heiß runterduschen. Ein wunderbarer Tag, ich bin gerädert.

Montag, 10. Februar 2020


10.2., Nyaung Shwe, Inle See

Frühmorgens hüpfe ich auf ein langes, schmales Holzboot mit knatterndem Lkw-Motor hinten drauf und wir fetzen hinein in die Weiten des Inle. Zweiundzwanzig Kilometer ist er lang und an die zehn Kilometer breit, tiefer als vier Meter wird er nicht. 70.000 Anrainer vom Stamm der Intha leben am, vom und auf dem See. Wir passieren schwimmende Dörfer mit Holzhäusern auf Pfählen, intensiv bewirtschaftete, ebenfalls schwimmende Gärten, deren Basis aus sumpfiger Erde und verrotteten Wasserhyazinthen besteht, die weite Teile des Sees bedecken und regelmäßig abgeerntet werden. Blumen, Tomaten und Kürbisse werden angebaut und sorgen für Farbe in der Landschaft.
Einbeinruderer legen sich ordentlich ins Zeug, sobald sich ein Tourist nähert, die genießen schon fast Kultstatus. Um beide Hände für das Aussetzen von Reusen oder das Auswerfen von Netzen frei zu haben, rudern die Fischer traditionell mit einem Fuß, wobei das Ruder am Körper und unter einem Ellenbogen verkeilt wird. Ist tatsächlich ganz schön anzusehen, aber für den Zirkus reicht´s noch nicht ganz. Jedenfalls dürften die Zuwendungen für ein gelungenes Foto die Einnahmen aus der Fischerei erheblich auffetten, so bereitwillig posieren die nautischen Akrobaten für die Kameras.
Mein Bootsmann führt mich zu einer kleinen Silberschmide direkt am Wasser, dann zu einer Weberei, in der aus Lotusstängeln feine Fäden gewonnen und versponnen werden, später darf ich Frauen zusehen, wie sie Cheroot-Zigarren drehen. In ein rundes Deckblatt wird Tabak, gemischt mit Sternanis, Gewürznelken und Bananenschalen gefüllt, als Filter dienen Maisfasern. Verklebt wird die Tröte mit aus Reis gewonnenem Kleber. Währe der Tabak nicht, man könnte die Zigarren ebensogut essen.
Aufgelockert wird die entspannte Verkaufsfahrt mit den üblichen Pagoden und einem natürlich auch schwimmenden Kloster, das früher für seine dressierten Katzen berühmt war. Seit hier allerdings ein neuer Obermönch das Sagen hat, ist Schluss mit durch Reifen springen, etc, jetzt werden wieder die Brüder abgerichtet und die Katzen dösen faul in der Sonne.
Schön isses, durch den dichten grünen Teppich zu gleiten, abgelegene Kanäle und Siedlungen anzusteuern, die Störche und die Möwen zu beobachten. Die Sonne steigt und bald ist die versiffte Decke auch nicht mehr notwendig.
Am Nachmittag gehe ich Masala Dosa essen ins Little India, die speziellen gastronomischen Möglichkeiten wollen genützt sein, und plaudere mit einem Ungaro-Amerikaner über die neuesten Viruserkrankungen. Dann besorge ich mir noch ein Moped für morgen und lausche am Balkon daheim den Grillen und einem Hamburger, der sein Moped in Vietnam nach einem Monat Gebrauch mit vier Euro Gewinn verkauft hat, in Kambodscha gegen ein Rudel wilder Hunde kämpfen musste und morgen nach Kalkutta fliegt. 

9.2., Nyaung Shwe

Kalt! Mein entgegen den Beteuerungen des Serviertraktors nicht fleischloses, sondern mit tierischen Nebenprodukten gefülltes Germlaberl nehme ich erfroren und fest in mein Tuch gewickelt zu mir. Ich befinde mich im Shan-Staat auf neunhundert Metern Höhe, die Leute wirken schlitzäugiger, chinesischer. Schlatzen auch schon fest in der Gegend herum, grauslich. Ein gewisser  Wohlstand ist im Gegensatz zum Kayin-Staat ebenfalls zu erkennen, liegt vielleicht auch an der Touristenabgabe, die jeder brennen muss, der sich den Inle-See ansehen möchte.
Tagelang könnte ich noch weiterfahren in nördlicher Richtung, Myanmar ist doppelt so groß wie Deutschland. Werde ich allerdings nicht, Burma fehlt irgendwie der Pep.
Die neue Homebase Nyaung Shwe liegt am Rand des Sees, ist umgeben von Kanälen, auf denen häufiger Mensch und Material transportiert werden, als auf den staubigen Straßen der Stadt. Ich beziehe ein stallähnliches Zimmer in einem traditionellen Holzhaus neben dem Hauptkanal, borge mir ein Fahrrad aus und radle mal zum Frisör am Markt. Nach einem Zitronenlassi wirft sich schon die Frage auf: Was geht sonst noch in Nyaung Shwe? Nicht viel. Bizarro strikes back, ich besuche gemeinsam mit sechs anderen Geniessern der hohen burmesischen Künste das traditionelle Puppentheater. Ein Typ schenkt grünen Tee aus und lässt derweilen ein englisches Tonband mit einschlägigen Erläuterungen laufen, dann begibt er sich hinter einen Sichtschutz auf der kleinen, in Samt eingeschlagenen Bühne und führt wilde Tänze mit seinen rund einen Meter großen Figuren auf. Die Musik dazu ist ohne Einschränkungen schrecklich, verzerrte Streichinstrumente und psychedelisches Xylophon. Der Marionettenmann wirbelt mit seinen Affen, Fußballspielern, Pferden, Königen etc. herum, lässt sie durch die Luft wirbeln und Salti schlagen, ist am Ende durchgeschwitzt und fix und fertig. Gut, daß der Zinnober nicht allzu lange dauert, meine Aufmerksamkeitsspanne ist zügig ausgereizt. Der Nachtmarkt anschließend ist verwaist, wahrscheinlich ist die Konkurrenz zu groß. Hunderte Restaurants wetteifern in Nyaung Shwe um die wenigen Gäste, fast alle sind leer.
8.2., Hpa An, am Weg zum Inle-See

Ganz kann ich den Hype um die Stadt nicht nachvollziehen. Das beste, was mir heute noch einfällt, ist es, mich an den relativ ruhigen See zu setzen, winzige Mandarinen zu essen und die Fischer bei ihrer Arbeit zu beobachten, sonst gibt es für mich hier nichts mehr zu tun. Einer wirft kniefief im Wasser stehend  sein rundes Netz aus und fängt ein paar kleinere, fingerlange Exemplare. Drei Männer in einem Teich über der Straße wühlen dagegen blind im schlammigen, üppig mit Grünpflanzen bewachsenen Wasser und fangen wie auch immer einige wenige, dafür größere Fische.
Später setze ich mich mit einem Cola irgendwo an die Straße und schaue wieder ein Weilchen. So muß sich ein Sandler fühlen, ohne Plan und ohne Mission. Entgegen dem Klischee bin ich allerdings seit zehn Tagen trocken, ein seltener Umstand.
Irgendwann schaue ich zum Markt und bewundere gemeinsam mit den streunenden Hunden die zum Verkauf gestapelten, giftgelben Hühner und die von Fliegen bedeckten Fische, dann folge ich einer Gasse, die mich ins dörfliche Umfeld der Stadt führt. Holzhäuser auf Stelzen, mit Sandsäcken gesperrte Kanäle zum Fluß hin. Tonnenweise Erdnüsse, die auf der Fahrbahn zum Trocknen ausliegen.
Irgendwann ist es an der Zeit, meinen Ranzen zu schnappen und zum neonbeleuchteten Uhrturm, dem mickrigen Wahrzeichen der Stadt, zu gehen. Mein Gepäck wird immer leichter. Keine Bücher mehr und die Hotelputze hat scheinbar mein Biohazard-T-Shirt eingerext, das war erst einunddreißig Jahre alt. Ich werde den Diebstahl auf sich beruhen lassen, so bin ich.
Nächste Destination: Mit dem Nachtbus zum Inle-See, gute dreizehn Stunden nördlich von hier. Mein Sitznachbar schläft die ganze Fahrt über tief und fest, als sein Kopfkissen fungiere ich. Die Verpflegung während des nächtlichen Stops sind indische Rotis mit herrlichen Curries, klassisch serviert im Portionsblechteller. Fast auf gleicher Höhe westlich von hier liegen schon Bangladesch und Indien. Beide Länder fallen für heuer als Option aus. In Bangladesch feiern die Islamisten fröhliche Urständ´, für Indien hätte ich vorab ein Visum beantragen müssen.

Samstag, 8. Februar 2020

7.2., Hpa An
 
Ein Ganztagesausflug zu acht auf einer kleinen Ladefläche mit zwei seitlich angebrachten Holzbänken, gezogen von einem schwachbrüstigen Motorrad. Mit dabei: Ein deutsches Pärchen, eines aus dem Burgenland, der Italiener Achille, ein Franzose und ein Kanadier. Sieben, acht Höhlentempel werden wir uns im Laufe des Tages ansehen, teilweise innerhalb bizarrer, einzeln stehender Felsformationen eingerichtet. Dazwischen wird der Fahrer einmal einschlafen und sein Gefährt in den Graben steuern, was ihm statt Beflegelungen lediglich eine aufmunternde Nackenmassage von der Gesellschaft oberhalb einbringen wird.
Alle Stalagtitten und sonstiges hängendes Interieur wurden vorsorglich entfernt, dafür blinken Neonlichter und bunte Laternen den verfliesten Weg durch die jetzt heiligen Hohlräume. Hinter jedem Iltisbau, hinter jeder freiwerdenden Höhle wartet scheinbar schon ein Burmese mit einer Packung Fliesen in Händen, bereit, sie Buddha zu widmen. Und eine Horde Affen mit der Absicht, sich fortan von den Besuchern durchfüttern zu lassen und zum Dank deren Socken zu stehlen, die nicht mit in die Höhle genommen werden dürfen.
Lässt sich keine Höhle oder zumindest Nische auftreiben, die man mit Klimbim vollstopfen kann, kann auf der Spitze der Felsen immer noch eine Stupa errichtet werden. Alternativ dazu wurden oft auch Skulpurengärten mit vielen hundert sitzenden Buddhas angelegt, wobei die Figuren nicht aus Stein gehauen, sondern unsportlich aus Beton gegossen wurden, wie der burgenländische Steinmetz fachkundig anmerkt. Zwischen den Höhlenbesichtigungen knattern wir durch die endlose Ebene, machen Fotos von tiefgrünen Reisfeldern oder halten bei einem öffentlichen Schwimmbecken, in dem der Kanadier aus hygienischen Gründen nicht einmal sein Vieh tränken dürfe, wie er der restlichen Reisegesellschaft kund tut.
Namentlich ist mir zumindest noch die Sadan-Höhle in Erinnerung, nach deren Durchquerung man mit dem Boot unter einem gewaltigen Felsvorsprung hindurch zurückgerudert wird. Ein anderer Höhlenweg findet seine Fortsetzung am Felshang außerhalb und schlängelt sich bis zu einer Plattform mit Rundumblick auf die über den Reisfeldern untergehende Sonne.
Dann schnell weiter zur letzten Tagesetappe, zur Fledermaushöhle. Pünktlich zur Dämmerung verlassen Millionen von ihnen lautstark und stinkend einen recht schmalen Schlitz in einer Felswand, wobei ein paar Greifvögel versuchen, sie im Tumult des Aufbruchs zu erbeuten. Einheimische trommeln dazu wie wild auf Fässer und Kanister, als ob die Viecher sonst daheim bleiben würden. Eine lange Wolke von Fledermäusen zieht sich den Fluß entlang, bis man sich am Horizont zwecks Nahrungssuche in alle Winde zerstreut. Wir Menschen werden zurück in Hpa An das selbe tun, am Ende eines langen Tages.
 
6.2., Hpa An
 
Mehr als ein, zwei Bananen, trockenes Toastbrot oder ab und zu ein Stück Wassermelone brauche ich momentan nicht zum Leben. Ich bin wundersamerweise gänzlich frei von jeglichen Ernährungsgelüsten und zehre frohgemut von meinen reichlichen Reserven. 
Der erste Spaziergang nach Tagen der Klausur. Die Hunde knurren mich an in den ärmlichen Siedlungen am Rande der Stadt. Schon wieder Staub, unzählige Kinder in Schuluniformen. Lieblingssport von Jung und Alt: Einen hohlen Bastball mit Fuß oder Kopf in der Gruppe hin und her schießen. In den Gräben glosen Feuer von Laub und Plastikabfällen und verpesten die Luft. Alles, auch ein Packerl Tschick, wird in Myanmar im Plastiksackerl verkauft, das Verweigern hat meistens Unverständnis zur Folge. Das Tragen einer Wasserflasche einfach so gilt als ausgesprochen stilos, das Plastiksackerl als schickes Accessoire.
Geld wechseln in der Bank. Aus Sicherheitsgründen aber nicht mehr als hundert Euro auf einmal, die Echtheit der Banknote könne vom Personal nämlich nicht überprüft werden. Ich muß eine Ausweiskopie und meine Anschrift hinterlassen, für etwaige Nachfragen. 
An den Wänden stapeln sich Packen mit schmutzigem Geld. Gerade die kleinen Scheine wirken oft, als hätten sie schon als Klopapier herhalten müssen. Ekelhafte Lappen, die seit ewigen Zeiten in Umlauf sein müssen.
Alle paar Ecken stehen Klöster mit den üblichen Mönchen, die vor ihren goldenen Stupas Laub rechen oder in der Hängematte chillen. Eine seltsame Art, den Tag zu verbringen. Die restliche Zeit werden sie wohl beten, meditieren oder fernsehen, ehe sie frühmorgens wieder auf Schnorrtour gehen.
An der Rezeption meines Hotels miete ich mir einen Roller. Wie in der Bank auch hier das Gefühl, als ob der Angestellte aus dem Fernseher oder aus einer anderen Realität heraus mit mir sprechen würde, ein völlig unwirkliches Erlebnis. ZORC! Ich stehe noch total neben mir.
Aber cruisen geht. Mit dem Moped fahre ich durch den Markt und später den Fluß Thanlwin entlang, dann weiter zu einer verfliesten Tempelhöhle dreißig Kilometer außerhalb. Meine Maps.me-App funktioniert leidlich, zumindest sobald ich die Stadt verlassen habe.
Ein freistehender Karstfelsen mitten in der Ebene, der Eingang zur Höhle hoch oben und über Stufen erreichbar. Über Lautsprecher lamentiert jemand wie üblich eine endlose Litanei und stört den Frieden. In schmuddeligen Becken mit heißem Wasser baden Menschen, oben in der Höhle beten sie die unzähligen Buddhastatuen aus Marmor an. Ich setze mich unten in den Schatten und schaue ein Weilchen, gelegentlich muß ich Hände schütteln.
Weil ich gerade so gut am Schauen bin, gebe ich mir auch gleich den Sonnenuntergang direkt am Fluß, der die Landschaft in herrlich rotes Licht taucht. Holzkutter knattern vorbei. Am Nachtmarkt viele Holländer und ein paar Löffel Nudelsuppe für mich.
2.2.-5.2., Chiang Mai, Hpa An
 
Eine Woche später, ich bin wieder im Geschäft. Noch zwei Tage Bettruhe in Chiang Mai, die nur durch gelegentliche Trippelschritte zur Apotheke oder zum Seven Eleven unterbrochen wird, dann zwingt mich das abgelaufene Thai-Visum zur Tat. Per Bus fahre ich ein paar Stunden südwestlich zum Grenzübergang Mae Sot und lasse angeschlagen alle anfallenden Formalitäten über mich ergehen. In einem mit Papierstapeln zugemüllten und von Personal und Grenzgängern überbelegten Container zahle ich meine Strafe wegen "Overstay", dann werde ich zwei Krankenschwestern vorgeführt, ehe ich ausreisen darf. Untersuchung findet keine statt, aber eine Roboterstimme aus einem Kastl erklärt mich für gesund und fordert mich auf, weiterzugehen. Na dann. Draußen werden unterdessen alle Chinesen zusammengefangen und einer eingehenderen Begutachtung unterzogen. Corona ist in aller Munde und wird doch nirgends ausgeschenkt, was für ein Tamtam.
Ich stelle meine Uhr um eine halbe Stunde zurück, dann latsche ich über die erst kürzlich wieder aufgebaute "Freundschaftsbrücke" nach Burma. Auf halber Höhe werden die Autos entsprechend umgeleitet, hier herrscht wieder Rechtsverkehr. Da die meisten Autos allerdings aus Thailand stammen, sind sie rechtsgelenkt, was Überholmanöver für den Fahrer wesentlich schwieriger macht. Den ersten Meter schert er oder sie quasi im Blindflug nach links aus, bis der Gegenverkehr endlich zu sehen ist.
Einen Typen vom Zoll frage ich, wie lange er für die rund hundertfünfzig Kilometer bis Hpa An veranschlagen würde, meint der, ein bis zwei Tage. Er sei noch nie dort gewesen, aber das wäre seine Schätzung. Tatsächlich zieht sich die Angelegenheit in die Länge. Ein paar Stunden warten ein holländisches Psychologenpärchen und ich zunächst darauf, daß sich ein Minivan-Fahrer endlich eingesteht, daß es für heute bei uns drei Fahrgästen bleiben wird, dann fädeln wir uns in den dichten Verkehr nach Hpa An ein.
Zu Beginn der Reise sind die kurvigen Straßen noch asphaltiert. Zerquetschte Busse und Lastwägen liegen im Graben, vor allem ein gänzlich demolierter Reisebus ist stilles Mahnmal eines grauenhaften Unfalls. Später verwandelt sich die Strecke in eine Staubhölle noch nie erlebten Ausmaßes. Auf den nächsten hundertdreißig Kilometern wähnen wir uns in einem dichten Sandsturm. Die Sichtverhältnisse gehen gegen null, nur die Lichter des Gegenverkehrs heben sich kurzfristig ab von der gespenstischen Szenerie einer lückenlosen Staubwand. Oft geht es hinter überladenen Lastwägen nur im Schritttempo vorwärts oder die Kolonne kommt gänzlich zum Erliegen.
Jeder heimische Erdäpfelacker verfügt über weniger Flurschäden als diese Fahrbahn. Als ob sie teilweise geschmolzen wäre, Reste von Asphalt in Überwürfen wie eine zerknautschte Decke. Dann ragen wieder spitze Felsen und Steine statt Bodenbelag aus dem Untergrund, lauern Senken, Kuppen, Löcher und ungesicherte Abgründe.
Bis unlängst konnte diese Strecke an geraden Tagen nur in die eine, an ungeraden Tagen in die entsprechend andere Richtung befahren werden. Bis 2013 war der Grenzübergang für Ausländer nur mit Sondergenehmigung möglich, trotzdem kommt über diese Route ein Großteil thailändischer Waren und Güter ins Land. Umso erstaunlicher der desaströse Zustand dieses wichtigen Handelskorridors.
Die Augen tränen, es knirscht zwischen den Zähnen, durch die Lüftung kommt der feine Staub ins Wageninnere. Dazwischen Straßensperren. Bullen mit kaputten Zähnen und in Schlapfen registrieren uns, indem sie unsere Daten auf Käsezetteln notieren, die der Wind wohl bald davontragen wird.
Erst nach Mitternacht erreichen wir die Stadt Hpa An, in der noch vor wenigen Jahren Bürgerkrieg herrschte. Durch eine glückliche Fügung komme ich ohne vorherige Buchung ebenfalls im Hotel der Holländer unter und begebe mich umgehend erneut in Bettruhe, für einen weiteren Tag.

Samstag, 1. Februar 2020

Kurze Entwarnung: Fieber ist unten, Genesung in vollem Gange. Der verbleibende Rest ist wie ein überschaubarer grippaler Infekt. 2 Tage bleib ich noch im Bett, dann hat sich die Sache erledigt. Alles in der Ordnung!
30.1.-1.2., Chiang Mai

Seit Tagen fresse ich nichts außer Parkemed, Mogadon, Magengel, Akamol, ein fiebersenkendes Präparat aus Israel, und diverse aufbauende Salze, ich bin am Ende. Ciprofloxacin, ein Breitbandantibiotikum, hebe ich mir maximal als Joker auf. Bei den möglichen Nebenwirkungen steht: In seltenen Fällen kann die Einnahme... zu vollendetem Selbstmord führen. Beenden sie in diesem Fall die Einnahme von C. und wenden sie sich sofort an ihren Arzt. Kein Schmäh, kann jeder nachlesen. Außerdem hat die Recherche im Netz ergeben, daß es fast nichts gibt, womit der Körper nicht fertig werden könnte. 
Vor drei Tagen konnte ich noch zwei Bananen und in Bukowski-Manier drei gekochte Eier runterwürgen, seitdem nichts mehr bis jetzt soeben, eine Hand voll Salat und Toast. Meine Augen tränen ähnlich einer laufenden Nase und finster wirds auch nie so richtig. Das Zimmer völlig abgedunkelt, die Augen zu, trotzdem bleibt immer ein Restlicht. Oder es wechselt sich ab mit gewohnter Finternis, auch nicht besser. Ich wohne im ersten Stock. Wenn ich mir wie ein Geist von unten einen Tee hole, geschieht das in Zeitlupe und ich bin anschließend fix und fertig. Und die Schwitzerei, alles patschnass. Unter mir auf der Straße spielen die Kids jeden Abend Gitarre und singen und ich schaffe es nicht einmal, aus dem Fenster zu schauen, liege seit Tagen da wie hingeschissen. Als das Fieber noch stärker war, Schädlweh und sinnlose Gedanken in Endlosschleife, wachend oder träumend. Die Unmöglichkeit einer bestimmten Metalllegierung, irgendein Bullshit. Dazu noch immer mitten in der Nacht eine Lady, die nach dem Hausherrn ruft. "Flinn!"                          "Flinn!"                            "Flinn!"                               "Flinn!" Dem habe ich erzählt, ich hätte wahrscheinlich Corona, jetzt macht er sich in die Hose. Aber pünktlich zur Zeit holt er sich jeden Tag mit gebührendem Sicherheitsabstand die Kohle für die nächste Nacht. 
Travelex versorgt mich unterdessen mit Fotos seines Tellers voll Presswurst oder Infos bezüglich schrecklicher Krankheiten, auf die meine Symptome zutreffen. Mein thailändisches Visum läuft mit heute aus und ich stecke hier fest. Das ist ok, die Strafe pro Tag Overstay ist akzeptabel und ich könnte ohnehin nicht, auch wenn ich wollte. 
 
29.1., Chiang Mai
Mit mir logiert im Guesthouse Mia, Italienerin und ebenfalls Punk mit grünen Haaren und allerhand Metall am und im Körper. Macht Muay Thai, geht nie ohne Nuckle Duster außer Haus, vielleicht einsfünfzig groß, aber schon zum Fürchten. Ich darf weiterleben. Ich bin zwar ein Norm, also ein Nicht-Punk, wie sie mir erklärt, trotzdem verschont sie mich und versorgt mich darüber hinaus mit dem Kontakt eines Burmesen, der im Norden Myanmars Touren fernab der üblichen Pfade veranstaltet. Das klingt vielversprechend, nächste Woche werde ich wieder die Grenze zum westlichen Nachbarn überqueren.
Für heute borgt mir Hausherr Flinn, der mit den Tellern im Ohr, ein natürlich viel zu kleines Rad, mit dem ich meine Hood abcruise. Radfahrer sind in Chiang Mai so häufig wie Hundeschlitten in Wien, entsprechend verhalten gurke ich in der Gegend herum. Zuerst erkunde ich den Norden der 200 000 Einwohner zählenden Stadt. Da, wo sie ausfranst und in Brachland übergeht, herrscht wohltuende, dörfliche Ruhe und Beschaulichkeit. Richtung Zentrum wird´s hektischer. Gelbe Wasserwerfer haben ihre Kanonen auf friedlichen Sprühnebel gestellt und bewässern die Baumkronen entlang des quadratischen Wassergrabens, der die Altstadt umgibt. Von der siebenhundert Jahre alten, dicken, geziegelten Stadtmauer stehen nur mehr die teilweise verworfenen Ecken. Östlich Chiang Mais fließt der Mae Ping, dem ich noch ein Weilchen folge, irgendwo hier habe ich mit der Gefährtin vor ein paar Jahren schon gewohnt. Wie üblich kann ich mich an nichts mehr erinnern.
Ein Schönheitssalon bietet prägnant folgende Dienstleistungen an: Botox, Fat, Snowwhite, letzteres Service dem ewigen asiatischen Wunsch nach blassem Teint entsprechend. Tempel, Mönche in orangefarbenen Roben, ein großräumig angelegter Königspalast. Dann ein Päuschen daheim, bevor mich die wilde Göre in ihre Punkerhütte inmitten von Brachland, umgeben nur von Straßen und Brücken, mitnimmt. Wow. Gesocks aller Art und Herkunft, gemeinsamer Nenner: Der Wunsch, außerhalb der Gesellschaft zu stehen. Kein Wort oder Gekritzel aber gegen den König, darauf stehen in Thailand harte Strafen. Die üblichen Feindbilder müssen herhalten, die Queen, das Kapital, die Ausbeutung. An den Wänden viele deutsche Propagandaposter, RAF, Castor etc. Dazwischen tummeln sich ein paar Rocker, neben Sid Vicious und seiner Partie darf auch eine Motörheadfahne wehen. Die Thaianarchos sind generell gepflegter und gestylter als ihre verkommenen Gäste, gute Laune. Kalt wirds. 32°C untertags, 13°C in der Nacht.