10.12., Von
Azilane nach Akchour
Irgendwann
ist der Ofen aus und dann wird´s richtig frisch. Ich bin aber zu dramhappert
(hochdt.: damisch), mir noch etwas anzuziehen und so friere ich wieder einmal
vor mich hin. In der Früh rumort´s in meinen Eingeweiden, was mich noch
zusätzlich aus dem lauwarmen Schlafsack treibt. Der Alte wirft gleich mal seine
Pfeife an, für einen beschwingten Start in den Tag. Für mich gibt´s seltsames Frühstück.
Kaffee, der so unglaublich dünn ist, daß er aussieht wie Tee. Ich übertreibe
nicht. Ranzige Butterbrocken, leider ungenießbar. Eine Schale Olivenöl, das so
dick und gelb ist wie Honig. Auch leicht ranzig, aber sonst sehr gut. Honig,
der so aussieht wie Marmelade. Dunkelrot, diverse Schwebstoffe und Fremdkörper
drin, aber ausgezeichnet. Von seinen eigenen Bienen hergestellt, sagt er, und
kostet selbst gleich genüsslich mit dem Finger davon. Der Alte selbst bekommt
ein glitschiges Omelett, das er mit
einem Fladenbrot auftunkt. Davon koste ich lieber nicht. Statt der
veranschlagten 200 Dirham gebe ich ihm 220. Er kommt um den Tisch und umarmt
mich lange, sagt etwas von „mon ami“ und bringt mich noch bis zur nächsten
Kreuzung. Dort umarmen wir uns noch einmal, er zündet sich seine Pfeife an und
ich wandere weiter gen Akchour. Wahnsinn, hab ich einen Muskelkater. Am ärgsten
zwickt´s in der Leistengegend, seltsam. Von der Piste biege ich in ein Dorf ab,
am anderen Ende führt nur mehr ein dünner Pfad weiter, den ich gelegentlich aus
den Augen verliere. Einzig der rauschende Fluss unten dient als zuverlässige
Landmarke, dem soll ich nämlich nach Norden folgen. Zuerst arbeite ich mich
durch dorniges Gestrüpp, später balanciere ich entlang schon abgeernteter
Marihuana- Felder, die meistens in Terrassen angelegt sind. Zwischen den
dicken, vertrockneten Stengeln der letzten Ernte sprießen schon wieder die
jungen Pflanzen. Ich treffe zwei Typen. Der eine ist freundlich und wir
wechseln ein paar Worte, der andere ist misstrauisch und schaut feindselig.
Nach einer kleinen Brücke verliert sich der Pfad entlang des mittlerweile
ausgetrockneten Flusses, das Wasser wurde wohl zur Bewässerung der Felder
umgeleitet. Links von mir mächtige, senkrechte Felswände, am anderen Ufer
deutet auch nichts auf einen Weg hin. Also klettere ich in das schneeweiße
Flussbett und arbeite mich langsam flussabwärts, hoffend, der Pfad werde
irgendwo schon wieder weiter gehen. Plastik und Stofffetzen hängen entlang des Flussbettes
im Gestrüpp, zwischen den riesigen Felsen steckt ausgebleichtes Holz und ein
zerfleddertes Fellknäuel, das einmal eine Ziege gewesen sein könnte. Oft geht´s
nicht weiter, dann klettere ich zurück und versuch´s noch einmal von einer
anderen Seite. Und irgendwann erkenne ich die Sinnlosigkeit meines
Unterfangens. Hier ist nichts und niemand mehr. Wenn mir hier irgendwas
passiert- ich denke an Schlangen und Skorpione- geht´s mir wie der Ziege da
oben. Also alles wieder retour, zurück zum Dorf, dort zeigen mir zwei hübsche
Frauen mit Strohballen auf den Schultern den Zustieg zum richtigen Pfad hoch
über dem anderen Ufer. Ich bin schon total fertig, aber weit gekommen bin ich
noch nicht. Die Landschaft hat etwas Archaisches, Monumentales. Der Fluss gräbt
sich tief ins Tal ein, zieht eine Schneise, oft flankiert von Steilhängen.
Findlinge, so groß wie Autos, liegen in der Gegend herum. Keine Häuser,
Menschen, Wegweiser, einfach nix. Gelegentlich grasen Esel die wenigen
Pflanzen, die zwischen dem Schotter wachsen. Dann verliert sich der Weg ein
weiteres mal im Geröll. Irgendwann bin ich wieder unten beim Fluss, der jetzt auch
wieder Wasser führt. Ich überquere ihn über eine uralte Steinbrücke. Ein Fels
im Fluss dient als Mittelpfeiler, der die beiden Brückenbögen miteinander
verbindet. Ein wunderschöner Platz, gerade richtig für eine kleine Datteljause.
Später folge ich den Strommasten zum nächsten Dorf, der Weg nimmt kein Ende.
Dann schrecke ich eine Schlange auf, laut Buch wahrscheinlich eine
Hufeisennatter. Links vom Weg hat sie sich in den letzten Sonnenstrahlen
gesonnt, vielleicht eineinhalb Meter vor mir kriecht sie über den Pfad und
verschwindet ohne Eile im Dickicht. Ich kack mich an und bleib nur blöd stehen,
während das Herz bis in den Kopf rauf pumpt. Bei Ouslaf hat mich die
Zivilisation wieder. Oder besser: Beim zu dieser Stunde schon gut besuchten öffentlichen
Backofen des Dorfes taumle ich aus der Wildnis, ein wieder einmal vom Weg
abgekommener, huflahmer Außerirdischer. Nach einer weiteren Stunde erreiche ich
endlichAkchour, dort soll´s eine Unterkunft geben. Das erste Drecksloch
verweigere ich, das nächste Zimmer ist akzeptabel. Der Dorfwirt ist voll mit
Männern, die fern schauen. Dann schreit der Muezzin und ich bin ganz allein.
Ein etwas angebranntes „Tajin“ mit Spinat?, zwei Minztees, im TV spielt´s den
Gladiator, dann falle ich in´s Bett.
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