16.12., Von
Fez nach Casablanca
Aufmerksamen
Lesern wird es nicht entgangen sein, ich habe meine Pläne geändert. Nicht im hektischen
Marrakesch werde ich mit meiner alsbald zu mir stoßenden Gefährtin die
Weihnacht feiern, sondern irgendwo an der Westküste, südlich von Casablanca.
Marrakesch heben wir uns für später auf, wenn die Horden hoffentlich schon
wieder daheim sind. Also fahr ich schnell die paar Kilometer rüber, denk ich
mir, und checke die Lage. Wenn diese Schädln doch nur ein paar Schilder
aufstellen würden. Einmal verfahre ich mich hier 25 Kilometer, dann versäume
ich dort wieder die Kreuzung, es ist ziemlich mühsam. Ich cruise ja prinzipiell
gern herum, aber Sinn soll das Ganze schon machen. Die Leute auf der Straße
kennen oft nicht einmal die nächste größere Stadt oder sie verstehen mich einfach
nicht. Ich frage zum Beispiel nach „Rommani“, Casablanca wäre wegen der großen Distanz
nämlich völlig utopisch. „To Rommani?“ Der Beispiel- Typ schaut blöd. Ich lasse
das „To“ weg, verwirrt ja nur. Ich betone unterschiedlich. Ich rolle das r, ich
nehme den Helm ab, ich sag´s schnell, ich sag´s langsam, ich zeig´s ihm auf der
Karte. Dann frag ich nach einer anderen Ortschaft. Und so geht das oft, sehr
oft. Es gibt viele Kreuzungen und es gibt wenig Wegweiser. Irgendwo mittendrin entschädigen
mich wieder die unglaublichsten Bergwertungen. Unbewohnte Landstriche, Natur
pur. Dann aber auch total verdreckte Kleinstädte oder offene Mülldeponien im
Niemandsland. Der Wind verteilt den Müll natürlich kilometerweit, vor allem die
Plastiksackerln. Richtig gschissn wird´s aber so dreißig Kilometer vor
Casablanca. Ich hole aus. Vor zehn Jahren haben sich dreizehn Suicidler auf
öffentlichen Plätzen der Stadt in die Luft gesprengt, vier Jahre später konnten
vierundzwanzig andere noch rechtzeitig daran gehindert werden. Die kamen alle
von den Slums hier, so wie mehr als ein Viertel der insgesamt vier Millionen
Einwohner. Wie´s hier ausschaut, kennt man aus dem Tv, Slums schauen auf der
ganzen Welt scheinbar mehr oder weniger gleich aus. Und dann kommen die
Geisterstädte. Zehntausende Wohnungen hat die Regierung während der letzten
Jahre aus dem Boden gestampft, um den Slum- Sandlern irgendeine Perspektive zu
geben. Aber diese ganzen hässlichen Wohnblocks stehen leer, warum auch immer. Nur
Staub und Schutt überall, sonst gibt´s keinerlei Infrastruktur. Keine Straßen,
Gehsteige, Geschäfte, gar nix. Ein wahrer Albtraum. Vollkommen planlos fahre
ich in die Stadt rein, ich hab keine Ahnung, wo ich hin muss. Nicht einmal
für´s Zentrum gibt´s Schilder und Casablanca ist riesig. Ich folge also dem
stärksten Verkehr und nach einer kleinen Ewigkeit und viel Herumfragerei falle
ich in einer gerade noch akzeptablen Bude
in der Nähe des Marktes aufs Bett. Es ist schon lange finster und mehr
als ein Snack um´s Eck ist für heute nicht mehr drinnen.
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