Montag, 5. Dezember 2016



3.12., Von Tar nach Hipti
Dashi nimmt, so wie alle anderen vor ihr, lieber fünfzehn Euro als tausend Rupies für Kost und Logis, soll mir recht sein. Der Trek würde sich ansonsten mit meinen bescheidenen Devisenreserven nicht ausgehen. Nach einem Omelett starten wir los. Gleich hinter dem Haus schlängelt sich der Pfad hoch zum Pass, neunhundert Höhenmeter am Stück. Oben auf viertausendvierhundert Metern kauern wir uns hinter einen mit Gebetsfahnen geschmückten Felsen, um uns vor dem schneidenden Wind zu schützen, und trinken Chang. Eiskaltes Ambrosia, nach indischer Sitte lippenlos aus der gestern geleerten Rumflasche. Nie wieder wird mir Chang so gut schmecken wie hier, kein Zweifel. Die Sonne gibt auch heute ihr Bestes aber gegen den Wind ist sie chancenlos. Es folgt eine rasante  Rutschpartie einen viele hundert Meter langen Schiefersandhang hinunter. Das geht fast von selbst und macht viel Spaß. Mit großen Schritten schliddern wir grölend dahin. Unten leeren wir unsere Schuhe aus, Stanzin sucht Bergkristalle, ich finde einen Ibex- Schädel im jetzt ausgetrockneten Flussbett. Der ist mächtig mit seinen Hörnern und bekommt einen Ehrenplatz hoch oben auf einem Felsen über dem Pfad. Schon fast beim nächsten Dorf wachsen einige wenige Bäume in bizarrster Art und Weise, liegen mehr als sie stehen, sind hohl, teilweise abgestorben, in sich verdreht. Ein wildes, zotteliges Yak rammelt am Wegesrand ein domestiziertes Mischlingsweibchen. Wir erreichen die kleine Siedlung, wo scheinbar nur eine Sippe wohnt, wenig später. Die Bude ist abgeschlossen, Stanzin muss die Partie erst aufstöbern. Irgendwann taucht er dann mit zwei Kindern und einem seltsamen weiblichen Zwerg auf. Das Haus wirkt verwahrlost. Monströse Klumpen einer dubiosen Masse, die außen mit roter Lebensmittelfarbe so bemalt ist, dass es wie Fleisch aussieht, gammelt in der Wohnküche vor sich hin. Wieder irgendeine rituelle Opfergabe im Zuge irgendeiner Feier, weiß der Geier. Bald trudeln die Eltern ein. Der Opa brummt Mantras vor dem Ofen, der endlich eingeheizt wird, grauslicher Buttertee, während mich der Zwerg anstarrt. Der Mann hört überlaut verzerrtes Radiogeplärre. Zum Essen gibt´s Nudeln mit Kraut und Karotten, wie gehabt. Das einzige Gemüse auf Lager im ganzen Land. Ekelhaftes eingelegtes Kraut und Karotten dazu, stinkt nach Milchsäure und ist nicht hinunter zu bekommen. Nach dem kulinarischen Fiasko bringt die Frau in Zeitungspapier eingepacktes gelbes Pulver mit noch irgendeinem Bemmerl mittendrin, ausgegeben vom Amchi, dem örtlichen Medizinmann, gegen ihre Knieschmerzen. Kein Text dazu, was das überhaupt sein soll oder wie es einzunehmen wäre. Die nächste Apotheke ist weit und die Familie könnte sich deren Medikamente ohnehin nicht leisten. Jedenfalls will sie von mir wissen, ob sie irgendwelche Nebenwirkungen zu befürchten hat, sollte sie sich das Zeug verabreichen. Ich gebe ihr ein paar entzündungshemmende Tabletten und nehme die folgenden Huldigungen nur zögernd an. Die Zwergenfrau mit ihrem stupiden Starren und ihrer teilweise angebrunzten Jogginghose macht mich fertig. Sie bekommt gelegentlich einen Tritt von den Kindern, die totale Freakshow. Die Häferl haben einen Grindrand Nüsse, die uns in einer Schale hingestellt wurden, werden angetatscht und dann wieder in die Schüssel zurückgegeben. Die Decken im Nachtlager stinken nach ranziger Butter. Ich will hier ehestmöglich weg.

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