25., 26.12.,
Essaouira
Ich
wiederhole mich. Auch hier ist die Altstadt geschützt durch eine rote
Zinnenmauer und portugiesische Befestigungsanlagen mit Reihen von Kanonen zum
Meer hin, Türmen und Schießscharten, auch hier lachen sich die Möwen am
Fischmarkt beim Hafen einen Ast ab, weil es so herrlich stinkt und es tolle
Abfälle in Hülle und Fülle gibt. So viele Möwen, dass wir sekündlich damit rechnen
müssen, mit einschlägigen Gaben von oben bedacht zu werden. Ich bin ein
gebranntes Kind. Vor einigen Jahren hat mir eine Möwe ihr Innerstes offenbart,
ich hätte nie für möglich gehalten, dass so viel in einen Vogel überhaupt
hinein passt. Zwei Meter lange, barracuda- ähnliche Fische, gelbschwarze
Moränen und Rochen verkaufen die Fischer. Die nicht sehr stolze Flotte
verrosteter Fischkutter liegt hier bis morgen vor Anker, Netze werden repariert,
Karten werden gespielt. Vor den Fisch- Restaurants möchten uns die Kellner mit
vollem Körpereinsatz dazu bewegen, doch bei ihnen Platz zu nehmen. Und auch
hier kann man sich herrlich in den Gassen der Medina verirren, natürlich auch
Unesco- Weltkulturerbe. Einzigartig in
Essaouira ist aber der ewige Wind, für den die Stadt berühmt- berüchtigt ist,
der bläst rund um die Uhr und überall, aber die Frisur hält. Der Stadt
vorgelagert ist eine kleine, befestigte Insel, auf der früher von irgendwelchen
Mollusken Purpur für den europäischen Adel gewonnen wurde. Heute belagern nur
mehr Vögel die alte Bastion, Touris dürfen nicht an Land. Die Gefährtin shoppt, als gäb´s kein morgen und
als müssten wir das nicht alles irgendwo in den drei Motorradkoffern
unterbringen. Aber recht hat sie, hier gibt´s die schönsten Dinge aus Holz um
kein Geld. Dabei ficht sie einsame Kämpfe gegen die landestypische Taktik des
Handelns und des Feilschens. Sie kann es nämlich partout nicht leiden, wenn der
Verkäufer sicherheitshalber einen lächerlich hohen Einstandspreis veranschlagt,
um am Ende des zu erwartenden Hin und Her doch noch mit einem schönen Sümmchen
übrig zu bleiben. Ginge es nach ihr, müsste der Typ sofort mit seinem
allerletzten Angebot aufwarten und so fordert sie das dann auch vehement ein.
Nur sehen sich viele halt außerstande oder schlicht nicht gewillt, plötzlich
jahrtausendealte Traditionen über den Haufen zu werfen. Schon vor Jahrhunderten
bildete Essaouira einen wichtigen Handelsposten zwischen dem gar nicht mehr so
fernen Timbuktu und Europa. Wurde damals hauptsächlich mit Gold, Salz,
Elfenbein und Straußenfedern gehandelt,
sind´s heute halt Souvenirs und gefälschte Vuitton- Taschen. Ein heimlich mitgeschnittener Dialog:
„How much is this? Tell me your best price! I don´t want to bargain. “
“150 Dirham, madame”
“Is this really your best price? Don´t make me angry!”
“120 Dirham, Madame”
“But first you said 150 and now you say 120, why don´t you tell me your
best price in the beginning?”
“100 Dirham,
Madame”
“Do you want me to leave?“
“80 Dirham, Madame”
„Ok, I´m leaving now!“
„60 Dirham,
Madame“ Und so geht´s dahin.
Später
schlendern wir den Strand entlang, der erstreckt sich über mehrere Kilometer,
bis er letztendlich in eine Dünenlandschaft übergeht. Zuerst schauen wir den
Kitesurfern zu. Die haben´s hier paradiesisch. Was da so vom Meer hereinkommt,
kann sich echt sehen lassen und der Wind lässt niemals nach. Der nächste Strandabschnitt
ist fest in der Hand von Kamel.- und Pferdevermietern, dann wird´s ruhiger. Wir
durchwaten einen seichten Fluss (wahr ist natürlich, dass sich die Holde rüber
tragen lässt) und vor uns tun sich die letzten Überreste einer alten Burg auf.
Zwei Türme und ein paar verfallene Mauern ragen noch aus den Sanddünen, die den
Rest der Anlage im Lauf der Jahre einfach verschluckt haben. Glaubt man der
Stadthistorie, wurde Jimmy Hendrix hier anlässlich seines Besuches im Jahre
1969 zu seinem Song „Castles made of sand“ inspiriert, der ist allerdings schon
eineinhalb Jahre vorher erschienen. Wurscht, das ganze Szenario hat trotzdem
etwas sehr Sphärisches. Wir dinieren in der örtlichen Rustikal- Gastronomie, wo
wir uns an zu Tode gekochter Suppe aus dem 50 Liter- Topf und heißen Germteigfladen
laben, dem einzigen verfügbaren Menü des Etablissements. Das ist aber immer
bummvoll mit Anrainern, die Mampfe ist ansprechend und die Rechnung für uns
beide zusammen beläuft sich auf unfassbare 80 Cent. Dann locken noch fliegende
Händler an jeder dritten Ecke mit Törtchen und Kuchen aller Art, Nutella-
Crepes und Fettkringel, ein Traum aus 1000 und einer Kalorie. Lässt man sich
schließlich irgendwo nieder, ist man im Nu umzingelt von Musikanten, waghalsigen
Akrobaten in zerschlissener Zirkuskleidung mit goldenen Sternen drauf, Bettlern
und Verrückten. Es ist schon finster, als wir die letzten unerforschten Winkel
in der Hafengegend durchstreifen. Wir fühlen uns ins Mittelalter
zurückversetzt. Steinbögen über uns, keine oder nur ganz spärliche Beleuchtung.
Gestalten in Kutten oder Kaftans im Nebel, blubbernde Töpfe in Nischen, die
Hufe der Esel klackern über das Kopfsteinpflaster. Uralte, windschiefe Häuser,
der Wind heult.