26.11., Leh,
Likir
Hat doch
länger gedauert, der Trek. Unendliche Weiten, Schweine im Weltall, kein
Internetz nirgends. Hier eine also die letzte Woche. Die Stadt schläft noch,
als ich um 7.30 zum dreißig Minuten entfernten Busbahnhof latsche, meine Wirtin
ebenfalls. Einen brandneuen Zweitausenderlappen habe ich ihr gestern schon
überreicht, das sind dreißig Juros und nicht wirklich viel für vier Tage
Quartier und Verpflegung. Am Weg knipse ich ein paar Straßenlaternen aus, weil
es schon hell ist. Von jedem Mast baumelt ein Kippschalter, da kann der Bürger sich
noch einbringen. Putzbrigaden kehren inmitten dichter Staubwolken die Straßen, während
die Hunde sich um die Abfallhaufen drängen und nach Verwertbarem suchen. Diese
ausgezehrten Kreaturen würden wohl alles fressen. Ich vermute, sogar Saitan
oder Koreander. Meinen am Vortag vom hiesigen Traffic Manager zugesagten Minibus kann ich mir aufzeichnen, der
geht jetzt doch erst am Abend. Nicht ärgern, viel süßen Tee trinken und zwei
Stunden auf den ersten öffentlichen Bus warten, der nach der kalten Nacht nur
äußerst widerwillig anspringt und mich später an irgendeiner Kreuzung nahe
Likir rauslassen wird. Die Leute sind
größtenteils schmerzbefreit und barfuß in ihren Plastiksandalen unterwegs, ich
trage wie immer alles Verfügbare. Der Bereich des Fahrers ist wie überall in
Indien mit blinkenden Bildern von Göttern, Mönchen und Heiligen geschmückt,
dazu noch kleine Gebetsfahnen und mit Steinen oder Glas bestickter Stoff. Erstaunlich
pünktlich fahren wir los. Nach fünf Minuten geht schon indisches Gedudel auf
die Fahrgäste nieder, die Hütte ist voll. Reges Treiben am Militärflughafen.
Hubschrauber und Flugzeuge starten und landen, ich sehe über viele Kilometer
weitläufige Kasernen mit einschlägigen Sprüchen über den streng bewachten Einfahrten.
Will and skill is a must for kill, Search
and destroy, Just bash on, regardless. Die Fire and Fury Eagles haben ein eigenes Gelände, ebenso die Turban
tragenden Sikhs im Punjab Regiment. Trucks
und anderes schweres Gerät zum Abwinken. Barracken für viele tausend Soldaten.
Außerhalb der Kasernen lagert fahrendes Volk in slumähnlichen Zeltsiedlungen. Anfangs
fahren wir den Indus fast auf gleicher Höhe entlang und schrauben uns dann eine
steil abfallende Schlucht hoch. Der silbern glänzende Fluss liegt jetzt weit
unter uns in seinem viel zu großen Bett. Enge Serpentinen, Angst. Die neue,
noch schwarze Piste schlängelt sich fortan durch endlose Steinwüste, wo es
außer kleinen hölzernen Strommasten nichts mehr gibt. Ein Gedenkstein im
Nirgendwo erinnert an eine fatale
Sturzflut, in der vor einigen Jahren viele Menschen abgesoffen sind,
auch der untere Teil der Hauptstadt war damals betroffen. Und immer die
unvermeidlichen Sinnsprüche auf Tafeln entlang der Straße. Liquor,overload and speed, three benefits for death. A smooth road for
a smooth ride. After Whisky driving
risky. Auch kryptischer Text regt zum Nachdenken an, etwa Child is a father of man oder Don´t be gama in the land of Lama. Wenig
Verkehr außer den Militärkolonnen, gigantische vertikale Verwerfungen in der
Felsenlandschaft, kleine Dörfer, in sich verschachtelte, altersschwache Klöster
auf fernen Berggipfeln. Einer ist laut Ausschilderung ein Magnetic Hill, mehr kann ich dazu auch nicht sagen. Bei besagter
Kreuzung hüpfe ich raus, trinke noch einen Tee vor einem einsamen Verschlag und
gehe dann die Nebenstraße hoch nach Likir. Nicht schön mit dem gesamten Gepäck,
einem Rucksack vorne und einem hinten. Nach zwei, drei Kilometern stehen die ersten
Häuser in den Hängen. Schilder weisen zu den Homestays und Guesthouses. Ich
statte ihnen allen einen Besuch ab und dann auch den Privathäusern. Ich klopfe,
schreie, betrete unbefugt und bin doch erfolglos. Das Dorf ist wie ausgestorben
und die zwei Pensis, die ich aufscheuche, wehren mit Händen und Füßen ab. Also
weiter den Berg hoch, bis zum Kloster. Ein Mädchen mit von der dauernden Kälte
geplatzten Adern und roten Wangen versichert mir auf Braille-Suaheli, es gäbe
irgendwo da oben noch ein geöffnetes Quartier für mich. Die Schultern schmerzen
von den Riemen, es beginnt leicht zu schneien, ich bin stehend k.o. Eine
Abkürzung zum Kloster ist ausgeschildert. Runter den Steilhang zum Bach, der es
umfließt, am Gegenhang wieder hoch. Da, endlich! Ein kleiner Hof mit einem
fürstlichen Zimmer für mich. Am Flachdach dazu gebaut, auf zwei Seiten eine
Fensterfront mit herrlichem Blick auf die Landschaft, die ich noch kurz zuvor jammernd
hochgeschlichen bin. Ich bin so froh, dass ich da bin. Einen Strahler hat der
junge Bursche für mich und viele dicke Decken und eine Kanne voll mit heißem Tee.
Ein Traum. Nachdem ich mich soweit gesammelt habe, schmieden wir folgenden
Plan: Morgen werde ich mir das Kloster ansehen und sonst nachhaltig chillen. Mein
Gepäck werde ich auf das Wesentlichste reduzieren, die nächste Woche werden wir
einen ausgedehnten Trek miteinander unternehmen. Der Hausherr ist nämlich ein
Guide, spricht recht gut Englisch und nett ist er auch noch, was will man mehr.
Und deswegen bin ich ja schließlich hier, nicht zu vergessen. Später sitze ich
mit ihm und seiner Familie, Vater, Frau, zwei Söhne, in der sehr, sehr schäbigen
aber durch den mittigen Holzofen sehr, sehr warmen und gemütlichen Küche und wir
essen zu Abend. Gerstensuppe mit Pilzen, gekochte Germlaberl mit Gemüse und
Linsenpampe. Dann strickt die Frau und die Kids schauen fern und ich verziehe
mich mit abgekochtem Bachwasser auf mein Zimmer und vergrabe mich bis zur Nase
in den flauschigen Decken. Von ganz gschissen bis ganz super war heute alles
dabei.
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