Dienstag, 11. Februar 2020

11.2., Nyaung Shwe, Inle See

Am Frühstückstisch neben mir sitzt eine Französin. Was sie hier denn schon gemacht habe, frage ich. Gestern war sie essen beim Franzosen. Baguette, reifen Camembert und Döck. Döck? Was soll das sein? Sie beginnt zu quaken, Ente hatte sie. Und was macht sie heute? Sie wartet auf den Nachtbus. Aber es ist erst in der Früh? Egal, sie bleibt hier sitzen und wartet auf den Nachtbus.
Da ist mein Plan schon wesentlich spektakulärer, sogar die nur gewollte Version davon. Mit dem Moped einmal rund um den Inlesee und dann Wein trinken, das klingt definitiv machbar. Selig die Ahnungslosen, denn sie erleben Abenteuer.
Zuerst fahre ich nach Westen, bis ich den die Ebene eingrenzenden und sich nach Süden erstreckenden Gebirgszug erreicht habe, dann folge ich ihm. Mein Navi läuft nebenbei mit, aber eigentlich ist der Weg durch die natürlichen Gegebenheiten ohnehin vorgegeben. Ein Bub hockt auf einem riesigen Büffel mit Höcker und hat noch ein paar andere im Schlepptau. Ein Einheimischer trägt einen Wehrmachtshelm mit Hakenkreuz. Regelmäßig qualmt es aus kleineren Schornsteinen und ein schwerer, süsser Duft liegt in der Luft. Überall schneiden Männer Zuckerrohr und bringen es auf Traktoren zu diesen Öfen, wo die aus den Stengeln gequetschte Flüssigkeit so lange eingekocht und reduziert wird, bis nach vielen Produktionsschritten quadratmetergroße Platten brauner Melasse überbleiben. Ich darf dabei zuschauen und mich vom süssen Zeug bedienen, großartig. Wie in einer riesigen Hexenküche blubbern die Töpfe und schäumen über.
Immer nur Stupas auf den Bergspitzen. Als ob man nicht auch etwas anderes bauen könnte, vielleicht ein Observatorium oder einen Tierpark oder ein Freilufttheater oder eine Schaukel oder was weiss ich .
Eine Schlange wuselt über die Straße, gerade daß ich sie nicht überfahre. Alle paar Kilometer ist die Hauptstraße komplett gesperrt, dann haben die Autos die Gurke und die Zweiräder weichen waghalsig in die Botanik aus, aber einmal werden wir alle in Richtung See umgeleitet. Die nächste Stunde cruise ich über Schotter- und Sandpisten mitten durch die Ebene, den See zu meiner Linken. Teilweise geflutete Reisfelder, Bananenplantagen, Sonnenbumen. Einer pflügt seinen Acker und steht schenkeltief in stinkender Jauche. Idyllische Dörfer, die Menschen winken, nur der Wind sorgt für Geräusche. Wieder zurück am Fuß der Bergkette, schneiden Hackler Bambus und irgendwann komme ich zufällig zu einer riesigen Tempelanlage. Uralte, teilweise verfallene Stupas zu hunderten. Angkor Wat im Kleinen. Würgefeigen umklammern die zerbröselnden Bauten, vielen Buddhas im Inneren der Stupas wurde wahrscheinlich von Kunsträubern der Kopf abgeschlagen. Ein ewiglanger Säulengang führt zu einem windschiefen Kloster. Dann reicht´s mir eigentlich und ich suche nach einem Weg über den See. Ein überbrückter Kanal, eine Engstelle würde schon reichen, dann könnte ich queren und auf der anderen Seite den Weg retour antreten. Nichts zu machen, alle Straßen enden immer im Nichts beziehungsweise vor unüberwindbarem Wasser. Wenigstens hocken überall Menschen und verkaufen flaschenweise Benzin. Ich ziehe mein Navi zu Rate, das spuckt einen gigantischen Umweg in Form einer Spange über zwei Bergketten und eine Querung weit im Süden aus, noch zwei Stunden. So soll es sein. Die meiste Zeit geht´s offroad dahin, dazwischen selten holpriger Asphalt. Sechzig km/h ist das höchste der Gefühle, mehr geben Straße und Moped nicht her. Meistens reichen zehn. Die App schickt mich über Stock und Stein durch absolut entlegene Bergdörfer, oft wähne ich mich in Afrika oder Australien wegen dem roten Sand. Ein Herumgerutsche auf ausgeschwemmten Feldwegen, Irrfahrten, die doch immer wieder zu akzeptableren Straßen führen. Bis ich den See endlich queren kann, sind viele Stunden vergangen.
Kurz vor den Toren meiner Stadt lädt auf einem malerischen Hügel das Weingut Red Mountain zu einer Weindegustation. Umgeben ist es von Weinstöcken, aus Springbrunnen plätschert einschläfernd das Wasser. Ein herrlicher Blick auf den See unterhalb, die Sonne geht bald unter. Dann kommen vier Kostproben, zweimal weiß, zweimal rot. Wer mich kennt, weiß: Ich habe nicht den blassesten Schimmer von Wein und ich bin nicht wählerisch. Essig kommt bei mir nicht nur in den Salat. Stellt mir jemand etwas hin, das das Gebinde nicht gleich wegätzt, werde ich es trinken und es wird mir schmecken. Vorher meinten schon zwei Italiener und die Französin vom Frühstück, der Wein hier oben wäre nicht zu saufen, einfach schrecklich. Ja gut, verwöhnte Chauvinisten halt, habe ich mir gedacht. Aber was mir hier für ein Geschlodder die Röhre runter rinnt, ist mir bislang noch nicht untergekommen. Niemals hätte ich mir gedacht, daß man  eine derartige Chuzpe haben kann, Menschen so etwas Übles vorzusetzen. Der Begleittext zum Heckenklescher faselt freche Erfindungen in blumigsten Tönen. Wobei, mouthfilling taste und persistent finish kann man so oder so auslegen. Dicht macht die Plörre wenigstens und unten bleibt sie auch.
Noch zum Stamminder daheim auf ein Knoblauchbrot mit Linsensuppe, dann auf Strom warten und schnell den ganzen Staub heiß runterduschen. Ein wunderbarer Tag, ich bin gerädert.

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