Samstag, 16. Februar 2019

14.2., Minca

Das Kratzen nimmt kein Ende. Unsere Haxen schauen aus, als hätte man mit Schrotflinten auf uns geschossen, und wir schmieren uns in Ermangelung anständiger Medizin schon mit Sojabohnenöl und ähnlichem Unsinn ein. Immer neue Bisse und Stiche tauchen wie aus dem Nichts auf, unter der langen Hose, innerhalb der Schuhe, dunkle Mächte. Das Insektenschutzmittel ist weitgehend wirkungslos und der Feind unsichtbar.
Auch dreister Diebstahl trübt das Glück. Bei der Abholung der Panier von der Wäscherei fehlt eine von Enas Hosen. Selbstredend ist das so nicht hinzunehmen, wo ihre bescheidene Reisegarderobe ohnehin nur ein Minimum an modischen Entfaltungsmöglichkeiten und anlassbezogener Adjustierung gewährleisten kann. Ena stellt die Bude kurzerhand auf den Kopf, das ist jetzt nicht mehr lustig. Alle Anwesenden müssen auch die privaten Räumlichkeiten während der Durchsuchung
verlassen, als wäre die Geheimpolizei bei der Arbeit. Kalmierende Worte meinerseits bringen auch mich ins Schussfeld des bösen Blickes. Stefsechef in Gefahr!
Die Waschfrau gibt sich baff und ahnungslos, möchte uns sogar das bezahlte Geld zurückgeben, denn die Hose bleibt verschwunden. Ohnmächtige Wut, rotierende Zeiger im Stimmungsbarometer. Ich habe hier ja leicht reden. Würde aber meine einzige mitgeführte lange Hose abhanden kommen, ich würde nicht zögern und die kleptomanische Putze umgehend in ihrer prähistorischen Waschmaschine ersäufen.
Louis, der Redneck aus Florida, stößt zu uns, das vierte mal in der vierten Stadt. Er war die letzten Tage ganz oben unterwegs, am nördlichsten Zipfel Lateinamerikas. Eine einfache Bundesstraße, die durch das dünn besiedelte Gebiet führt, genügt dort vollauf, um das überschaubare Verkehrsaufkommen zu bewältigen. Umso erstaunter war Louis, als diese plötzlich für zwei, drei Kilometer in eine Autobahn mit jeweils zwei Richtungsfahrbahnen ohne bauliche Trennung in deren Mitte übergegangen ist. Ein Örtlicher hat ihn später diesbezüglich aufgeklärt. Bei Bedarf wird dieser Abschnitt nachts von der Polizei gesperrt um per Flugzeug Drogen abzutransportieren. Irgendwie muß das Zeug ja außer Landes geschafft werden. Seit dem damals von den USA und der kolumbianischen Regierung gestarteten War on Drugs hat sich allein die Anbaufläche für Koka versiebenfacht. Außerdem hat Louis von einem der vielen aus ihrem Land geflüchteten Venezoelanern als Souvenir für daheim ein dickes Bündel wertlos gewordene Bolivares erstanden. An vielen Plätzen würden sie außerdem fässerweise Rohöl verkaufen, das einzig greifbar
Wertvolle von daheim.
Wir hatschen aus dem Kaff. An einer Wand hängt ein Käfer so groß wie ein Spatz und zwei Meter tiefer hockt eine Spinne, die ist nicht viel kleiner. Pferde und Esel flanieren scheinbar herrenlos weiter außerhalb durch die Gegend. Unser Interesse heute gilt heute aber mehr dem Kakao, ringsum bieten ein paar Farmen Führungen an. Ich fasse zusammen: Geernteter Kakao muß zuerst fermentiert werden, dann stinkt er. Wird er aber anschließend getrocknet und geröstet, riecht das besser. Reiner Kakao schmeckt stark und gut, aber bitter, weswegen meistens noch Zucker und Milch zugesetzt werden, dann hat man Schokolade. Am meisten davon weltweit naschen mittlerweile deutsche Frauen, was deren Männer bewiesen humorlos macht.

Keine Kommentare: