7.12., Von
Tangier nach Chefchaouen
Aufbruchsstimmung!
Aber auch nix überstürzen. Zuerst mal zwei Kaffee am kleinen Platz und Leute schauen.
Der Fischhändler schiebt seinen Handkarren durch die Gegend, der Eishaufen darauf
ist gespickt mit Fischen aller Art und Größe. Flankiert wird er von einem Rudel
hoffnungsvoll nach oben spechtelnder Katzen. Der Brotmann verkauft seine
Baguettes und Fladen aus einem großen Korb, die Schuhputzer haben auch gut zu
tun. Nicht bei den Touris, aber zumindest bei den Einheimischen. Hier haben
auch drei Verrückte ihre Wirkungsstätte. Die wechseln sich meistens ab,
vielleicht sind sie sich gegenseitig auch ein wenig unheimlich. Dann check ich
aus und fahre mal die nördliche Küste entlang in Richtung Ceuta, einer der
wenigen verbleibenden Enklaven der einstigen Kolonialmacht Spanien am
afrikanischen Festland seit der Unabhängigkeit Marokkos 1956. Als EU-
Außengrenze sind diese Flecken schwer bewacht, das spanische Militär ist in
großer Zahl stationiert und die Grenzen zu Afrika sind entsprechend gesichert.
Ähnlich geht´s noch in Melilla etwas weiter östlich zu und zu guter Letzt
gibt´s noch ein paar unbewohnte Mini- Inseln unter spanischer Flagge. Der
Dutyfree- Sprudel wäre reizvoll, aber wegen der nicht vorhandenen
Versicherungspapiere für´s Moped verkneif ich mir die Ausreise. Unberührte und
überraschend saubere Sandstrände warten noch auf die von der Regierung groß
angekündigte Entwicklungsoffensive, hinter den Fischerbooten weiden Ziegen und
Schafe auf grünen Wiesen. Ein paar Luxusresorts außerhalb Tangiers stehen aber
schon und lange wird´s wohl nicht mehr dauern. Vergleichbare Gegenden gegenüber
in Europa sind mit Sicherheit schon restlos ausgereizt. Die Sandstrände sind
eingebettet in eine wild zerklüftete Küstenlandschaft. Kleinere Festungen
verfallen unbeachtet und dienen zumindest noch als Gatter für Nutzvieh. Die
Straße windet sich steile Hänge hinauf, dann geht´s wieder eben dahin. Ich bin
hin und weg und bei Ksar-es-Seghir biege ich ab gen Süden. Lastesel und Pferde
trotten am Straßenrand. Unter zerlumpten Verschlägen werden junge Hunde
verkauft. In den Dörfern am Weg fahre ich durch gut besuchte Märkte. Überall
Menschen in unterschiedlichsten Trachten, keiner achtet auf den Verkehr, die
Straße wird vom Fußvolk komplett vereinnahmt. Außerhalb der Siedlungen gibt´s
so gut wie keine Autos. Die Straßen sind schlecht genug, um Abenteuer zu
verheißen. Alle paar hundert Meter ist der Asphalt- Belag komplett weg,
Schlaglöcher warten geduldig auf ihre unachtsamen Opfer. Die Qualität der
Straßen pendelt zwischen zweispurig und supermodern bis zur buckeligen
Schotterpiste. Ich durchfahre eine tiefe Schlucht, ein Fluß plätschert neben
mir dahin. Ich passiere einen fast vollständig ausgetrockneten See, nur ein
paar Pfützen sind noch übrig und mit Vögeln überbevölkert. Bauern bestellen
ihre Felder mit Traktoren oder Stieren.
Wie auf einer unsichtbaren Kette aufgefädelt folgen weiße Reiher dem Pflug und
schauen ihrerseits, was die Scholle so zu bieten hat. In regelmäßigen Abständen
passiere ich Straßensperren der Bullizei, ich werde immer brav durch
gewunken. Ich fahre durch Tetouan, bei
Dar Ben-Karriche-El-Bahri balancieren die Leute im Gänsemarsch in rund zehn
Metern Höhe über eine zwar große, aber oben doch recht schmale Pipeline, um
über sumpfiges Gebiet zu ihren Häusern zu gelangen, bei Souk-el-Arba-des-Ben
Hassan füll ich mir sicherheitshalber auch den Reservekanister mit Sprudel
voll. So wie die Ortschaften heißen, so schaut´s hier auch aus. Allein die Tour
heute entschädigt mich für die ganzen Mühen der letzten zwei Wochen. Die
Landschaft ist atemberaubend. Nach über vier Stunden komm ich in Chefchaouen an,
auf der Karte hätte ich die Distanz auf 120 Kilometer geschätzt, gefahren bin
ich aber fast das Doppelte. Ein multilingualer Typ nimmt mich gleich in
Beschlag, organisiert mir einen (natürlich kostenpflichtigen, weil „bewachten“)
Parkplatz, zeigt mir meine präferierte Bude in der Altstadt und hilft mir beim
Gepäck. Das funktioniert hier alles reibungslos, kostet natürlich ein kleines
Trinkgeld. So viele Touris, hier sind die alle! Laut Keiler sind wir mitten in
der Hochsaison und damit hat er recht. Mein Zimmer in der Medina ist winzig
aber entzückend. Ganz grobe, weiß getünchte Wände, natürlich keine Heizung. Ein
Bett, ein kleines, vergittertes Fenster, so etwas wie ein gemauertes Beistelltischchen
und aus. Dusche am Gang, das Häusl einen
Stock tiefer. Am Platz vor der Kasbah esse ich ein Tajin (=Eintopf) mit
Erdäpfeln, Fisolen und Karotten, dazu ein Fladenbrot und ein paar extrableiche
Oliven. Eigentlich nix besonderes, aber die ungewohnten Gewürze darin gleichen
die Einfachheit der Zutaten locker aus. Hinter den Zinnen der Lehmfestung gegenüber
geht schon die Sonne unter. Zerfledderte Musikanten- Pensis bespielen falsch
aber mit Inbrunst den Platz, ein Kapuzentyp trägt ein paar regungslose aber noch
lebende Hühner kopfüber spazieren. Cannabis- Verkäufer zuhauf. Im Quartier
setze ich mich noch mit Daniel, einem in Berlin wohnenden Engländer, zusammen und
dezimiere meine Vorräte am Inländerrum. Einer dieser seltenen, weil perfekten
Tage.
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