3.12., Von
Tar nach Hipti
Dashi nimmt,
so wie alle anderen vor ihr, lieber fünfzehn Euro als tausend Rupies für Kost
und Logis, soll mir recht sein. Der Trek würde sich ansonsten mit meinen
bescheidenen Devisenreserven nicht ausgehen. Nach einem Omelett starten wir
los. Gleich hinter dem Haus schlängelt sich der Pfad hoch zum Pass, neunhundert
Höhenmeter am Stück. Oben auf viertausendvierhundert Metern kauern wir uns
hinter einen mit Gebetsfahnen geschmückten Felsen, um uns vor dem schneidenden
Wind zu schützen, und trinken Chang. Eiskaltes Ambrosia, nach indischer Sitte
lippenlos aus der gestern geleerten Rumflasche. Nie wieder wird mir Chang so
gut schmecken wie hier, kein Zweifel. Die Sonne gibt auch heute ihr Bestes aber
gegen den Wind ist sie chancenlos. Es folgt eine rasante Rutschpartie einen viele hundert Meter langen
Schiefersandhang hinunter. Das geht fast von selbst und macht viel Spaß. Mit
großen Schritten schliddern wir grölend dahin. Unten leeren wir unsere Schuhe
aus, Stanzin sucht Bergkristalle, ich finde einen Ibex- Schädel im jetzt
ausgetrockneten Flussbett. Der ist mächtig mit seinen Hörnern und bekommt einen
Ehrenplatz hoch oben auf einem Felsen über dem Pfad. Schon fast beim nächsten
Dorf wachsen einige wenige Bäume in bizarrster Art und Weise, liegen mehr als
sie stehen, sind hohl, teilweise abgestorben, in sich verdreht. Ein wildes,
zotteliges Yak rammelt am Wegesrand ein domestiziertes Mischlingsweibchen. Wir
erreichen die kleine Siedlung, wo scheinbar nur eine Sippe wohnt, wenig später.
Die Bude ist abgeschlossen, Stanzin muss die Partie erst aufstöbern. Irgendwann
taucht er dann mit zwei Kindern und einem seltsamen weiblichen Zwerg auf. Das
Haus wirkt verwahrlost. Monströse Klumpen einer dubiosen Masse, die außen mit roter
Lebensmittelfarbe so bemalt ist, dass es wie Fleisch aussieht, gammelt in der
Wohnküche vor sich hin. Wieder irgendeine rituelle Opfergabe im Zuge irgendeiner
Feier, weiß der Geier. Bald trudeln die Eltern ein. Der Opa brummt Mantras vor
dem Ofen, der endlich eingeheizt wird, grauslicher Buttertee, während mich der
Zwerg anstarrt. Der Mann hört überlaut verzerrtes Radiogeplärre. Zum Essen
gibt´s Nudeln mit Kraut und Karotten, wie gehabt. Das einzige Gemüse auf Lager
im ganzen Land. Ekelhaftes eingelegtes Kraut und Karotten dazu, stinkt nach
Milchsäure und ist nicht hinunter zu bekommen. Nach dem kulinarischen Fiasko
bringt die Frau in Zeitungspapier eingepacktes gelbes Pulver mit noch irgendeinem
Bemmerl mittendrin, ausgegeben vom Amchi,
dem örtlichen Medizinmann, gegen ihre Knieschmerzen. Kein Text dazu, was das
überhaupt sein soll oder wie es einzunehmen wäre. Die nächste Apotheke ist weit
und die Familie könnte sich deren Medikamente ohnehin nicht leisten. Jedenfalls
will sie von mir wissen, ob sie irgendwelche Nebenwirkungen zu befürchten hat,
sollte sie sich das Zeug verabreichen. Ich gebe ihr ein paar
entzündungshemmende Tabletten und nehme die folgenden Huldigungen nur zögernd
an. Die Zwergenfrau mit ihrem stupiden Starren und ihrer teilweise angebrunzten
Jogginghose macht mich fertig. Sie bekommt gelegentlich einen Tritt von den
Kindern, die totale Freakshow. Die Häferl haben einen Grindrand Nüsse, die uns in
einer Schale hingestellt wurden, werden angetatscht und dann wieder in die
Schüssel zurückgegeben. Die Decken im Nachtlager stinken nach ranziger Butter.
Ich will hier ehestmöglich weg.
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