Freitag, 21. Januar 2022

 20.1., Ilha Grande

Auf, auf zum Lopes Mendes! Wer ist Lopes Mendes, wird sich der ungebildete Leser fragen, doch ihm (oder ihr, immer!) kann nur bedingt geholfen werden. Es gibt einen brasilianischen Fußballspieler mit diesem Namen, aber ob einer der schönsten Strände Brasiliens wirklich nach ihm benannt ist, war nicht herauszufinden. Jedenfalls liegt dieses Naturwunder an der Südseite der Insel, was eine ausgedehnte, mehrstündige Wanderung notwendig macht. 

Eine enge Schneise schlängelt sich durch den Urwald, mal einen halben, mal zwei Meter breit. Eine entspannte Echse wird sich blicken lassen und ein entgeisterter Nager so groß wie ein Ferkel. Stefsechef rinnt aus, pinkeln ist gestrichen. Regen wäre jetzt schön. In Sachen Luftfeuchtigkeit würde es keinen großen Unterschied mehr machen, aber das Unternehmen wenigstens etwas abkühlen. Bambus, Würgepflanzen, Bäume, die aus dem blanken Fels wachsen. Meine letzten labbrigen  Mannerschnitten esse ich, während der Lärm der Zikaden an- und abschwillt wie das Rauschen des Meeres unter mir. Tiefblau leuchtende Schmetterlinge und ein gigantischer Felsenhaufen, wo allem Anschein nach gelegentlich wesentlich mehr als das jetzige Rinnsal der Ebene entgegen plätschert.

An der Küste angekommen, klettere ich mit Hilfe eines angebrachten Seils einen großen Felsbrocken hinab, ziehe die Schuhe aus und quere eine Furt. Von der einstmaligen Brücke sind nur mehr die Steher übrig. Las Palmas, der erste Strand am Weg, ist schon entzückend. Einen Becher Guaracamp trinke ich beim Wirten, eine Mischung aus Guarana und Avocado. Eine  kleine Kapelle mit vier Sitzbänken schmücken alle zusammengetragenen Reliquien der näheren Umgebung, Bilder, Fliesen und Statuen aus allen Zeiten und Materialien. Viele der Anbetungswürdigen sind dunkelhäutig, nicht nur der heilige dritte König. Alte Hütten aus Lehm und Bambus im Hang unter Palmen. Burschen stehen im Wasser und fischen. 

Schuhe an, zurück in den Wald, wo Blattschneiderameisen ihren Salat heim tragen wie eine Armada aus kleinen Segelbooten. Eine Brücke, total vermorscht und die dünnen Trittbretter nur mehr fragmentarisch erhalten, führt zum  Praya do Mangues, dem nächsten Strand. Man würde nicht tief fallen, zwei Meter in sumpfiges Wasser. Grüne Wiese und ausladende Bäume hinter dem Strand. Eine Spritze liegt im Sand, wahrscheinlich von einem Giftler in  Rio entsorgt und mit der Strömung her gespült. Die ersten zwei englischsprachigen Touristen seit zehn Tagen, noch ein Waldstück, noch ein Strand. 

Schuhe aus, Schuhe an. Nicht so sehr wegen der Schlangen, eher wegen etwaiger Hakenwürmer. Wäre ich ein Wurm, würde ich hier im feuchten Schlamm geduldig auf eine weiche europäische Fußsohle warten, durch die ich mich bohren kann. Dann erreiche ich endlich den Lopes Mendes, sein Sand so weiß wie Mehl und so fein, dass er bei jedem Schritt quietscht. Rund um mich jagen große, weißbraune Vögel im Meer, fliegen wie Pfeile mit vollem Karacho senkrecht ins Wasser. Um Sechs nehme ich das letzte Boot zurück ins Dorf, so bummvoll , dass der Bootsführer noch zweimal stehen bleiben und die Leute umschlichten muss, ehe wir bei Sonnenuntergang die Halligalli-Zone Ilha Grandes erreichen.


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