Freitag, 30. Dezember 2016



30.12., Lombok, Sumbawa Besar
In voller Montur wegen der vielen Gelsen im Zimmer geschlafen, erholsame Nachtruhe sieht anders aus. Wurscht, der Wecker läutet schon zum nächsten Termin. Unser heutiger Tourguide Rizal fährt uns zu einer kleinen Anlegestelle, von wo wir mit einem Auslegerboot zu einer Insel gebracht werden. Am Handy zeigt er uns Videos vom gestrigen Stockkampf, den wir knapp verpasst haben. Einmal im Monat versammelt man sich in großem Kreis am Strand, um indonesischen Sparversionen von Gladiatoren dabei zuzusehen, wie sie mit Bambusstöcken aufeinander eindreschen. Kann das zur Verteidigung verwendete Schild die wuchtigen Schläge nicht abwehren, fließt schnell Blut. Die Kämpfer sind gezeichnet von Striemen und anderen Wunden. Der Sieger legt, falls noch in der Lage dazu, nach seinem Sieg ein Tänzchen hin. Wetten ist bei der streng moslemischen Bevölkerung nicht angesagt. Hat sich jemand gut geschlagen, lässt man ihm vielleicht ein Geldgeschenk zukommen.
Am Strand und im Wasser wuselt es vor asiatischen Ausflüglern in Schwimmwesten, die nach altbewährter Art im hüfthohen Wasser treiben und darauf hoffen, dass ihnen zahlreiche maritime Exoten vor die Tauchmaske schwimmen. Dabei helfen soll altes Toastbrot, das zum Anlocken von Fischen ausgegeben wird. Hundert Meter weiter entdecken wir zufällig den herrlichsten Korallengarten, der sich über die angrenzende, menschenleere Bucht erstreckt. Protected Area, meint Rizal später, die Korallen müssten erst wachsen. Na ja, so lange möchte ich dann doch nicht warten. Lunch gibt´s auf der Nachbarinsel, nämlich frisch gegrillten Fisch, den wir uns vom Festland mitgenommen haben, mit scharf und Wasserspinat und einer Kokosnuss. Eine Stunde nachdem ich bemerkt habe, dass ich meinen Schwimmanzug am Strand vergessen habe, ist er auch schon weg. Shit! Einer von den hauptberuflich hier herumlungernden und auf Pfosten wie mich wartenden Gestalten hat es heute gut erwischt und ich werde für die restliche Zeit zum Schutz gegen die Seeläuse in Shirt und Trainingshose schnorcheln gehen, wie in den alten Zeiten. Heute brennt die Sonne, obwohl angeblich Regenzeit ist. Der Hafen zwischen Lombok und Sumbawa ist schon seit Tagen wegen rauer See gesperrt und nur die großen Fähren dürfen auslaufen. Damit fallen unsere Pläne ins Wasser, von hier ein Boot nach Komodo zu chartern. Das ist bitter, zumal die östliche Nachbarinsel Sumbawa touristisch so gut wie nicht erschlossen ist und es über zwanzig Stunden dauert, sie über Land zu durchqueren. Für heute jedenfalls nehmen wir den Abendbus in die Provinzhauptstadt Sumbawa Besar, von wo wir uns morgen nach Norden zur Insel Pulau Moyo durchzuschlagen gedenken. Acht Stunden Fahrzeit sind anberaumt, geplante Ankunft: Mitternacht. Bevor der Bus auf die Fähre fährt, wird er noch von fliegenden Händlern geentert. Wir erstehen Reis mit Zubehör im Bananenblatt, dann gehen wir für die Dauer der Überfahrt an Deck. Hell erleuchtete Schiffe liegen inmitten totaler Finsternis im Hafengelände vor Anker, unsere Fähre gleitet beinahe unbeleuchtet an ihnen vorbei. Sehr atmosphärisch. Zwei Einheimische gesellen sich zu uns. Das Gespräch erschöpft sich relativ rasch, dem ausgegrabenen Wortschatz entsprechend: Big, happy, America und Australia.


29.12., Langkawi, Kuala Lumpur, Lombok
Keine fünf Stunden Schlaf, schon wartet das Taxi zum Flughafen auf uns. Da der erste Flug verspätet ist, bleibt in Kuala Lumpur bis zum Anschlussflug zu wenig Zeit, als dass sich eine Fahrt in die Stadt auszahlen würde. Also wieder einmal ein paar Stunden abgammeln am Flughafen. Arta fliegt heim und wir landen am Abend in Lombok, Indonesien. Schon wieder ein anderes Land, aber die Ein-und Ausreiseformalitäten werden zügig abgewickelt. Allerdings muss ich der Dame vom Zoll jedes meiner mitgeführten Medikamente einzeln erklären und bekanntlich bin ich stets als mobile Apotheke in fremden Landen unterwegs. Das Staunen ob der propagierten Wirkung meiner Wundermittel ist groß und frei von jeglichem Misstrauen. Ich könnte statt von Durchfall oder Fieber ebenso gut von der kurzfristigen Aufhebung der Schwerkraft oder von der Erlangung von Superkräften faseln. Ein paar Milliönchen vom Bankomaten ziehen und in einem versifften Loch absteigen, noch schnell einen Schnorcheltrip für morgen buchen, bevor die Travel Agency-Verschläge schließen und dann endlich können wir uns zum Wirten setzen und in Ruhe essen. Drei verschiedene Fische bestellen wir uns, alle Exemplare schmecken köstlich. Ein entbehrlicher Reisetag.


28.12., Bulon Leh, Langkawi
Eine raue Fahrt zurück, das Boot schlägt hart auf den Wellen auf. Jaja, wir fetzen schon wieder weiter. Vom Küstenort Pakbara weiter nach Satun und von dort mit der Fähre nach Langkawi in Malaysien. Die winzigen Zimmer, die wir dort beziehen, haben keine Fenster, aber sind klimatisiert. Für unsere Ansprüche an ein Lager für die Nacht reicht es allemal. So reisen wir mit Anstand und Stil und eingebautem Turbo. Einzig die unvermeidbaren, zahlreichen Pinkelpausen bremsen uns. Auch heute bleiben nur mehr ein paar Stunden, um neben den einheimischen Damen in ihren Burkinis am ewig langen Strand zu flanieren. Wie Aussätzige auf Tagesausflug kommen wir daher, ein Dermatologe hätte seine Freude mit uns. Moskitostiche, blaue Flecken, Sonnenallergien, entzündete Wimmerl unbekannter Herkunft, Seelausdippel. Ich führe noch zusätzlich einen Ausschlag auf den Unterschenkeln und hobbitmäßig geschwollene Füße spazieren. Quasi ein Aussätziger mit Rentnerbein. Ein Maiskolben hier, eine Auster da. Inklusive geschäftsschädigender Gesichtsentgleisung von Edina und Arta, die so tun, als hätte man ihnen versalzenes Affenhirn vorgesetzt. Ena hat im Wissen um ihren kulinarischen Autismus gleich ganz verweigert.  Für den mitternächtlichen Boxenstopp und die erste warme Dusche seit vielen Wochen sind lumpige zehn Minuten anberaumt, wir müssen noch zum Nachtmarkt.


26.,27.12., Von Koh Payam nach Bulon Leh
Der Nachtbus hält noch rasch vor einem Shop mit umfangreicher Auswahl an überdimensionalen Gartenzwergen, ehe er sich mit uns nach Hat Yai aufmacht. Die unbequeme, siebenstündige Busfahrt wird mir noch zusätzlich von einer dicken Quallenfrau vermiest, die sich zuerst mit ihrer dreiköpfigen Brut im schmalen Mittelgang noch breiter als sonst macht und die ich die Nacht über davon abhalten muss, mit ihrem Mostschädel noch weiter in meinen Fußraum einzudringen. Ankunft um 2.30 in der Früh. Warum? Wer will um diese Zeit irgendwo ankommen? Während die drei Sitzriesen Ena, Edina und Arta ausgeruht und frisch wie der Morgentau aus ihren Sitzen klettern, schleife ich für den Rest des Tages das fade Auge. Mit vier Mopedtaxlern wechseln wir im Eiltempo den Bahnhof, obschon von dort erst um Sieben ein Minivan zum Hafen nach Koh Bulon Leh abfahren wird. Auch hier liegt vor einem mit Blumen und schwarzweißen Schleifen geschmückten Erinnerungsbild des verstorbenen Königs ein edles Kondolenzbuch auf, in das sich Stefsechef kraft seines Amtes als inoffizieller Kulturattaché der Donaurepublik auch im Namen des österreichischen Volkes einträgt. Was kann man hier sonst noch tun? Nix mehr. Um zwanzig Cent schlürfen wir Instantkaffee- Plörre, um im Jargon meiner germanischen Reisebegleitung zu bleiben, und warten auf den Morgen. Sehr viel später endlich wieder Roti am Hafen, fettig-fluffige Teigteile mit Currytunke. Das Schnellboot entlädt uns nach halbstündiger Fahrt vielleicht hundert Meter vor der Insel in ein Longtailboot mit weniger Tiefgang und empfiehlt sich zügig und der Kapitän des kleinen Kutters hätte noch gerne fünfzig Baht für seine Dienste, ehe er uns auf Koh Bulon Leh aussetzt. Das ist von seiner Warte aus würdig und recht und das wütende Aufheulen von Ena und Co., sie hätten das Ticket für die Überfahrt ja wohl nicht bis zu einer Boje irgendwo im Meer bezahlt, lässt ihn trotz schwüler Witterung völlig kalt. „No money no go!“ Nach ein paar Minuten schaukelnder und völlig aussichtsloser Geduldsprobe gegen einen schon gechillt geborenen Insulaner, der heute wohl auch nichts anderes mehr vor hat, brennen wir natürlich noch die zweite Fuhre und hüpfen nachmittags endlich in den weißen Sand des kleinen Eilands. Auch hier waren Ena und ich schon einmal, wir wollen uns aber die nächsten drei Tage nur schön langsam  nach Kuala Lumpur vorarbeiten, von wo Arta heimfliegen wird und wir drei weiter nach Lombok in Indonesien reisen. Volles Haus, genau wie beim letzten Mal. Zwei überteuerte Hütten im Hinterland warten noch, der eiskalte Rum mit Cola und Limette am Strand ist mehr als verdient. Trotz Ebbe schnorcheln wir noch ein bisschen herum, ehe die Sonne schon wieder untergeht und uns diverses Nesselgetier aus dem Wasser treibt. Girlytalk als kosmisches Hintergrundrauschen. Bei mir bitte nur von links fotografieren, das ist meine Schokoladenseite. Die hat so schöne Haare, der ist schnuckelig und das ist drollig, wer hat ein Taschentuch, ich muss aufs Klo. Hühnergegacker, Sparwitzalarm. Ich schalte regelmäßig auf Durchzug, um Ohrensausen und Cerebralhämatomen entgegenzuwirken.

Mittwoch, 28. Dezember 2016


20.-25.12., Ranong, Koh Payam

 

Eindeutig zu viel Thaifood die letzten Tage. Im Tesco gibt’s eine Pizzeria, die wird von uns gestürmt. Die Tabascosauce dort schmeckt lächerlich mild, wir haben uns mittlerweile an die Schärfe gewöhnt. Am Normal Boat zurück auf die Insel sind schon wesentlich mehr Touristen, die Saison dürfte endlich in die Gänge kommen. Ein armer Thai muss noch in die Drecksbrühe reinhüpfen und zur Schiffsschraube abtauchen, weil sich ein Stück Stoff in ihr verfangen hat, ehe wir für eine weitere Woche zur ereignislosen Inselidylle Koh Payams zurückkehren können. Ab und zu gurken wir im Lauf der nächsten Tage ziellos in der Gegend herum, selten beehren wir subkulturelle Tanzveranstaltungen mit unserer Anwesenheit. Und natürlich werden Travellex und ich wieder raus zum Fischen fahren und natürlich werden wir mit leeren Händen zurückkehren, obwohl wir mit unseren ausgeworfenen Blinkern im Schlepp ausgiebig die Bucht abfahren. Zwischen dem Meer und dem grauen Himmel ist kein Horizont mehr auszumachen. So verbringen wir die Tage losgelöst von Zeit und Raum, bis die Monotonie unseres Daseins mit der Ankunft Enas und ihrer Partie ein jähes Ende findet. Für eine lächerliche Woche ist Freundin Arta mitgekommen, knappe drei Wochen konnten sich die Gefährtin und ihre Schwester Edina von heimischen Zwängen freimachen. Das bedeutet in erster Konsequenz die Wiederholung der gesamten verfügbaren Inselaktivitäten im Zeitraffer und auch danach Reisen auf japanische Art. Nach einem Crashkurs in Sachen „Erstkontakt mit einem Ufo namens Moped für Unbedarfte und Grobmotoriker“ erkunden wir ausgiebig die hiesigen Highlights wie den pittoresken Felsen mit den drei Löchern oder den einsamen Strand mit der Schaukel. Am Weg zum Monkeybeach klopfen die Affen wie im Steinbruch mit einem Felsbrocken in der Hand kollektiv Nüsse auf und die Mönche finden endlich wieder dankbare Abnehmer für ihre ausgegebenen Armbändchen. Bis auf einen gewaltigen Regenguss, der uns am Weg heim bis auf die Knochen durchnässt, wird auch das Wetter endlich deutlich besser. Kurz sich auftuende Zeitfenster der Untätigkeit nütze ich eiligst für Stärkungen mit aus der Heimat mitgebrachten Wurstwaren oder Weihnachtskeksen. Das Fest unseres Erlösers, Fleisch gewordenes Lendenprodukt infolge fragwürdiger Befruchtung einer nichtsahnenden Jungfrau durch einen heiligen Geist, wird heuer mit püriertem Fisch im Bananenblatt und anderen Schmankerln gefeiert, ehe wir uns eingedenk der gelungenen Hausgeburt in der Big Tree Road unter Sternen dem elektronisch untermalten Gesellschaftstanz hingeben. Alex zieht irgendwann weiter nach Australien und wird am Pier gebührend von der Saitong-Community verabschiedet und wir Zurückgebliebenen besuchen noch ein Konzert der thailändischen, durch Räucherwerk stets tiefenentspannten Reggaeband  Job to do, bevor auch wir weiterziehen.

 

Mittwoch, 21. Dezember 2016



19.12., Ranong

Ein Frühstück mit unzähligen Miniportionen, die man zuvor aus den Vitrinen des Restaurants wählt und die wenig später frisch gedünstet oder gebraten in hohen Stapeln von Bambusschalen serviert werden eröffnet den Reigen der heutigen Entdeckungen, die wir unseren Stadtführern Aeow und Cha zu verdanken haben. Dann essen wir zur Abwechslung nicht, sondern füttern Fische im idyllischen Fischteich ein paar Kilometer außerhalb Ranongs. Die Welse dort sind so groß, dass ihnen Travellex die vorher gekauften Toastscheiben im Ganzen ins Maul schieben kann. Riesengeräte. Furchtlos, elegant und hungrig. Noch schnell sehr alte, bräunlich transparente Eier und getrocknete Sepias jausnen, während wir von halb verhungerten Hunden umzingelt sind, die auf Abfälle warten, dann fahren wir schon wieder rein in die Stadt. Wir folgen einem engen Zeitplan. Heute nehme auch ich eine Massage in Anspruch. Das Institut gehört zu einem Spital und macht einen hochprofessionellen Eindruck. Ich muss in Anstaltskleidung wechseln, bevor mir eine adipöse Dame die Füße wäscht und daran geht, mich nach allen Regeln der Kunst zu bearbeiten. Vorher stopft sie sich noch den Mund mit Essen voll und versinkt mit vor dem Kopf gefalteten Händen in ein schnelles Gebet. Dann spielt sie ihr ganzes, zweifelhaftes Repertoire aus. In der Leistengegend mit Nachdruck die Blutzirkulation zu den Beinen absperren, Mit ihren Ellbogen alle auffindbaren Muskeln quetschen, mit ihren Wurstpranken an meinen Zehen und Fingern reißen, dass sie fast aus den Gelenken springen. Auch ihre Füße und Knie kommen zum Einsatz, goldenes Handwerk. Zur Belohnung gibt’s ein Glas Tamarindensaft mit Salz und Zucker für uns. Am Foodmarket wählt dann jeder nach dem Zufallsprinzip aus einer unüberschaubaren Auswahl an Speisen aus und daheim decken wir den Tisch mit knallrot gefärbtem Hühnerfleisch, dünnen, sehr langen Pilzen mit ganz kleinen Köpfen, zähen Muschelbrocken, fermentierten Bambussprossen, drei ganzen Fischen und noch vielem mehr. Bier mit Eis im Garten, Zikaden, Musik.