Sonntag, 8. Dezember 2013



7.12., Von Tangier nach Chefchaouen

Aufbruchsstimmung! Aber auch nix überstürzen. Zuerst mal zwei Kaffee am kleinen Platz und Leute schauen. Der Fischhändler schiebt seinen Handkarren durch die Gegend, der Eishaufen darauf ist gespickt mit Fischen aller Art und Größe. Flankiert wird er von einem Rudel hoffnungsvoll nach oben spechtelnder Katzen. Der Brotmann verkauft seine Baguettes und Fladen aus einem großen Korb, die Schuhputzer haben auch gut zu tun. Nicht bei den Touris, aber zumindest bei den Einheimischen. Hier haben auch drei Verrückte ihre Wirkungsstätte. Die wechseln sich meistens ab, vielleicht sind sie sich gegenseitig auch ein wenig unheimlich. Dann check ich aus und fahre mal die nördliche Küste entlang in Richtung Ceuta, einer der wenigen verbleibenden Enklaven der einstigen Kolonialmacht Spanien am afrikanischen Festland seit der Unabhängigkeit Marokkos 1956. Als EU- Außengrenze sind diese Flecken schwer bewacht, das spanische Militär ist in großer Zahl stationiert und die Grenzen zu Afrika sind entsprechend gesichert. Ähnlich geht´s noch in Melilla etwas weiter östlich zu und zu guter Letzt gibt´s noch ein paar unbewohnte Mini- Inseln unter spanischer Flagge. Der Dutyfree- Sprudel wäre reizvoll, aber wegen der nicht vorhandenen Versicherungspapiere für´s Moped verkneif ich mir die Ausreise. Unberührte und überraschend saubere Sandstrände warten noch auf die von der Regierung groß angekündigte Entwicklungsoffensive, hinter den Fischerbooten weiden Ziegen und Schafe auf grünen Wiesen. Ein paar Luxusresorts außerhalb Tangiers stehen aber schon und lange wird´s wohl nicht mehr dauern. Vergleichbare Gegenden gegenüber in Europa sind mit Sicherheit schon restlos ausgereizt. Die Sandstrände sind eingebettet in eine wild zerklüftete Küstenlandschaft. Kleinere Festungen verfallen unbeachtet und dienen zumindest noch als Gatter für Nutzvieh. Die Straße windet sich steile Hänge hinauf, dann geht´s wieder eben dahin. Ich bin hin und weg und bei Ksar-es-Seghir biege ich ab gen Süden. Lastesel und Pferde trotten am Straßenrand. Unter zerlumpten Verschlägen werden junge Hunde verkauft. In den Dörfern am Weg fahre ich durch gut besuchte Märkte. Überall Menschen in unterschiedlichsten Trachten, keiner achtet auf den Verkehr, die Straße wird vom Fußvolk komplett vereinnahmt. Außerhalb der Siedlungen gibt´s so gut wie keine Autos. Die Straßen sind schlecht genug, um Abenteuer zu verheißen. Alle paar hundert Meter ist der Asphalt- Belag komplett weg, Schlaglöcher warten geduldig auf ihre unachtsamen Opfer. Die Qualität der Straßen pendelt zwischen zweispurig und supermodern bis zur buckeligen Schotterpiste. Ich durchfahre eine tiefe Schlucht, ein Fluß plätschert neben mir dahin. Ich passiere einen fast vollständig ausgetrockneten See, nur ein paar Pfützen sind noch übrig und mit Vögeln überbevölkert. Bauern bestellen ihre Felder  mit Traktoren oder Stieren. Wie auf einer unsichtbaren Kette aufgefädelt folgen weiße Reiher dem Pflug und schauen ihrerseits, was die Scholle so zu bieten hat. In regelmäßigen Abständen passiere ich Straßensperren der Bullizei, ich werde immer brav durch gewunken.  Ich fahre durch Tetouan, bei Dar Ben-Karriche-El-Bahri balancieren die Leute im Gänsemarsch in rund zehn Metern Höhe über eine zwar große, aber oben doch recht schmale Pipeline, um über sumpfiges Gebiet zu ihren Häusern zu gelangen, bei Souk-el-Arba-des-Ben Hassan füll ich mir sicherheitshalber auch den Reservekanister mit Sprudel voll. So wie die Ortschaften heißen, so schaut´s hier auch aus. Allein die Tour heute entschädigt mich für die ganzen Mühen der letzten zwei Wochen. Die Landschaft ist atemberaubend. Nach über vier Stunden komm ich in Chefchaouen an, auf der Karte hätte ich die Distanz auf 120 Kilometer geschätzt, gefahren bin ich aber fast das Doppelte. Ein multilingualer Typ nimmt mich gleich in Beschlag, organisiert mir einen (natürlich kostenpflichtigen, weil „bewachten“) Parkplatz, zeigt mir meine präferierte Bude in der Altstadt und hilft mir beim Gepäck. Das funktioniert hier alles reibungslos, kostet natürlich ein kleines Trinkgeld. So viele Touris, hier sind die alle! Laut Keiler sind wir mitten in der Hochsaison und damit hat er recht. Mein Zimmer in der Medina ist winzig aber entzückend. Ganz grobe, weiß getünchte Wände, natürlich keine Heizung. Ein Bett, ein kleines, vergittertes Fenster, so etwas wie ein gemauertes Beistelltischchen und aus. Dusche am Gang,  das Häusl einen Stock tiefer. Am Platz vor der Kasbah esse ich ein Tajin (=Eintopf) mit Erdäpfeln, Fisolen und Karotten, dazu ein Fladenbrot und ein paar extrableiche Oliven. Eigentlich nix besonderes, aber die ungewohnten Gewürze darin gleichen die Einfachheit der Zutaten locker aus. Hinter den Zinnen der Lehmfestung gegenüber geht schon die Sonne unter. Zerfledderte Musikanten- Pensis bespielen falsch aber mit Inbrunst den Platz, ein Kapuzentyp trägt ein paar regungslose aber noch lebende Hühner kopfüber spazieren. Cannabis- Verkäufer zuhauf. Im Quartier setze ich mich noch mit Daniel, einem in Berlin wohnenden Engländer, zusammen und dezimiere meine Vorräte am Inländerrum. Einer dieser seltenen, weil perfekten Tage. 

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