Donnerstag, 12. Dezember 2013



10.12., Von Azilane nach Akchour

Irgendwann ist der Ofen aus und dann wird´s richtig frisch. Ich bin aber zu dramhappert (hochdt.: damisch), mir noch etwas anzuziehen und so friere ich wieder einmal vor mich hin. In der Früh rumort´s in meinen Eingeweiden, was mich noch zusätzlich aus dem lauwarmen Schlafsack treibt. Der Alte wirft gleich mal seine Pfeife an, für einen beschwingten Start in den Tag. Für mich gibt´s seltsames Frühstück. Kaffee, der so unglaublich dünn ist, daß er aussieht wie Tee. Ich übertreibe nicht. Ranzige Butterbrocken, leider ungenießbar. Eine Schale Olivenöl, das so dick und gelb ist wie Honig. Auch leicht ranzig, aber sonst sehr gut. Honig, der so aussieht wie Marmelade. Dunkelrot, diverse Schwebstoffe und Fremdkörper drin, aber ausgezeichnet. Von seinen eigenen Bienen hergestellt, sagt er, und kostet selbst gleich genüsslich mit dem Finger davon. Der Alte selbst bekommt ein glitschiges Omelett,  das er mit einem Fladenbrot auftunkt. Davon koste ich lieber nicht. Statt der veranschlagten 200 Dirham gebe ich ihm 220. Er kommt um den Tisch und umarmt mich lange, sagt etwas von „mon ami“ und bringt mich noch bis zur nächsten Kreuzung. Dort umarmen wir uns noch einmal, er zündet sich seine Pfeife an und ich wandere weiter gen Akchour. Wahnsinn, hab ich einen Muskelkater. Am ärgsten zwickt´s in der Leistengegend, seltsam. Von der Piste biege ich in ein Dorf ab, am anderen Ende führt nur mehr ein dünner Pfad weiter, den ich gelegentlich aus den Augen verliere. Einzig der rauschende Fluss unten dient als zuverlässige Landmarke, dem soll ich nämlich nach Norden folgen. Zuerst arbeite ich mich durch dorniges Gestrüpp, später balanciere ich entlang schon abgeernteter Marihuana- Felder, die meistens in Terrassen angelegt sind. Zwischen den dicken, vertrockneten Stengeln der letzten Ernte sprießen schon wieder die jungen Pflanzen. Ich treffe zwei Typen. Der eine ist freundlich und wir wechseln ein paar Worte, der andere ist misstrauisch und schaut feindselig. Nach einer kleinen Brücke verliert sich der Pfad entlang des mittlerweile ausgetrockneten Flusses, das Wasser wurde wohl zur Bewässerung der Felder umgeleitet. Links von mir mächtige, senkrechte Felswände, am anderen Ufer deutet auch nichts auf einen Weg hin. Also klettere ich in das schneeweiße Flussbett und arbeite mich langsam flussabwärts, hoffend, der Pfad werde irgendwo schon wieder weiter gehen. Plastik und Stofffetzen hängen entlang des Flussbettes im Gestrüpp, zwischen den riesigen Felsen steckt ausgebleichtes Holz und ein zerfleddertes Fellknäuel, das einmal eine Ziege gewesen sein könnte. Oft geht´s nicht weiter, dann klettere ich zurück und versuch´s noch einmal von einer anderen Seite. Und irgendwann erkenne ich die Sinnlosigkeit meines Unterfangens. Hier ist nichts und niemand mehr. Wenn mir hier irgendwas passiert- ich denke an Schlangen und Skorpione- geht´s mir wie der Ziege da oben. Also alles wieder retour, zurück zum Dorf, dort zeigen mir zwei hübsche Frauen mit Strohballen auf den Schultern den Zustieg zum richtigen Pfad hoch über dem anderen Ufer. Ich bin schon total fertig, aber weit gekommen bin ich noch nicht. Die Landschaft hat etwas Archaisches, Monumentales. Der Fluss gräbt sich tief ins Tal ein, zieht eine Schneise, oft flankiert von Steilhängen. Findlinge, so groß wie Autos, liegen in der Gegend herum. Keine Häuser, Menschen, Wegweiser, einfach nix. Gelegentlich grasen Esel die wenigen Pflanzen, die zwischen dem Schotter wachsen. Dann verliert sich der Weg ein weiteres mal im Geröll. Irgendwann bin ich wieder unten beim Fluss, der jetzt auch wieder Wasser führt. Ich überquere ihn über eine uralte Steinbrücke. Ein Fels im Fluss dient als Mittelpfeiler, der die beiden Brückenbögen miteinander verbindet. Ein wunderschöner Platz, gerade richtig für eine kleine Datteljause. Später folge ich den Strommasten zum nächsten Dorf, der Weg nimmt kein Ende. Dann schrecke ich eine Schlange auf, laut Buch wahrscheinlich eine Hufeisennatter. Links vom Weg hat sie sich in den letzten Sonnenstrahlen gesonnt, vielleicht eineinhalb Meter vor mir kriecht sie über den Pfad und verschwindet ohne Eile im Dickicht. Ich kack mich an und bleib nur blöd stehen, während das Herz bis in den Kopf rauf pumpt. Bei Ouslaf hat mich die Zivilisation wieder. Oder besser: Beim zu dieser Stunde schon gut besuchten öffentlichen Backofen des Dorfes taumle ich aus der Wildnis, ein wieder einmal vom Weg abgekommener, huflahmer Außerirdischer. Nach einer weiteren Stunde erreiche ich endlichAkchour, dort soll´s eine Unterkunft geben. Das erste Drecksloch verweigere ich, das nächste Zimmer ist akzeptabel. Der Dorfwirt ist voll mit Männern, die fern schauen. Dann schreit der Muezzin und ich bin ganz allein. Ein etwas angebranntes „Tajin“ mit Spinat?, zwei Minztees, im TV spielt´s den Gladiator, dann falle ich in´s Bett.

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