Dienstag, 17. Dezember 2013



16.12., Von Fez nach Casablanca

Aufmerksamen Lesern wird es nicht entgangen sein, ich habe meine Pläne geändert. Nicht im hektischen Marrakesch werde ich mit meiner alsbald zu mir stoßenden Gefährtin die Weihnacht feiern, sondern irgendwo an der Westküste, südlich von Casablanca. Marrakesch heben wir uns für später auf, wenn die Horden hoffentlich schon wieder daheim sind. Also fahr ich schnell die paar Kilometer rüber, denk ich mir, und checke die Lage. Wenn diese Schädln doch nur ein paar Schilder aufstellen würden. Einmal verfahre ich mich hier 25 Kilometer, dann versäume ich dort wieder die Kreuzung, es ist ziemlich mühsam. Ich cruise ja prinzipiell gern herum, aber Sinn soll das Ganze schon machen. Die Leute auf der Straße kennen oft nicht einmal die nächste größere Stadt oder sie verstehen mich einfach nicht. Ich frage zum Beispiel nach „Rommani“, Casablanca wäre wegen der großen Distanz nämlich völlig utopisch. „To Rommani?“ Der Beispiel- Typ schaut blöd. Ich lasse das „To“ weg, verwirrt ja nur. Ich betone unterschiedlich. Ich rolle das r, ich nehme den Helm ab, ich sag´s schnell, ich sag´s langsam, ich zeig´s ihm auf der Karte. Dann frag ich nach einer anderen Ortschaft. Und so geht das oft, sehr oft. Es gibt viele Kreuzungen und es gibt wenig Wegweiser. Irgendwo mittendrin entschädigen mich wieder die unglaublichsten Bergwertungen. Unbewohnte Landstriche, Natur pur. Dann aber auch total verdreckte Kleinstädte oder offene Mülldeponien im Niemandsland. Der Wind verteilt den Müll natürlich kilometerweit, vor allem die Plastiksackerln. Richtig gschissn wird´s aber so dreißig Kilometer vor Casablanca. Ich hole aus. Vor zehn Jahren haben sich dreizehn Suicidler auf öffentlichen Plätzen der Stadt in die Luft gesprengt, vier Jahre später konnten vierundzwanzig andere noch rechtzeitig daran gehindert werden. Die kamen alle von den Slums hier, so wie mehr als ein Viertel der insgesamt vier Millionen Einwohner. Wie´s hier ausschaut, kennt man aus dem Tv, Slums schauen auf der ganzen Welt scheinbar mehr oder weniger gleich aus. Und dann kommen die Geisterstädte. Zehntausende Wohnungen hat die Regierung während der letzten Jahre aus dem Boden gestampft, um den Slum- Sandlern irgendeine Perspektive zu geben. Aber diese ganzen hässlichen Wohnblocks stehen leer, warum auch immer. Nur Staub und Schutt überall, sonst gibt´s keinerlei Infrastruktur. Keine Straßen, Gehsteige, Geschäfte, gar nix. Ein wahrer Albtraum. Vollkommen planlos fahre ich in die Stadt rein, ich hab keine Ahnung, wo ich hin muss. Nicht einmal für´s Zentrum gibt´s Schilder und Casablanca ist riesig. Ich folge also dem stärksten Verkehr und nach einer kleinen Ewigkeit und viel Herumfragerei falle ich in einer gerade noch akzeptablen Bude  in der Nähe des Marktes aufs Bett. Es ist schon lange finster und mehr als ein Snack um´s Eck ist für heute nicht mehr drinnen.

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